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Krumbach: Warum Michael Faist sein Familienunternehmen in Krumbach verkauft hat

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Warum Michael Faist sein Familienunternehmen in Krumbach verkauft hat

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    Blick auf die Unternehmenszentrale der Firma Faist Anlagenbau in Niederraunau. Das Unternehmen ist Systemlieferant für Anlagenbau und Automobilindustrie und wurde kürzlich an Investoren aus der Schweiz verkauft.
    Blick auf die Unternehmenszentrale der Firma Faist Anlagenbau in Niederraunau. Das Unternehmen ist Systemlieferant für Anlagenbau und Automobilindustrie und wurde kürzlich an Investoren aus der Schweiz verkauft. Foto: Faist Anlagenbau

    Die Spatzen pfiffen es schon länger von den Dächern, seit Donnerstag gibt es nun offizielle Gewissheit für die Angestellten der Firma Faist Anlagenbau: Der Krumbacher Familienbetrieb samt Tochtergesellschaften ist verkauft – an ein Unternehmen aus dem Ausland. Wie berichtet, hat sich der Eigentümer, Michael Faist, für die Schweizer Firma Paguasca Holding AG mit Hauptsitz in Zug entschieden. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt der 65-Jährige die Gründe für diese weitreichende Entscheidung.

    Die Firma Paguasca sei einer von vielen Bietern gewesen, an Anfragen seitens Investoren habe es nicht gemangelt, sagt Faist: „Bei Paguasca hat mir das Konzept am besten gefallen. Es war das Beste – sowohl für die Firma, als auch für Krumbach. Das war mir wichtig, denn alles andere wäre sowohl für die Firma als auch für die Stadt dramatisch.“ Dabei spricht Faist in erster Linie die Arbeitsplätze vor Ort an. Die hätten bei seiner Entscheidung oberste Priorität gehabt: „Mir war wichtig, so viele Arbeitsplätze wie möglich in Krumbach zu erhalten“, sagt er. Über den Kaufpreis hätten beide Parteien Stillschweigen vereinbart.

    Aber warum denn überhaupt verkaufen? Ein Unternehmen, das seit fast 120 Jahren in Familienbesitz ist, gibt man doch nicht leichtfertig aus der Hand. „Ich war schon seit Jahren nur auf der Rücksitzbank als Zuschauer, die Firma habe ich nicht geleitet“, meint der 65-Jährige dazu. Persönliche Gründe seien letztlich ausschlaggebend für seine Entscheidung gewesen. Genaueres wolle er der Öffentlichkeit nicht preisgeben. Die wirtschaftliche Lage hätte jedenfalls keine Rolle gespielt. Faist dazu: „Es gibt Bereiche, in denen die Fertigung in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Das muss man erkennen, bevor es zu spät ist.“ Die Corona-Krise und geopolitische Entwicklungen seien etwa zwei Themen, die nicht nur die Firma Faist vor Herausforderungen stelle. „Es würde mich freuen, wenn die Firma auch künftig prosperiert. Sie ist auf jeden Fall konzeptuell und finanziell gut für die Zukunft aufgestellt“, sagt Faist.

    Faist Anlagenbau in Krumbach ist verkauft: 36 Stellen werden gestrichen

    Das betont auch Geschäftsführer Roger Schmidt im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Firma habe sich dennoch schon länger damit beschäftigt, einen Investor ins Boot zu holen. Es seien etliche Bieter im Gespräch gewesen und Michael Faist habe sich nun für das beste Paket für alle Beteiligten entschieden, sagt Schmidt: „Wir haben uns bewusst für ein europäisches Unternehmen und somit gegen einen Verkauf nach China entschieden.“

    Noch im Sommer gab es bei Faist Anlagenbau eine kurze Kurzarbeitsphase von etwa zwei Monaten, berichtet der Geschäftsführer. „Zuletzt konnten wir aber etliche Aufträge für Krumbach generieren, wir sind bis weit in das erste Quartal 2021 ausgelastet.“ Gerade der Bereich „Power“ kenne aktuell keine Krise und ist Schmidt zufolge sehr gut ausgelastet. Im Bereich „Automotive“ sei es hingegen im Moment „eher anstrengend“. Mit dem Beitrag eines Investors, so der Geschäftsführer, habe das Unternehmen nun ganz andere Möglichkeiten in der Entwicklung. Es gebe einen Entwicklungsplan, der sich an der Marktsituation orientiert, berichtet Schmidt. „Wir wollen in der Region produzieren und beschaffen, das ist mit Kooperationen und Eigenproduktion angedacht.“

