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Krumbach: Kunstprojekt in Krumbach: Das macht Corona mit der Jugend

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Kunstprojekt in Krumbach: Das macht Corona mit der Jugend

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    Drastische Bilder vom Erleben der Corona-Pandemie haben Studierende der Josef-Bernhart-Fachakademie für Sozialpädagogik gemalt. In dem Kunstprojekt wird sichtbar, wie 18- bis 22-Jährige diese Zeit erleben. Immerhin rechts oben ist ein Regenbogen mit dem Wort Hoffnung abgebildet. Die Person davor ist jedoch schwarz.
    Drastische Bilder vom Erleben der Corona-Pandemie haben Studierende der Josef-Bernhart-Fachakademie für Sozialpädagogik gemalt. In dem Kunstprojekt wird sichtbar, wie 18- bis 22-Jährige diese Zeit erleben. Immerhin rechts oben ist ein Regenbogen mit dem Wort Hoffnung abgebildet. Die Person davor ist jedoch schwarz. Foto: Döring

    Fast in Fleisch und Blut übergegangen ist ihnen nach einem Jahr Corona-Pandemie das Abstandhalten. Begegnungen im privaten Bereich sind selten geworden. „Ich merke, dass meine Schüler leiden und ich wollte ihnen ein Ausdrucksmittel geben, Gelegenheit über ihr Befinden zu reden“, sagt Kunstlehrerin Maria Faist, die an der Joseph-Bernhart-Fachakademie für Sozialpädagogik (FAKS) in Krumbach unterrichtet. Und das Ergebnis eines entsprechenden Kunstprojekts veranschaulicht deutlich, wie sehr die Corona-Pandemie, und die damit verbundenen Auflagen, das Leben der 18- bis 22-jährigen angehenden Erzieherinnen und Erzieher beeinträchtigt. Das liegt auch an der sehr zugespitzten Fragestellung des Projekts, das die international arbeitende Künstlerin Doris Graf, die Krumbacher Wurzeln hat, ins Leben gerufen hat.

    Doris Graf hatte zuletzt in Krumbach auch daran gearbeitet, ein Bild darüber zu schaffen, wie die Krumbacher ihre Stadt sehen. Dazu hat sie Hunderte Krumbacher zeichnen oder malen lassen, was sie an ihrer Stadt lieben oder nicht und deren Zeichnungen zu einer „Stadtgrafik“ verdichtet. Das Ergebnis des Projektes City X Krumbach war im Jahr 2020 im Mittelschwäbischen Heimatmuseum in Krumbach zu sehen.

    In Krumbach entstanden Bilder von Einsamkeit und fehlender Hoffnung

    Ähnlich angelegt ist das jetzige Projekt, das mit „Ich, Quarantäne“ betitelt ist. In einem quadratischen Feld soll dazu gemalt werden, wie man seine Situation zu Hause in Quarantäne beschreiben würde mit den Impulsfragen „Wie erlebst du die Quarantäne? Wie fühlst du dich in Quarantäne?“.

    Herausgekommen sind erschütternde Bilder von Einsamkeit, fehlender Hoffnung, vollem Kopf, negativen Gefühlen, Aussichtslosigkeit, Isolation und ausgesperrter Natur. Maria Faist zeigt die DIN A4-Blätter, auf denen die quadratischen Malfelder etwas mehr als die Hälfte des Papiers einnehmen. Vor einem Fensterrahmen ausgesperrt hat eine 19-Jährige die Weltkugel gemalt. Sie ist grün und blau. Die Welt könne sich vom Menschen erholen, hat die junge Frau zur Erklärung dazugeschrieben.

    Alleine in der Isolation. Eine 22-jährige Schülerin der FAKS Krumbach schreibt dazu: Die Jahre vergehen, nur ich habe nichts davon.
    Alleine in der Isolation. Eine 22-jährige Schülerin der FAKS Krumbach schreibt dazu: Die Jahre vergehen, nur ich habe nichts davon. Foto: Döring

    Ebenfalls kugelförmig ist die Zeichnung einer 20-jährigen Thannhauserin. Mürrische Gesichter auf Abstand sind darin zu sehen mit Blitz-Pfeilen versehen. „Wir tolerieren uns gegenseitig nicht mehr“, man sei in einer Blase, in der jeder gegen jeden kämpfe, hat sie ihre Gedanken dazu geschrieben. Mehrere Schülerinnen thematisieren das Homeschooling. Computerbildschirme sind in ihren Werken zu sehen, dazu Denkblasen in denen es ausschließlich um Leistungsnachweise, Aufgaben, Arbeiten, Prüfungen, Noten und Unterricht geht. Für anderes Leben ist keine Zeit mehr und der „innere Akku“ werde dabei geleert oder der Kopf schwirre, was mit einem Kopf aus Wolken und einer verdeckten Sonne auf einem menschlichen Körper symbolisiert wird.

