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Prozess in Memmingen: Drogentrio vor Gericht: Für 150 Euro wurde einer zum Mittäter

Prozess in Memmingen

Drogentrio vor Gericht: Für 150 Euro wurde einer zum Mittäter

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    Auch im Gerichtssaal gelten Corona-Maßnahmen. So stehen zwischen den Prozessbeteiligten teilweise Plexiglasscheiben. Hinten zu sehen ist der Angeklagte Kevin U. mit seinen Verteidigern Steffen Kalauch und Klaus Knopf (rechts).
    Auch im Gerichtssaal gelten Corona-Maßnahmen. So stehen zwischen den Prozessbeteiligten teilweise Plexiglasscheiben. Hinten zu sehen ist der Angeklagte Kevin U. mit seinen Verteidigern Steffen Kalauch und Klaus Knopf (rechts). Foto: Alexander Sing

    Schon bevor der Prozess im Saal 132 des Memminger Landgerichts richtig begonnen hat, merkt man, dass da zwei abgebrühte Kriminelle auf der Anklagebank sitzen. Keine Spur von Nervosität oder Unsicherheit ist zu sehen bei Kevin U. und Wolfgang W. Sie lehnen sich entspannt in ihren Stühlen zurück, plaudern über den Tisch hinweg miteinander, obwohl ihnen das eigentlich verboten ist. Für die Ermahnung eines Polizeibeamten haben sie nur ein verstohlenes Grinsen übrig. Nur Gabriel M., der ist still. Er passt so gar nicht zu seinen Mitangeklagten.

    Er starrt die meiste Zeit vor sich hin, würdigt seine Mitangeklagten keines Blickes. Schon rein optisch hat er wenig gemein mit seinen einstigen Komplizen. U. und W. sind kräftig gebaut, mit kräftigen Oberarmen und einem breiten Kreuz. W. ist zudem übersät von Tattoos. M. dagegen ist klein und untersetzt. Er wirkt nicht so, als könnte er sich im Zweifelsfall gegen die anderen beiden durchsetzen. Das wurde ihm am 23. Oktober vergangenen Jahres zum Verhängnis.

    Auf dem Pendlerparkplatz Deffingen wurden die Drogen übergeben

    M. hatte die anderen beiden an jenem Tag von Berlin in den Landkreis Günzburg zu einer Drogenübergabe gefahren. Mittlerweile ist auch klar, weshalb sie einen Fahrer brauchten: Weder U. noch W. haben jemals einen Führerschein besessen. An diesem zweiten Prozesstag wird auch deutlich, dass M. kein Komplize sein möchte. Er will sich selbst retten und durch ein Geständnis eine mildere Strafe erreichen. Während sich seine Mitangeklagten über die Vorwürfe ausschweigen, obwohl die Polizei sie auf frischer Tat mit fast zehn Kilogramm Marihuana erwischt hat, gibt Gabriel M. über Verteidiger Thorsten Hauck eine Erklärung ab, in der er die ihn betreffenden Vorwürfe im Wesentlichen einräumt.

    Der Pendlerparkplatz an der B16 in Deffingen liegt verkehrsgünstig nahe der Autobahn A8. Vielleicht wählten deswegen drei Männer ihn für die Übergabe von knapp zehn Kilogramm Marihuana aus.
    Der Pendlerparkplatz an der B16 in Deffingen liegt verkehrsgünstig nahe der Autobahn A8. Vielleicht wählten deswegen drei Männer ihn für die Übergabe von knapp zehn Kilogramm Marihuana aus. Foto: Bernhard Weizenegger

    Laut M. habe Wolfgang W. gebeten, ihn nach Augsburg zu fahren. Dafür sollte er das Spritgeld und 150 Euro extra bekommen. Da M. zu der Zeit von Sozialhilfe lebte, ging er auf den Deal ein. Am Morgen holten sie U. in Berlin ab und fuhren den ganzen Tag durch. Worum es bei der Fahrt genau ging, habe er zu dem Zeitpunkt nicht gewusst, so M. in seiner Erklärung. Die Erkenntnis kam erst, als U. und W. ihn am späten Nachmittag auf den Pendlerparkplatz Deffingen an der A8 lotsten. Dort nahmen sie ein Paket von einem Unbekannten entgegen und luden es ins Auto. An dem Geruch habe M. erkannt, dass es sich um Marihuana handelte. Es kam zum Streit. Doch weil er sein Geld bis dahin nicht erhalten hatte, machte er weiter mit. Er fuhr zu einem Supermarkt, wo das Trio Lebensmittel und ein Vakuumiergerät kaufte. Dann ging er mit in das angemietete Zimmer und half beim Verpacken der Drogen – „damit es schneller geht“, so die Begründung.

