Bereicherte sich der langjährige Münsterhauser CSU-Bundestagsabgeordnete bei einem Maskengeschäft gar um eine Summe von rund 660.000 Euro? Viele Menschen in der Region können es schlichtweg nicht fassen, was da als Vorwurf und Anfangsverdacht im Raum steht. Für die CSU geht es jetzt auch intensiv um die Frage, wie der weitere Wahlkampf organisiert werden soll.
Setzt die CSU weiter auf Nüßlein? Oder muss gar bald eine personelle Alternative gesucht werden? Alfred Sauter, CSU-Kreisvorsitzender, betonte auf Anfrage noch einmal, dass er sich zum jetzigen Zeitpunkt an keinerlei Spekulationen beteiligen möchte. Der CSU-Politiker Georg Nüßlein lässt aufgrund der Korruptionsermittlungen gegen ihn sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ruhen. Dies teilte der Anwalt Nüßleins am Freitag mit. Sein Mandant halte die Vorwürfe für nicht begründet.
Was die Staatsanwaltschaft Nüßlein vorwirft
Nüßlein (51) soll, wie berichtet, einen Auftrag zur Maskenbeschaffung für die Bundes- und Landesregierung organisiert und dafür ein Beraterhonorar in Höhe von etwa 660.000 Euro erhalten haben. Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft dem christsozialen Gesundheitspolitiker Bestechlichkeit sowie Steuerhinterziehung vor. Anders als SPD, Grüne und Linke hat die CSU ihren Kandidaten für die Bundestagswahl noch nicht nominiert. Alles schien aber auf eine neue Nominierung Nüßleins (seit 2002 im Bundestag) rauszulaufen.
Doch wie ist das jetzt, nach den Ereignissen des 25. Februars, der Aufhebung von Nüßleins Immunität, den Durchsuchungen an etlichen Orten, unter anderem in Nüßleins Privathaus in Münsterhausen? Sauter sagt, dass noch rund drei Monate Zeit für die Nominierung sei und diese auch erst im Mai erfolgen könne. Die Reaktionen innerhalb der Günzburger Kreis-CSU auf die Vorwürfe gegen Nüßlein seien insgesamt „verhalten“ gewesen. Durchgängig sei die Meinung gewesen, dass man jetzt die weitere Entwicklung abwarten müsse. Wie lange kann es dauern, bis konkrete Erkenntnisse zum Verfahren gegen Nüßlein vorliegen? Das sei unklar, erklärt Sauter. Als Außenstehender erfahre man da nichts.
Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Nüßlein und der laufenden Ermittlungen erinnerte sich so mancher auch an die Ereignisse des Jahres 2001. Nüßlein war damals mit hauchdünner Mehrheit gegen Thorsten Freudenberger aus dem Landkreis Neu-Ulm (heute Landrat in Neu-Ulm) als Bundestagskandidat nominiert worden. Nüßlein trat 2002 die Nachfolge von Theo Waigel an. 30 Jahre hatte der langjährige Bundesfinanzminister und CSU-Vorsitzende Waigel dem Bundestag angehört. Da Waigel aus dem Landkreis Günzburg stammt, hatten viele CSU-Mitglieder aus dem Raum Neu-Ulm 2002 gehofft oder gar erwartet, dass ein Kandidat aus dem Raum Neu-Ulm die Waigel-Nachfolge antritt. Dem Bundeswahlkreis Neu-Ulm gehören die Kreise Günzburg, Neu-Ulm und Teile des Unterallgäus an.
Wie wird die CSU im Bereich Neu-Ulm mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen rund um Nüßlein verhalten? Sauter sagt, dass die CSU in der Nachbarschaft die Sache genauso wie die Kreis-CSU in Günzburg sehe. Jetzt gelte es, Ergebnisse des Verfahrens abzuwarten. Für Nüßlein gelte die Unschuldsvermutung, unterstreicht Sauter.
Zu den Ermittlungen gegen Georg Nüßlein gibt es auch ein Video und eine Bildergalerie:
Die „Unschuldsvermutung“ – sie hebt auch Monika Wiesmüller-Schwab, seit 2014 stellvertretende Landrätin, hervor. Sie kennt, wie sie im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet, Nüßlein seit Langem. Sie sei, so räumt sie ein, „geschockt“ gewesen, als sie von den Ermittlungen gegen Nüßlein erfahren hat. „Ich kenne ihn ja gut, umso mehr war ich von den Vorwürfen schockiert.“ Es seien „massive Vorwürfe“, es gehe um eine „große Dimension“. Jetzt aber gelte es, erst einmal abzuwarten, zum jetzigen Zeitpunkt könne man sich „kein Urteil erlauben“.
Wie die Bundestagswahlen in der Vergangenheit liefen
Der Verlauf des Nominierungsprozesses bei der CSU hänge „von der weiteren Entwicklung ab“. Man müsse sehen, ob sich „die Vorwürfe erhärten“. Jetzt sei es aber wichtig, dass es keine Spekulationen gebe. Monika Wiesmüller-Schwab sagt, dass die Bundestagswahlkämpfe in der Vergangenheit stets fair abgelaufen seien. Welche Auswirkung werden die jüngsten Ereignisse auf den Wahlkampf haben? Es könnten sich unter Umständen „neue Rahmenbedingungen“ ergeben, meint Monika Wiesmüller-Schwab. Gleichermaßen ist sie zuversichtlich, dass die Fairness weiterhin im Vordergrund stehen wird.
Bundestagswahlkämpfe in der Region? Sie sind seit Jahren mit den Namen Nüßlein, Karl-Heinz-Brunner (SPD-Bundestagsabgeordneter) und Ekin Deligöz (Grüne) verbunden. Die beiden anderen Mandatsträger aus dem Wahlkreis Neu-Ulm, Karl-Heinz Brunner (SPD) und Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), waren sehr überrascht, als sie aus den Medien von den Ermittlungen gegen Georg Nüßlein erfahren haben.
Der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner sagt, er könne über den konkreten Fall im Moment auch nur das wiedergeben, was in der Presse stehe. Bevor er Stellung bezieht, will er zunächst die Ergebnisse der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten. „Für mich gilt zunächst die Unschuldsvermutung“, sagt Brunner. Grundsätzlich sei es aber nicht richtig, erklärt der Illlertisser, wenn jemand die Pandemie ausnutze, um gute Geschäfte zu machen: „Ich würde mir wünschen, dass weniger Leute versuchen, mit der Pandemie Geld zu verdienen, und mehr Leute in der Pandemie helfen.“ Für dringend notwendig hält Brunner die Einführung eines Lobbyregisters für den Bundestag. Hätte man das schon früher eingeführt, sagt er, dann wäre es gar nicht erst zu solchen Verdachtsfällen wie jetzt bei Georg Nüßlein gekommen. Der Sozialdemokrat vergleicht das Lobbyregister mit einer Firewall auf dem Computer: Es würde rechtzeitig warnen, wenn Lobbyisten Einfluss auf Politiker ausüben wollen, und mehr Transparenz schaffen.
Auch Ekin Deligöz von den Grünen sagt: „Wir brauchen dringend ein Lobbyregister.“ Fälle wie dieser zeigten, warum das notwendig sei. Wobei auch die Politikerin aus Senden zum jetzigen Zeitpunkt betont: „Solange keine Ergebnisse der Staatsanwaltschaft da sind, gilt die Unschuldsvermutung.“
Bilder, die die Karriere von Georg Nüßlein zeigen:
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