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Foto: Mira Herold-Baer
Foto: Mira Herold-Baer

Im Keller von Rocio Munoz-Echeverroy in Deisenhausen hat das Hochwasser schlimme Schäden hinterlassen.

Deisenhausen
03.06.2024

An der Günz türmen sich Baumstämme, Plastik und Gartenstühle

Von Mira Herold-Baer

Deisenhausen traf es im südlichen Teil des Landkreis Günzburg wohl am schlimmsten. Nun kehren die Menschen wieder in ihre Wohnungen zurück. Was sie dort erwartet.

In den Gärten steht noch das Wasser, am Ufer der Günz türmen sich Gartenstühle, Baumstämme und Plastik. Ein junger Feuerwehrmann steht allein an einem geöffneten Kellerfenster, er pumpt ein lila-glänzendes Gemisch von Öl und Wasser in einen großen Behälter. "Der wird später von 'ner Fachfirma geholt", sagt der junge Feuerwehrmann schulterzuckend. Nach diesem Wochenende scheint die Menschen in Deisenhausen kaum noch etwas zu beunruhigen. 

Die kleine Feuerwehrgruppe wirkt entspannt, sie wartet auf weitere Anweisungen. Kurz darauf steigt die Gruppe wieder ins Feuerwehrauto ein: "Es bringt hier ja alles nichts. Wir müssen warten." Auch Bürgermeister Bernd Langbauer steht vor dem Gebäude, er erkundigt gemeinsam mit dem zweiten Bürgermeister Hubert Ruf das Dorf. Sie schauen nach den Schäden und reden mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Gummistiefelpolitik.

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Foto: Mira Herold-Baer
Foto: Mira Herold-Baer

Auch das Haus von Rocio Munoz-Echeverroy in Deisenhausen wurde durch das Hochwasser massiv beschädigt.

Das ganze Wochenende über musste Bürgermeister Langbauer Entscheidungen treffen, die er eigentlich nicht treffen will: "Sollen, nein, müssen wir evakuieren? Du hast da natürlich im Kopf, dass es um Menschenleben geht", schildert er sein Wochenende. Das Hochwasser traf die kleine Gemeinde hart, in manchen Werkshallen sei das Wasser bis zu 1,40 Meter hoch gestanden. Am Montag ist die Flut weg, nun kommen die Schäden zum Vorschein. Ob er den schon ungefähr beziffern könne? "Das geht wohl ins Unvorstellbare. Ich hab bisher wirklich keine Ahnung." Langbauer und Ruf machen sich auf den Weg zur Staatsstraße 2019, um sich das weggebrochene Asphaltstück anzuschauen. 

Auf ihrer Stirn bilden sich Falten

Herr Maier steht am Straßenrand, er wartet noch auf den Anruf, wo er hinsoll. Da heute kaum ein Elektriker herzubekommen ist, bietet Maier seine Hilfe an. Seine Nummer wurde an Alexander Motz weitergeleitet, der Probleme mit der Elektrik im Keller habe. Doch vorher schaut Maier noch schnell bei einer Freundin vorbei - Rocio Munoz-Echeveroys steht mit Schlamm-bespritzen Gummistiefeln in ihrem Garten, hinter sich hat sie nasse Polster und Decken aufgehängt. In der Wiese liegen fein säuberlich allerhand Gegenstände nebeneinander, ein Schuh direkt neben der Kochschüssel. "Man versucht, möglichst viel zu retten. Aber was bringt das?", sagt Munoz-Echeveroys. Auf ihrer Stirn bilden sich Falten, sie schaut kritisch gen Himmel. Denn am Nachmittag ist schon wieder Starkregen angekündigt. 

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Foto: Mira Herold-baer
Foto: Mira Herold-baer

Dieser ausgebrochene Ziegenbock war auf den Straßen von Deisenhausen unterwegs.

Munoz-Echeveroys zeigt ihren Keller, ein leichtes Brummen dringt durch die Räume. Drei kleine Pumpen tun seit dem Sonntagabend das Beste, während Wasser aus einem Loch in der Wand sprudelt - der Grundwasserspiegel liegt über dem Keller. Mittlerweile kann man wieder den Strich an der Wand sehen, den Munoz-Echeveroys nach dem letzten Hochwasser im Jahr 2013 anzeichnete. Ein Zweiter, für das Jahr 2024, wird nicht folgen. Denn das Wasser stieg diesmal viel höher, stoppte nur knapp unter den Flurdielen im Erdgeschoss.

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Als Landrat Hans Reichhart am Freitagabend den Katastrophenfall ausrief, winkten Maier und Munoz-Echeveroy noch mit einer Hand ab, wie sie berichten. So "hochwassererprobt", wie sie in Deisenhausen sind, werde es schon nicht so übel werden. Die Bewohnerinnen und Bewohner verrammelten alle Kellerfenster mit Brettern, bauten sogar kleine Wasserhindernisse im Garten auf. Dann kam das Wasser. Es bahnte sich seinen Weg durch all die Bretter, Schranken und Absperrungen. Unerbittlich und kalt riss es Gartenmöbel, Pflanzen und Paletten mit. Das Wasser "holte" sich gewissermaßen einen Teil der Gemeinde.

Das Wasser stieg in Deisenhausen immer weiter an.

Dennoch hatten die Menschen noch Hoffnung. Sie starteten ihre Pumpen im Keller, kämpften mit Eimern gegen die drängenden Wassermassen an. Doch das Wasser stieg weiter und weiter und weiter. Auch im Keller von Alexander Motz - er wollte trotzdem bleiben. Bis es am Samstagmorgen an der Tür klingelte, der Bürgermeister stand davor. Er habe noch 15 Minuten, dann müsse die Familie endgültig raus. Motz warf noch einen Blick in den Keller, wägte ab und fasste eine Entscheidung: "Na gut, es bringt hier ja alles nix. Wir gehen zu Freunden." Die Familie packte noch schnell das Nötigste, sammelte die zwei Katzen ein und schloss die Haustür. 

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Foto: Florian Schlie�ler
Foto: Florian Schlie�ler

Eine Seenplatte: Das Luftbild zeigt, wie sehr Deisenhausen vom Hochwasser getroffen wurde.

An seiner Kellertreppe schwappt das Wasser immer noch über, bisher konnte es nicht abgepumpt werden. Das Wasser stand unter Strom, es verdampfte und verwandelte das Gewölbe in eine Sauna. Der Strom wurde nun von den LEW abgestellt, einen Elektriker benötige er daher erst am Tag, wenn das Wasser abgepumpt ist. Ob Maier da auch kann? Motz nickt beruhigt, als er die Zusage bekommt. Er hofft, dass zumindest noch etwas an Elektrik funktioniert. Eine Hochwasserversicherung hat er nicht. Die hatte keiner der vier Betroffenen. Entweder zu teuer, oder sie seien abgelehnt worden. Denn welche Versicherung nehme schon gerne jemand aus einem Hochwasserrisikogebiet? 

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Foto: Florian Schlie�ler
Foto: Florian Schlie�ler

Deisenhausen wurde durch das Hochwasser schlimm getroffen.

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