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    M. scheint also unfreiwilliger Gehilfe gewesen zu sein, den Plan heckten U. und W. aus. Schon deren Biografien, die der Memminger Psychiater Dr. Andreas Küthmann in Gesprächen abfragte und vor Gericht vortrug, deuten in eine entsprechende Richtung. Beide haben eine lange Historie von Kriminalität und Drogenmissbrauch. Beide hatten Probleme in der Schule, fingen bereits in frühester Jugend an, Cannabis und Alkohol zu konsumieren. Später kamen härtere Drogen hinzu, darunter Kokain, Heroin, Amphetamine, Ecstasy, Pilze. Beide lebten zeitweise auf der Straße. Und beide saßen auch schon längere Zeit im Gefängnis.

    Wird Cannabis bald legal?

    Gesetzeslage In Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz ist Cannabis, mit 71 weiteren Drogen, als „nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel“ aufgeführt. Deren Anbau, Herstellung, Erwerb oder das Handeltreiben mit ihnen ohne entsprechende Genehmigung können mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden.

    Präzedenzfall Am 18. September 2019 stand ein 24-Jähriger in Bernau vor Gericht. Er war angeklagt wegen des Besitzes von 2,6 Gramm Marihuana. Mit der Begründung, das Verbot sei verfassungswidrig, lehnte der Mann eine Verurteilung ab. Amtsrichter Andreas Müller kam dem nach und beschloss, das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen.

    Rechtsgrundlage Artikel 100 des Grundgesetzes erlaubt es jedem Richter, ein Gesetz, das er für verfassungswidrig hält, dem höchsten Gericht zur Prüfung vorzulegen. Diese Möglichkeit zu nutzen, dazu hatte unter anderem der Deutsche Hanf-verband aufgerufen.

    Rechtsgeschichte 1994 hatte sich das Bundesverfassungsgericht erstmals mit dem Cannabisverbot befasst. Eine erste Anrufung von Richter Müller wurde 2004 abgelehnt.

    Kevin U. war sogar erst kurz vor der Tat wieder auf freien Fuß gekommen. Nun droht ihm laut dem Vorsitzenden Richter Christian Liebhart sogar Sicherungsverwahrung. Auch aus diesem Grund wies die Kammer den Antrag von Verteidiger Steffen Kalauch auf vorzeitige Haftentlassung und Aussetzung des Verfahrens ab. Der Rechtsanwalt hatte das mit einer Entscheidung des Amtsgerichts Bernau begründet, die Illegalität von Cannabis vom Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Die Kammer teile jedoch die Ansicht des Amtsgerichts Bernau nicht, so Liebhart.

    Drogenfund nahe Günzburg: Marihuana hatte Marktwert von 100.000 Euro

    Stattdessen machte er U. und W. klar, dass sich ein Geständnis immer strafmildernd auf das Urteil auswirke. Auch vor Gesprächen über einen sogenannten Deal im Austausch gegen ein Geständnis werde man sich nicht verschließen. Vorerst schweigen die beiden Angeklagten aber noch. Im weiteren Verlauf sagten mehrere Polizisten als Zeugen aus, die das Trio in der Pension festgenommen und später die Ermittlungen geführt hatten. Wie berichtet, ist zu den Verkäufern des Marihuanas nichts Näheres bekannt. Die Staatsanwaltschaft ist sich jedoch sicher, dass es zum Weiterverkauf bestimmt war. Der Marktwert der Drogen liegt bei rund 100.000 Euro.

    Der nächste Verhandlungstermin in der Sache ist für Dienstag, 7. September, angesetzt.

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