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Kreis Günzburg: Wo auf 60 Einwohner 600 Schafe treffen

Kreis Günzburg

Wo auf 60 Einwohner 600 Schafe treffen

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    Trafen sich zu einem speziellen Stammtisch im Stockerhof: Ein Dutzend Naichener und Bürgermeister Rainer Schlögl (Fünfter von rechts).
    Trafen sich zu einem speziellen Stammtisch im Stockerhof: Ein Dutzend Naichener und Bürgermeister Rainer Schlögl (Fünfter von rechts). Foto: Hans Bosch

    Der „Dom“ bildet die Mitte des an der Staatsstraße 2024 nördlich von Langenhaslach gelegenen Weilers Naichen, der von Süd nach Nord gut einen Kilometer beansprucht, von West nach Ost aber nur zwei Hausbreiten. In der schlichten neugotischen Kapelle mit ihrem kleinen Glockentürmchen findet zwar nur einmal im Mai jeden Jahres ein Gottesdienst statt, doch die

    Das Leben der 60 Einwohner beruht jedoch nicht auf der geschichtlichen Bedeutung des Weilers, es konzentriert sich vielmehr auf die Gegenwart mit einem Grundsatz: „Wir halten zusammen und sind doch zufriedene Langenhaslacher und damit auch gute Neuburger.“ Wie sich das zeigt? Marktrat Otto Bader vertritt im Rathaus nicht nur die Interessen der Naichener. Er fühlt sich als 2. Bürgermeister für die ganze Großgemeinde mit ihren Ortsteilen Edelstetten, Langenhaslach und Wattenweiler verantwortlich, was Rathauschef Rainer Schlögl mit Genugtuung registriert. Ein weiterer Grund ist die gesunde Mischung von Landwirtschaft, Kleingewerbe und Wohnsitz mit naher Anbindung an Neuburg, wo sich Schule, Arzt, Apotheke und der gut sortierte Dorfladen befinden.

    Der einzige noch verbliebene landwirtschaftliche Vollerwerbsbetrieb gehört Otto Bader, der zusammen mit seiner Frau Franziska neben einer großen Rinderherde rund 100 Mutterschafe und deren Nachwuchs betreut. Direkt gegenüber befinden sich die Stallungen und Weiden von Schäfermeister Stefan Fischer, der etwa 450 Mutterschafe besitzt. Wird bedacht, dass jedes von ihnen im Durchschnitt eineinhalb Lämmer (es gibt oft Zwillinge) zur Welt bringt, so kann durchaus im Jahr eine vierstellige Zahl junger „Schäfchen“ allein in den beiden Naichener Betrieben zur Welt kommen. Die zur Nachzucht nicht benötigten Lämmer werden von Otto Bader an einen genossenschaftlichen Ring verkauft.

    Spezialisten für Fällungen und Rückearbeiten

    Die lokale Konkurrenz ist bei den beiden forstwirtschaftlichen Rückeunternehmen Ludwig und Josef Laubheimer sowie Thomas und Hermann Mayer ohne jegliche Bedeutung. Sie arbeiten mit ihren Prozessoren und schwerem Gerät unabhängig voneinander in den Privat-, Körperschafts- und Staatswäldern und gelten als Spezialisten für Fällungen und Rückearbeiten. Als Kleinunternehmer betätigt sich Armin Stocker im Bereich Sicherheitstechnik und richtet mit seinen vier Mitarbeitern Alarmanlagen in Privat-, Gewerbe- und Industriebauten ein. Nicht zu vergessen sind das Baumhotel Auszeit im nahen Behlingen, das die in Naichen wohnhaften Katja und Christian Schnatterer mit Erfolg betreiben und Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet anlocken. Zu erwähnen sind außerdem das Gabelstapler-Verkaufs- und Servicebüro von Christoph Fischer, während die 19-jährige Natalie Zahn ihre Imkerei nicht als Gewerbe, aber doch als Produktionsstätte für wertvollen Honig ansieht.

