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Landkreis Günzburg: Urteil wegen Steuerbetrug: Discobetreiberin muss lange hinter Gitter

Landkreis Günzburg

Urteil wegen Steuerbetrug: Discobetreiberin muss lange hinter Gitter

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    Die ehemalige Inhaberin einer Diskothek im Landkreis Günzburg muss wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe lange Zeit ins Gefängnis.
    Die ehemalige Inhaberin einer Diskothek im Landkreis Günzburg muss wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe lange Zeit ins Gefängnis. Foto: Anna Schmid (Symbolbild)

    Es sind die letzten Minuten vor der Urteilsverkündung im Gerichtssaal. Staatsanwalt und Verteidiger haben soeben ihre Plädoyers vorgetragen, als die Angeklagte sich erstmals selbst zu den Vorwürfen äußert. "Es tut mir sehr leid", schluchzt sie und fängt an zu weinen. Bis dato hatte sie vor Gericht zu den Vorwürfen der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe geschwiegen, hatte den Prozess vor den Schöffen am Amtsgericht in Augsburg an sämtlichen Verhandlungstagen schweigend und ohne nennenswerte Regung über sich ergehen lassen. Als Richter Markus Eberhard wenig später das Urteil verkündet, stehen der Angeklagten erneut die Tränen in den Augen - denn dieses trifft sie mit voller Härte.

    Die heute 53-Jährige soll als Betreiberin einer Diskothek im Landkreis Günzburg Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Über elf Jahre hinweg, von 2007 bis 2018, soll dem Staat ein Schaden in Höhe von 1,9 Millionen Euro entstanden sein, lautete die Anklage. Aufgeflogen war der Steuerbetrug bei einer Betriebsprüfung des Finanzamts im Jahr 2017. Vor knapp drei Jahren hatte dann eine nächtliche Razzia der Steuerfahndung in der voll besetzen Disko für Aufsehen gesorgt. Die weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannte Diskothek, die sie im Jahr 1994 übernommen hatte, betreibt die Angeklagte nicht mehr. Mittlerweile befindet sie sich in Privatinsolvenz.

    An fünf, teils langen, Prozesstagen hatten Mitarbeiter des Finanzamts und der Steuerbehörde, sowie ehemalige Angestellte der Angeklagten Licht ins Dunkel gebracht. Ihr wird vorgeworfen Steuern in 45 Fällen, davon 15 besonders schwere Fälle, hinterzogen zu haben. Zudem soll sie eine Vielzahl ihrer Angestellten schwarz beschäftigt und so Arbeitsentgelt in 141 Fällen vorenthalten und veruntreut haben. Bei einem Teil dieser Vorwürfe stellte Richter Eberhard das Verfahren nun am fünften Prozesstag, teils wegen Geringfügigkeit, teils wegen Verjährung, ein.

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    Es blieben 32 Fälle der Steuerhinterziehung und 122 Fälle von Sozialversicherungsbetrug, die Staatsanwalt Benjamin Rüdiger der Angeklagten in seinem Plädoyer zu Lasten legte. Sie habe die Steuererklärungen mit reinem Gewinnbestreben und bewusst falsch oder gar nicht abgegeben, so Rüdiger, um in die eigene Tasche zu wirtschaften und sich ein schönes Leben zu machen. "Das ist größte kriminelle Energie." Die Angeklagte habe einen Plan gemacht, die Taten bewusst verschleiert und keine Aufklärungshilfe geleistet. Die von der Steuerfahndung zur Berechnung des Schadens herangezogenen Kalender, in denen die Angeklagte die Umsätze von 2014 bis 2017 detailliert handschriftlich dokumentierte, war sich der Staatsanwalt sicher, beinhalten zweifelsfrei die richtigen Einnahmen. Die Angeklagte habe demnach als Betreiberin der Diskothek konsequent 50 Prozent der Steuern hinterzogen. Der vom Finanzamt errechnete Schaden in Höhe von rund 1,9 Millionen Euro sei deshalb "völlig unzweifelhaft korrekt" und bereits gänzlich zu Gunsten der Angeklagten angesetzt, betonte Rüdiger. Er forderte deshalb eine Haftstrafe von vier Jahren sowie die Rückzahlung der rund 1,9 Millionen Euro. Zudem beantragte er wegen hoher Fluchtgefahr einen Haftbefehl.

    Verteidiger Peter Mauss trug noch vor seinem Plädoyer, auf Grundlage seiner eigenen Berechnungen für den entstandenen Steuerschaden, ein Teilgeständnis für die Angeklagte vor. Sie räume - auf Basis dieser Kalkulation - alle Vorwürfe der Steuerhinterziehung für die Jahre 2014 bis 2017 und einer Summe von 190.000 Euro ein. Die Taten habe sie alleine und ohne Wissen und Hilfe anderer begangen. "Sie entschuldigt sich, bereut ihr Verhalten sehr und leidet sehr und dem Geschehenen", sagte Mauss. Der Verteidiger hatte schon zum Prozessauftakt die vom Finanzamt genannte Summe kritisiert. Der Rohgewinnaufschlag des Finanzamtes, mit dem die Behörde die Höhe der hinterzogenen Steuern im Nachhinein berechnet, sei zu hoch, monierte Mauss. Er errechnete lediglich 388.000 Euro hinterzogene Steuern. In seinem Plädoyer betonte er erneut, dass es für die Anschuldigungen der Steuerhinterziehung in den Jahren 2007 bis 2013 keine Beweise gebe. "Der Staat hat einen Nachweis zu führen, alleine Vermutungen reichen nicht für eine Verurteilung." Er beantragte daher eine Strafe, die nicht mehr als ein Jahr auf Bewährung vorsieht.

    Richter in Urteil: Diskobetreiberin hat 1,9 Millionen Euro Steuern hinterzogen

    Das sah Richter Eberhard anders. Er sprach die Angeklagte in seinem Urteil in allen 32 Fällen der Steuerhinterziehung, sowie 122 Fällen des Sozialversicherungsbetrugs schuldig und schloss sich der vom Finanzamt errechneten Schadenssumme von rund 1,9 Millionen Euro an. Das Finanzamt, so der Richter, habe das vorbildlich und auf ein absolutes Minimum zu ihren Gunsten berechnet. Von der Richtigkeit der Zahlen sei er überzeugt. Wie Verteidiger Mauss zu seiner Summe kam, nannte Richter Eberhard "rätselhaft". Die rund 1,9 Millionen Euro muss die ehemalige Betreiberin der Diskothek nun zurückzahlen - und zudem verurteilte das Schöffengericht sie zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Den Antrag des Staatsanwalts auf einen Haftbefehl nannte der Richter zwar nachvollziehbar, er lehnte ihn allerdings ab.

    Richter Eberhard hielt der Angeklagten vor, sich bis zuletzt nicht geäußert zu haben. Das vom Verteidiger vorgetragene Geständnis stehe zudem in Widerspruch zu ihrer schriftlichen Aussage vor Prozessbeginn, dass ihr Schwager der eigentliche Chef der Disko gewesen sei. Ein solches Teilgeständnis, so der Richter, das nur ein Fünftel der vorgeworfenen Summe einräume und zum letztmöglichen Zeitpunkt geschehe, sei denkbar wenig wert: "Das ist nicht glaubwürdig und nicht geeignet, um das Gericht von ihrer Reue zu überzeugen. Es ist gerade so viel, um für die Berufung nichts zu vergeben."

    Sollte die Angeklagte tatsächlich Berufung einlegen, dafür hat sie eine Woche Zeit, wird der Fall vor dem Landgericht in Memmingen neu verhandelt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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