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Krumbach: Lingl-Insolvenz: Was Mitarbeiter befürchten - und welche Chance die Krumbacher Traditionsfirma hat

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Lingl-Insolvenz: Was Mitarbeiter befürchten - und welche Chance die Krumbacher Traditionsfirma hat

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    Bei Lingl in Krumbach sind rund 400 Mitarbeiter beschäftigt.
    Bei Lingl in Krumbach sind rund 400 Mitarbeiter beschäftigt. Foto: Peter Bauer

    Die Angst – sie sitzt tief. Das ist in diesen Tagen immer wieder zu spüren, wenn Mitarbeiter der Firma Lingl über die Zukunft des Krumbacher Traditionsbetriebs sprechen. Das Insolvenzverfahren wurde jetzt offiziell eröffnet. Vieles wird in den kommenden Wochen maßgeblich davon abhängen, ob Insolvenzverwalter, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sowie Gläubiger eine tragfähige Gesprächsbasis finden. Welche Chance der Insolvenzverwalter für Lingl sieht.

    Das Insolvenzverfahren für die Krumbacher Firma Lingl wurde jetzt offiziell eröffnet.
    Das Insolvenzverfahren für die Krumbacher Firma Lingl wurde jetzt offiziell eröffnet. Foto: Peter Bauer

    „Tragfähig“: Das war offensichtlich zumindest der Anfang des Austausches. Dies bestätigen Christian Plail (er betreut für die Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner das Lingl-Verfahren) und Günter Frey, 1. Bevollmächtigter der IG Metall für die Region, gleichermaßen. Landrat Hans Reichhart hatte bereits vor einigen Wochen betont, dass die Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner (Mutterhaus in Neu-Ulm, ein weiterer Sitz in Augsburg, der Krumbacher Plail ist dort der Leiter) dafür bekannt sei, dass sie mit Augenmaß vorgehe.

    In einer ersten Runde einigte man sich darauf, dass es bis zum Jahresende bei Lingl keine Kündigungen und Freistellungen geben werde. Lingl (gegründet 1938) ist unter anderem Ausrüster von Ziegeleien. In Krumbach sind etwa 400 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommen etwa 30 Niederlassungen im In- und Ausland (insgesamt circa 150 Mitarbeiter). Die Insolvenz wurde für den Standort Krumbach beantragt.

    Christian Plail (Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner) betreut bei Lingl das laufende Insolvenzverfahren.
    Christian Plail (Kanzlei Schneider, Geiwitz & Partner) betreut bei Lingl das laufende Insolvenzverfahren. Foto: Stephanie Denzler

    Was wird jetzt kommen, welche Überlegungen stehen für den Standort Krumbach bereits im Raum? In der Belegschaft gibt es große Befürchtungen, dass die Zahl der Arbeitsplätze drastisch reduziert werden könnte. Von einer Halbierung der Arbeits- und Ausbildungsplätze ist wiederholt die Rede, gar von einer Reduktion auf lediglich 160 Arbeitsplätze, von einem Wegfall der Tarifbindung, Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Auch davon, dass Mitarbeiter eventuell Einkommenseinbußen von rund 30 Prozent hinnehmen müssten.

    Nach uns vorliegenden Informationen gibt es in der Betriebsführung offenbar auch Überlegungen, eventuell verschiedene Abteilungen in der Produktion aufzulösen und die Firma stärker auf den Bereich Konstruktion auszurichten. Mit Blick auf Gesellschafter (Frank Appel und Andreas Lingl) und Geschäftsführung (Alexander Kögel) gab es aus den Reihen der Belegschaft wiederholt Kritik. Seit September ist Alexander Kögel neuer Geschäftsführer – der kurz nach seinem Dienstantritt Anfang Oktober die Insolvenz beantragt hat.

    Was der Lingl-Betriebsrat kritisiert

    Der Betriebsrat sprach zuletzt von einem „ständigen Richtungswechsel der Gesellschafter“, beim Insolvenzantrag von Kögel sei der Betriebsrat „außen vorgelassen“ worden. Von Mitarbeitern ist wiederholt zu hören, dass die Mitarbeiter schon in den vergangenen Jahren immer wieder zu finanziellen Zugeständnissen an die Firma (etwa beim Urlaubsgeld) bereit gewesen wären. Nun sei das alles gewissermaßen umsonst gewesen.