    In einem anderen „Kopfbild“ sind nur nebulöse schwarz/graue Schwingungen zu Papier gebracht und zur Erklärung hat die 20-jährige Schülerin nur die Worte „Stille - Leere– Einsamkeit“ angemerkt. Einsamkeit drückt auch das Bild einer 22-Jährigen aus, die sich selbst im dunkelblauen Zimmer alleine vor einem warmgelben Fenster der Draußenwelt gemalt hat. „Die Jahre vergehen, nur ich habe nichts davon“, schreibt sie dazu. Einen nur mit einer kleinen Lampe möblierten Raum hat eine 21-jährige Günzburgerin gemalt in Schwarz/Weiß mit einem zusammengekauerten Körper darin. „Einsamkeit: Ein guter Ort zum Besuchen, ein schlechter Ort zum Bleiben“, hat sie ihr Werk betextet.

    Andere nehmen ihren Alltag in den Blick, zum Beispiel bestimmt vom Coronavirus in einem Einmachglas sitzend, den Kopf hängenlassend, sodass die bunte Welt draußen mit Urlaubsreisen, Feiern, Freiheiten, Musik und Liebe gar nicht mehr gesehen werden kann. Oder aber gefangen im „mehr Zeit haben“ in der Quarantäne, die teils nur am Bildschirm verbracht werden kann. Haustierbesitzer träumen vom Ausritt mit dem Pferd oder dem Spaziergang mit dem Hund. Die Wege in Quarantäne enden bei vielen am Bildschirm. Durchkreuzt sind Treffen mit Freunden und Feiern. Ebenso wird die Ausgangssperre thematisiert sowie Tage, die sich immer gleichen zwischen Schule am Bildschirm, Netflix schauen auf dem Sofa und dem wieder ins Bett gehen. „Mit jedem Tag Isolation schwindet die Motivation“, schreibt eine 18-Jährige und malt sich in einem zwar bunten Zimmer auf dem Bürostuhl vor dem Computer mit leerem, hoffnungslosen Blick. Benutztes Geschirr steht unabgewaschen dahinter.

    Kunst in Corona-Zeiten: Bilder aus Krumbach sollen Politiker wachrütteln

    Pädagogin Annette Richter aus Krumbach, die ebenfalls an der FAKS unterrichtet, sieht in den Bildern die Mutlosigkeit und Hoffnungslosigkeit einer Generation ausgedrückt. Noch nie habe man eine so angepasste Generation gehabt, die alles richtig machen will, „die brav ist“, damit die Individuen ihren Platz in der Welt finden. Doch die Aussicht darauf erscheine ihnen fraglich, das zeigten die Bilder. Richter hofft, dass diese Bilder Politiker wachrütteln, die Generation der Studierenden oder gerade ins Berufsleben starten Wollenden in den Blick zu nehmen und ihnen Perspektiven anzubieten.

    Die international arbeitende Künstlerin Doris Graf, die Wurzeln in der Region hat und in Stuttgart lebt, erzählt im Gespräch mit unserer Zeitung, dass sie im vergangenen Jahr „als die Pandemie uns alle überrumpelt hat“, die Idee zu dem Projekt hatte. Keiner habe gewusst, was auf die Menschheit zukomme, wie es weitergehe und eigene Projekte von ihr wurden abgesagt. Da habe sie die Idee gehabt, dies als Zeitzeugnis zu probieren, das Gefühl der Zeit wie bei dem Projekt City X Krumbach zu sammeln und später in Piktografiken zu übersetzen. Mit ihren Aktionen („City X“), bei denen Menschen buchstäblich aller Generationen ein Bild ihrer Stadt zeichnen, ist Künstlerin Doris Graf seit über zehn Jahren weltweit unterwegs. Sie war in Havanna, in Rio, in Sao Paulo. Flugs hatte sie einen Text zum Quarantäne-Projekt geschrieben und an ihren E-Mail-Verteiler gesandt. Inzwischen habe sie über 200 Bilder aus aller Welt und allen Altersschichten zurückerhalten.

    Sie betont, dass die Reflexionsprozesse der Menschen daheim in der Pandemie nicht nur die Quarantäne umfassten, wenn die Menschen krank seien. Sondern sie beinhalteten alles: Lebenseinschränkungen, aber auch Positives, was in dieser Zeit passieren könne. „Irgendwann mache ich dann auch die piktografischen Bilder dazu“, sagt Doris Graf, hat dafür aber noch keinen konkreten Zeitpunkt geplant. Sie glaubt, dass das vor allem auch erst nach der Pandemie interessant sein wird, wenn man rückblickend schaue „Was ist damals passiert?, Was hat die Menschen damals bewegt?“. Wer möchte, kann ebenfalls seine Gedanken malerisch oder zeichnerisch zu Papier bringen. Das Formular dazu gibt es auf der Webseite der 52-jährigen Künstlerin zum Herunterladen.

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