    Eigene Vereine besitzt Naichen nicht, doch sind viele Bewohner in den Nachbarorganisationen in Langenhaslach und Neuburg aktiv. So ist Franz Fischer von Anfang an Vorsitzender der 2005 gegründeten Dorfladen-Genossenschaft mit derzeit 170 Mitgliedern. Sie ist für ihn ein echtes Sorgenkind, denn die Bewohner kaufen aus seiner Sicht noch zu wenig ein. „Wir hatten anfangs einen jährlichen Umsatz von 700000 Euro. Heute sind es nur noch 560000 Euro“, ist seine einfache Rechnung. Ein Fortbestehen werde, sollte die Entwicklung so anhalten, schwierig. Da das Sortiment ständig dem Bedarf angepasst, teilweise erweitert und verbessert werde, liegt es für Fischer an den Neuburgern selbst, ob die Zukunft ihres Supermarkts weiter gesichert ist. Die Naichener wollen ihren Teil dazu beitragen, war aus den Aussagen ihrer Bürger herauszuhören. „Wir müssen doch ohnehin mit dem Auto einkaufen und da liegt uns Neuburg viel näher“, lassen die Hausfrauen an diesem Abend erkennen.

    Bürgermeister sieht erheblichen Gesprächsbedarf mit den Anliegern

    „Dankbar sind wir alle der Marktgemeinde für den Bau des Radwegs entlang der Staatsstraße zwischen Langenhaslach und Naichen“, bringt Waltraud Rogg zum Ausdruck und findet viel Zustimmung. Und doch haben sie an Bürgermeister Schlögl noch einen großen Wunsch. Diese Radlertrasse sollte baldmöglichst bis nach Ried ihre Fortsetzung finden. Allerdings hat dies einen Haken: In Naichen fehlt großteils noch immer ein Gehweg und somit auch der Platz für den Radweg neben der Straße. Der Rathauschef sieht deshalb erheblichen Gesprächsbedarf mit den Anliegern und will sich zeitlich auf keinen Baubeginn festlegen.

    Als Schulweg ist er nicht erforderlich. Drei kleine Naichener werden von ihren Eltern in den Kindergarten gefahren, lediglich ein Mädchen besucht die Grundschule Neuburg und ein Bub gelangt mit dem Bus ins Krumbacher Gymnasium.

    Ein zweites Sorgenkind kommt hinzu: Es ist die steigende Verkehrsbelastung auf der Hauptstraße und das „Durchrasen“ vieler Autos. Die ausgeschilderte Begrenzung auf 70 Stundenkilometer werde von vielen ignoriert. Schlögl versprach, schon in nächster Zeit öfter das gemeindliche Smiley-Messgerät aufzustellen, um doch zumindest einige Autofahrer zur Vernunft zu bringen.

    1839 beginnt die Geschichte der Hammerschmiede

    Noch ein Wort zum Aushängeschild Hammerschmiede-Museum, das dem Weiler zumindest im heimatgeschichtlichen Bereich eine Sonderstellung gibt. Sein Ursprung reicht bis in das Jahr 1839 zurück, als an der Kammel Michael Kleiner eine Hammerschmiede samt Wohn- und Ökonomiegebäude baute. In diesem befanden sich seine Wohnräume, Stall und Stadel der kleinen Landwirtschaft und ein Verkaufsraum für Schmiedewaren.

    Als die benachbarte Schmiede 1922 abbrannte, wurde diese neu aufgebaut und technisch modernisiert. Serafin Stocker benutzte nach den bisherigen Wasserrädern eine Turbine, die über eine Transmissionsanlage zwölf Maschinen und einen Krafthammer antrieb. Hergestellt wurden bis 1982 landwirtschaftliche Geräte, die von der Schaufel über Äxte bis zu Gabeln und Pflanzhauen reichten. Im Obergeschoss befindet sich noch heute die originale Ausstattung der Wohnräume aus der Zeit zu Beginn des 19. Jahrhunderts.

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