    Günter Frey, 1. IG Metall-Bevollmächtigter für die Region, ist im laufenden Lingl-Insolvenzverfahren Gesprächspartner für Insolvenzverwalter, Arbeitgeberseite und Gläubiger.  
    Günter Frey, 1. IG Metall-Bevollmächtigter für die Region, ist im laufenden Lingl-Insolvenzverfahren Gesprächspartner für Insolvenzverwalter, Arbeitgeberseite und Gläubiger.   Foto: Bernhard Weizenegger

    Bekanntlich hatte Lingl über viele Jahre hinweg des Öfteren mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Dies gipfelte in ein sogenanntes Schutzschirmverfahren (2013), 172 Mitarbeiter verloren damals ihre Arbeitsplätze. Wie wird es jetzt bei Lingl weitergehen? Frey und Plail erklären, dass es noch viel zu früh sei, konkrete Zahlen zu nennen. Massive Einkommenseinbußen? Der 1. IG-Metallbevollmächtigte Günter Frey sagt dazu, dass sich die Gewerkschaft mit aller Entschiedenheit gegen massive Einkommenseinbußen einsetzen werde. Wichtig sei, dass es für die Firma ein schlüssiges Gesamtkonzept gebe. Nach dem Insolvenzantrag Anfang Oktober erhielten die Lingl-Mitarbeiter bis Ende November Insolvenzgeld (100 Prozent des regulären Einkommens) von der Bundesagentur für Arbeit. Nun übernimmt dies wieder die Firma selbst. Löhne und Gehälter seien, so Plail, bis auf Weiteres gesichert.

    Welche Rolle das Thema Betriebsrenten spielt

    Bei einem Gesamtkonzept für Lingl wird das Thema Betriebsrenten wohl eine Schlüsselrolle spielen. Wie Plail erläutert, muss Lingl als Sicherheit für die Betriebsrenten einen Betrag von rund 20 Millionen Euro bereitstellen. Dies belaste natürlich massiv die Bilanz der Firma. Im Zuge der Insolvenz würde die Sicherung der Betriebsrenten der Pensionssicherungsverein übernehmen. Der „Pensions-Sicherungs-Verein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSVaG)“ ist, so ist auf dessen Internetseite nachzulesen, „die Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft zum gesetzlichen Schutz der betrieblichen Altersversorgung bei der Insolvenz des Arbeitgebebers.“ Arbeitgeber zahlen dort Beiträge ein. Der Verein übernimmt dann vergleichbar einer Versicherung in Insolvenzfällen die Pensionslasten. Lingl wäre in diesem Bereich dann, so Plail, „lastenfrei“. Doch neben dem Thema Betriebsrenten gebe es noch weitere Gründe, die zur Lingl-Insolvenz geführt hätten. Im Bereich Anlagenbau sinke das Auftragsvolumen. Im Baustoffbereich ist die Entwicklung hin zu Beton für Lingl offenbar ungünstig. Plail spricht auch von einem „Stau“ bei der Neugestaltung der Firmenstruktur von Lingl.

    Lingl wollte sich auf neuen Geschäftsfeldern etablieren

    Lingl hat nach der Krise 2013 versucht, sich auf neuen Geschäftsfeldern zu etablieren. Unter anderem kam der Maschinenbau für die holzverarbeitende Industrie hinzu (Tochtergesellschaft SMB), ferner der Bereich Trockner für Sanitärkeramik und Katalysatortechnik. Im Jahr 2019 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben rund 72 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Das Schutzschirmverfahren, das in die Krise 2013 gipfelte, wurde im Jahr 2019 abgeschlossen. So kam der aktuelle Insolvenzantrag für die IG Metall „aus heiterem Himmel“, wie dies Günter Frey vor einigen Wochen formulierte.

    Die Anfänge der Firma Lingl reichen bis 1938 zurück.
    Die Anfänge der Firma Lingl reichen bis 1938 zurück. Foto: MN-Archiv

    Wie es bei Lingl weitergeht, hängt auch maßgeblich davon ab, ob es gelingt, einen Investor für die Firma zu finden – und damit eventuell auch weitere neue Geschäftsfelder zu erschließen. Plail teilt mit, dass es bereits Interessenten gebe. Konkrete Namen könne man derzeit noch nicht nennen. Er hofft, dass es Anfang 2021 eine wegweisende Weichenstellung gibt. Plail hat jedoch wiederholt auch davon gesprochen, dass es ohne den Abbau von Arbeitsplätzen nicht gehen werde. Wer auch immer davon betroffen ist – welche Perspektive wird ihm bleiben?

    Bekanntlich sind nicht wenige der Lingl-Mitarbeiter über 50 Jahre alt. Und was wird von der Tradition Lingls als Unternehmen, das ganze Familien-Generationen beschäftigt hat, bleiben? All das deutet an, vor welch schwierigen Fragestellungen Lingl steht. Doch Christian Plail sagt immer wieder auch, dass der Ruf der Lingl-Produkte auf dem Markt anhaltend gut sei. Das sei für das Kommende, auch für die Investorensuche, ein wichtiger, positiver Faktor.

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