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Landkreis Günzburg: Psychologe zu Corona-Selbsttests an Schulen: "Sehe keine extreme Ausgrenzungsgefahr"

Landkreis Günzburg

Psychologe zu Corona-Selbsttests an Schulen: "Sehe keine extreme Ausgrenzungsgefahr"

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    Die Corona-Pandemie ist für viele Familien eine Belastungsprobe. Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich in ihrem Freiheitsverlangen eingeschränkt, Eltern sind durch vielfache Ängste belastet – einige kritisieren etwa die Corona-Testpflicht an Schulen, die gilt, wenn der Inzidenzwert Präsenzunterricht zulässt.
    Die Corona-Pandemie ist für viele Familien eine Belastungsprobe. Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich in ihrem Freiheitsverlangen eingeschränkt, Eltern sind durch vielfache Ängste belastet – einige kritisieren etwa die Corona-Testpflicht an Schulen, die gilt, wenn der Inzidenzwert Präsenzunterricht zulässt. Foto: Bernhard Weizenegger (Symbol)

    Besonders für Familien ist die Corona-Pandemie eine große Herausforderung. Eltern sind plötzlich nicht mehr einfach nur Mama und Papa, sondern auch Erzieher, Lehrer und Spielgefährte für den Nachwuchs zu Hause – und das neben Haushalt und Homeoffice. Diverse Corona-Regeln stellen den sonst so geregelten Tagesablauf auf den Kopf. Auch die Kontaktbeschränkungen sind eine zusätzliche Belastung. Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich in ihrem Freiheitsverlangen eingeschränkt, Eltern sind durch vielfache Ängste belastet. „Gerade in solchen Zeiten ist die Verunsicherung groß, es tun sich auch Ängste auf“, sagt Psychologe Artur Geis von der KJF im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Die Pandemie hat den Alltag vieler Familien radikal verändert. Mama und Papa sind im Homeoffice und kümmern sich um den Haushalt – und helfen den Kindern bei den Schularbeiten. Schon das ist für einige Eltern eine Belastungsprobe. Viele haben das Gefühl, rund um die Uhr im Einsatz zu sein. Pausen und Zeit für sich selbst sind die Ausnahme. Die Familien sitzen oft rund um die Uhr aufeinander – das birgt Konfliktpotenzial. Die fehlenden Außenkontakte erschweren den Familien zusätzlich den Alltag im Lockdown. Dieser Umstand macht viele Menschen ein Stück weit unzufrieden und unausgeglichen.

    Corona-Selbsttest an Schulen: Einige Eltern entwickeln Ängste

    Und die Situation scheint sich aktuell noch weiter zuzuspitzen: Seit einigen Tagen liegt der Inzidenzwert im Landkreis Günzburg über der Marke von 200. Für die meisten Schüler gilt seit dieser Woche deshalb wieder Distanzunterricht. Vergangene Woche sah das noch anders aus. Am ersten Schultag nach den Osterferien hieß es erstmals: Maske vom Gesicht, Kopf in den Nacken und das Stäbchen in die Nase. Unter Aufsicht des Lehrpersonals mussten die Schüler vor dem Präsenzunterricht mit einem Corona-Teststäbchen in der Nase bohren. Knapp zwei Zentimeter weit muss der Tupfer in jedes Nasenloch eingeführt und fünfmal gedreht werden. Für die jüngeren Schüler machte es das per Video aus der Augsburger Puppenkiste zugeschaltete Kasperle im Doktorkittel vor. Zwei Mal in der Woche ist das Selbst-Testen bei Präsenzunterricht nun Pflicht. Einigen Eltern bereitet dieser Umstand, der eigentlich eine Entlastung zu Hause ermöglichen soll, große Sorge. Manche protestieren sogar dagegen, wie zuletzt vor dem Schulamt in Krumbach.

    Artur Geis, der Leiter der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung für den Landkreis Günzburg, nimmt diese Ängste ernst. Einige Eltern haben etwa Angst, dass ihr Kind bei einem positiven Testergebnis im Klassenverbund stigmatisiert wird. „Ich bin aber vorsichtig mit solchen Extremen“, sagt Geis.

    Psychologe: Keine Ausgrenzung wegen eines positiven Corona-Tests

    Es gebe bislang keine Untersuchungen, die die negativen Auswirkungen der Testpflicht an Schulen stützen würden. „Und Corona ist unser aller täglich Brot, auch die Kinder beschäftigen sich intensiv damit“, meint der Psychologe. Viele Menschen hätten im Familien- und Bekanntenkreis schon Infektionsfälle gehabt, manche sogar schon Todesfälle, gibt er zu bedenken. „Das Thema ist mitten in der Gesellschaft. Es ist nicht tabuisiert und so sprachfähig, ich sehe da keine extreme Ausgrenzungsgefahr“, lautet seine Einschätzung.

    Bei Themen wie sexueller Gewalt oder bei psychischen Krankheiten sei die Angst beispielsweise durchaus berechtigt. „Das sind nach wie vor Tabu-Themen in unserer Gesellschaft. Aber ein Fall einer Ausgrenzung wegen eines positiven Corona-Tests ist mir bisher noch nicht begegnet“, berichtet Geis. Dass sich dennoch viele Eltern Gedanken darüber machen und auch Ängste haben, hält er indes für nachvollziehbar. Und derartige Ängste, so der Psychologe, würden in Zeiten großer Verunsicherung eben auch schnell geäußert werden.

    Experte: "Eltern müssen in der Corona-Krise Vorbild für Kinder sein"

    Das sei jedoch nicht zum Vorteil der Kinder: „Wichtig wäre stattdessen: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Für die Kinder gibt es nichts Schlimmeres, als nicht Bescheid zu wissen. Eltern sollten bei Gesprächen mit ihrem Nachwuchs einen fürsorglichen Ton wählen.“ Unaufgeregt, offen und sachlich müsse mit der Situation umgegangen werden. Sonst, weiß der Psychologe, bestehe die Gefahr, dass die Eltern ihre eigenen Ängste und Bedenken in die Gespräche mit dem Kind einbringen und sie übertragen. „Dabei müssten sie das Gegenteil tun: Eltern sollten Vorbild für ihre Kinder sein.“ Das gelte ganz besonders in einer solch unsicheren Situation wie der Corona-Krise.

    Hilfe bietet den Eltern auch die Psychologischen Beratungsstelle für Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung der KJF für den Landkreis. „Wir sind Anlaufstelle für alle Eltern und nehmen jeden Einzelnen mit seinen Sorgen ernst“, sagt Geis.

    Info Die Angebote der KJF Kinder- und Jugendhilfe Günzburg/Neu-Ulm richten sich an Familien, die Fragen oder Probleme rund um das Thema Erziehung haben. Sowohl Eltern als auch Kinder und Jugendliche können sich von Montag bis Freitag von 9 bis 12 Uhr und 13 bis 15 Uhr an die Einrichtung wenden. Konfession oder politische Weltanschauung spielen keine Rolle. Die Leistungen sind kostenfrei. Kontakt in Günzburg unter Telefon 08221/95401 oder per E-Mail an eb.guenzburg@kjf-kjh.de. In Krumbach unter der Telefonnummer 08282/3936 oder per E-Mail an eb.krumbach@kjf-kjh.de.

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