    Der neue Eigentümer, das Schweizer Unternehmen Paguasca, habe sich bereits am Donnerstag im Rahmen einer Informationsveranstaltung den rund 250 Angestellten in Krumbach vorgestellt. Wie viele von ihnen auch weiterhin bei Faist Anlagenbau beschäftigt bleiben, darüber wollte Schmidt keine konkreten Angaben machen. Bekannt ist: An den deutschen Standorten Krumbach und Bremen sollen 165 Arbeitsplätze erhalten bleiben. Klar ist daher auch: Es werden Stellen abgebaut. Dieser Abbau gliedert sich nach Angaben des Geschäftsführers in mehrere Baustellen: „ Das wird teils über Auflösungsverträge, teils über Renteneintritt und teils über Abbau mittels Sozialplan geregelt.“ Zumindest eines verrät Schmidt: Über den Sozialplan sollen voraussichtlich bis Mitte 2021 insgesamt 36 Stellen abgebaut werden.

    Faist Anlagenbau in Krumbach: Gewerkschaft ist bei Verhandlungen außen vor

    Die Gewerkschaft ist dabei außen vor. „Dafür gibt es keine speziellen Gründe“, sagt der Geschäftsführer. „Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit und ein offenes und transparentes Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat im Unternehmen. Und von Seiten des Betriebsrats ist eine Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft nicht gewünscht.“

    Diesen Umstand kritisiert Torsten Falke, Bezirksleiter der Gewerkschaft IG-BCE (Bergbau, Chemie und Energie) scharf: „Wir haben mehrfach versucht, den Betriebsrat der Firma Faist zu kontaktieren, aber es ist keine Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft gewünscht. Das ärgert mich persönlich schon, die Zusammenarbeit war in der Vergangenheit, zum Beispiel bei der AKsys-Insolvenz, eigentlich immer sehr gut. Ich weiß nicht, was das Management dem Betriebsrat da versprochen hat. Normalerweise macht man so etwas schon gemeinsam mit der Gewerkschaft.“

    Unabhängig davon sieht Krumbachs Bürgermeister Hubert Fischer den Schritt, die Firma Faist Anlagenbau zu veräußern, als Chance: „Es ist natürlich nicht erfreulich, dass die Firma Faist, die lange Zeit so gut dagestanden ist, nun in eine solche Situation geraten ist. Ich kenne die Schweizer Firma nicht, die nun als Investor einsteigt. Aber ich denke, ein solcher Schnitt ist manchmal notwendig – manchmal macht es eben Sinn, sich neu aufzustellen.“ Denn es sei nicht gut, wenn ein Unternehmen in den Worten Fischers „keinen Zug mehr drauf hat“. Dann, so der Bürgermeister, müsse man sich die Frage stellen, wie das Potenzial, dass in der Firma und den Mitarbeitern steckt, vorangetrieben werden kann: „In einem solchen Fall kann eine neue Verbindung der richtige Weg sein.“

    Fischer sieht das Geschehen rund um die Firma Faist deshalb positiv – auch wenn es aktuell für die Beschäftigten natürlich eine sehr schlechte Entwicklung sei. „Aber wir haben aktuell in der Region nicht viele Arbeitslose und es gibt viele Firmen, die gierig darauf warten, neue Mitarbeiter einzustellen“, sagt der Bürgermeister. Viele andere Beispiele hätten gezeigt, dass es innerhalb eines Jahres auch schnell wieder bergauf gehen könne. Fischer: „Auch die Firma Faist wird wieder Leute einstellen. Ich sehe diese Entwicklung deshalb als Chance, dass die Firma zu altem Glanz zurückkehrt.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Faist Anlagenbau in Krumbach verkauft: Unglück oder Chance?

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