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Kriminalität: Wie Polizei und Justiz in der Region den Hass im Netz bekämpfen

Kriminalität

Wie Polizei und Justiz in der Region den Hass im Netz bekämpfen

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    Die Zahl der Hassverbrechen hat auch in Deutschland zugenommen. Immer wieder haben auch Aktivisten auf die Problematik aufmerksam gemacht. Mittlerweile haben Politik und Behörden reagiert. Auch in der Region wird Hatespeech nun härter verfolgt.
    Die Zahl der Hassverbrechen hat auch in Deutschland zugenommen. Immer wieder haben auch Aktivisten auf die Problematik aufmerksam gemacht. Mittlerweile haben Politik und Behörden reagiert. Auch in der Region wird Hatespeech nun härter verfolgt.

    Sie beleidigen und beschimpfen, verbreiten Lügen und Verschwörungsmythen, betreiben Hetze gegen Juden, Muslime und andere Gruppen. Manchmal in vermeintlicher Anonymität, manchmal ganz offen mit vollem Namen. Das Internet ist seit jeher auch ein Ort, an dem Menschen ihren Hass verbreiten. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Internetnutzer Opfer der sogenannten Hatespeech (auf Deutsch: Hassrede) geworden. Deshalb haben Polizei und Justiz dem Hass im Netz den Kampf angesagt – auch in der Region.

    Denn vor allem auf politisch motivierte Hetze stehen teils empfindliche Strafen. 137 Fälle von sogenannter Hasskriminalität hat das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West im vergangenen Jahr registriert. Unter seinen Zuständigkeitsbereich fallen auch die Landkreise Günzburg, Neu-Ulm und Unterallgäu. In 120 Fällen nennt die Polizei rechte Ideologien als Motivation, in lediglich vier Fällen ausländische Ideologien wie Islamismus. In 13 Fällen war die Motivation nicht zuzuordnen.

    Bayern schafft Sonderdezernate im Kampf gegen Hatespeech

    Politisch motiviert ist Hatespeech dann, wenn sich der Hass gegen eine bestimmte Gruppe oder gegen Einzelne aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu dieser Gruppe richtet. Wer sich entsprechend äußert, bewegt sich schnell im Bereich der Volksverhetzung, auf die, je nach Schwere der Tat, bis zu fünf Jahre Haft stehen. Für die Ermittler ist die Einordnung aber nicht immer leicht. Wo hört Beleidigung auf, wo beginnt die Volksverhetzung? Und was ist noch vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt? Vor diesen Fragen steht regelmäßig Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm. Seit einem halben Jahr ist er bei der Staatsanwaltschaft Memmingen Sonderdezernent für den Bereich Hatespeech.

    Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm
    Oberstaatsanwalt Thorsten Thamm Foto: Staatsanwaltschaft Memmingen

    Diese Stellen gibt es bei allen bayerischen Staatsanwaltschaften. So sollen Kompetenzen gebündelt, Wissen gesammelt und Kontakte geknüpft werden, um den Hass im Netz entschiedener zu bekämpfen. „Wir wollen damit auch klarmachen, dass man sich als Täter im Netz nicht sicher fühlen sollte“, erklärt Thamm. „Viele schreiben dort Sachen, die sie jemandem persönlich nie sagen würden. Denen muss aber klar sein, dass solche Taten auch verfolgt werden. Und in den allermeisten Fällen kommen sie auch vor Gericht.“

    Polizei zu Hatespeech: "Viele Täter haben kein Unrechtsbewusstsein"

    Aber was sind das für Menschen, die auf diese Weise ihren Hass ins Netz ergießen? Und warum tun sie das? Diese Frage kann Jürgen Faust beantworten. Er ist Kriminalhauptkommissar bei der Kripo Neu-Ulm, seit 2015 kümmert er sich bei der Abteilung Staatsschutz um Hasskriminalität, zuvor war er bei der Abteilung Cybercrime. Einen bestimmten Tätertypus gebe es nicht, sagt er. Eines hätten aber die meisten gemeinsam: „Viele haben kein Unrechtsbewusstsein. Das Internet verführt dazu, schnell in vermeintlicher Anonymität die eigene Meinung kundzutun. Und als Beschuldigte wollen sie es dann nicht so gemeint haben.“

    Viele Täter würden dann aus allen Wolken fallen, wenn die Polizei um sechs Uhr morgens mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür stehe und das Handy mitnehme. Meist bekämen die Beamten dann Ausreden zu hören, sagt Faust. Das Bewusstsein, etwas Falsches oder gar Strafbares getan zu haben, sei bei vielen nicht vorhanden. Hier fehle es an gesellschaftlicher Aufklärung im Umgang mit sozialen Medien, findet der erfahrene Ermittler. „Das Problem hat sich zuletzt immer weiter verschärft, weil die Gesellschaft von den Möglichkeiten, die das Internet bietet, überrollt wurde. Was man dort anrichten kann, ist vielen völlig fremd. Und das zieht sich durch alle Kreise.“ Die meisten Täter, gerade im politischen Bereich, seien entsprechend keine überzeugten Extremisten, sondern unbedarfte Bürger. Strafbar machen sie sich dennoch.

    Hatespeech: Wo die Ermittler an ihre Grenzen kommen

    Ein vor wenigen Wochen in Kraft getretenes Gesetzespaket enthält einige Erweiterungen und Verschärfungen des Strafgesetzbuchs für den Bereich Hatespeech. Unter anderem können nun für Bedrohung und Beleidigung längere Freiheitsstrafen verhängt werden. Die Betreiber sozialer Netzwerke werden außerdem dazu verpflichtet, Hasspostings zu melden.

    Die Zusammenarbeit mit Facebook und Co. ist trotzdem nicht immer einfach, weiß Kriminalpolizist Jürgen Faust. „In Whatsapp ist es relativ leicht, jemanden anhand der Handynummer zu identifizieren. In anderen Netzwerken wird es dann schon schwieriger, vor allem, wenn jemand nicht seinen Klarnamen verwendet.“ Bei Facebook etwa könne die Polizei beim Europasitz im irischen Dublin anfragen. Eine Antwort gebe es aber nicht immer. Andere Dienste wie das bei Querdenkern beliebte Telegram werben offensiv mit dem Schutz der Identität der Nutzer. Auch Täter im Ausland sind für die hiesigen Behörden oft nicht greifbar. Hier ist man auf die Hilfe der dortigen Behörden angewiesen. Und das klappt nicht in allen Ländern gleich gut, weiß Jürgen Faust aus Erfahrung.

    Diese Strafen stehen auf Hasskriminalität

    Beleidigung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

    Bedrohung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (zwei bzw. drei Jahre, wenn die Drohung öffentlich, etwa im Internet, ausgesprochen wird)

    Volksverhetzung Geldstrafe von mindestens 90 Tagessätzen (dann gilt man als vorbestraft) oder Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren

    Üble Nachrede Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr (zwei Jahre, wenn in der Öffentlichkeit geäußert)

    Verleumdung Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren

    Belohnung und Billigung von Straftaten Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

    Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

    Dennoch solle jeder Bürger, der Opfer von Hatespeech wird, sich nicht scheuen, bei der örtlichen Polizei Anzeige zu erstatten, empfiehlt er – am besten persönlich und mit dem entsprechenden Gerät. Die Polizei könne auch dabei helfen, eine Löschung entsprechender Postings zu veranlassen. Dennoch bleibt der Kampf gegen den Hass im Netz ein langwieriger und mühsamer.

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