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Kreis Günzburg: Furcht vor der Afrikanischen Schweinepest

Kreis Günzburg

Furcht vor der Afrikanischen Schweinepest

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    Deutschland und damit auch der Landkreis Günzburg ist bislang von der Afrikanischen Schweinepest verschont geblieben.
    Deutschland und damit auch der Landkreis Günzburg ist bislang von der Afrikanischen Schweinepest verschont geblieben. Foto: Patrick Pleul, dpa

    „Männer sind Schweine“, singt die Berliner Band Die Ärzte. „Stimmt gar nicht“, konstatierte eine Expertin des Friedrich-Loeffler-Instituts, das sich bundesweit der Gesundheit lebensmittelliefernder Tiere widmet und Tierseuchen bekämpft. Denn das Afrikanische Schweinepestvirus könne den Männern – im Gegensatz zu Schweinen – nichts anhaben.

    So ein Witz ist „unter Veterinären schon mal möglich“, findet Dr. Franz Schmid. Gehört hat er ihn 2016 bei einem Fachkongress in Bad Staffelstein. Bereits damals befassten sich die Insider mit der Afrikanischen Schweinepest, die vor gut zehn Jahren ihren Seuchenzug von Georgien aus angetreten hat. Kontaminierte Speisereste, die per Schiff ins Land gelangt sind und an Schweine verfüttert wurden, standen am Anfang der Krankheit, die inzwischen 300 Kilometer Luftlinie vom Landkreis Günzburg in Tschechien angelangt ist.

    Ernste Bedrohungsszenarien

    Nach einer witzigen oder flapsigen Bemerkung war dem Leiter des für den Landkreis zuständigen Amtes für Veterinärwesen und Verbraucherschutz am Mittwochabend nicht zumute. Zu ernst sind die Bedrohungsszenarien. Dabei ist es für die meisten Fachleute keine Frage mehr, ob die Afrikanische Schweinepest Deutschland erreicht. Vielmehr geht es um den Zeitpunkt. Entsprechend will der Landkreis vorbereitet sein und informierte jetzt in Krumbach und vor Wochenfrist in Autenried eingeladene Jäger und Landwirte über die Seuche, deren Folgen und was jeder zur Vorbeugung beitragen kann. Das Interesse war an den übervollen Sälen der Gasthäuser auf einen Blick erkennbar. Für jeweils 100 Zuhörer war bestuhlt worden. Zwischen 140 und 150 Interessierte kamen tatsächlich.

    Obwohl das aggressive Virus dem Menschen nichts anhaben kann, sei der Marktpreis für Schweinefleisch in den vergangenen zwei Wochen um zehn Cent pro Kilogramm gefallen. Eine Diskussion darüber reicht offenbar, um den sensiblen Verbraucher zum Schweinefleisch-Meider werden zu lassen.

    165 schweinehaltende Betriebe gibt es im Landkreis Günzburg, vornehmlich im Norden. Dort sind zurzeit insgesamt 36800 Schweine registriert. Das Virus der Afrikanischen Schweinepest ist ausgesprochen aggressiv. In Rumänien wurden in einem aktuellen Fall am 19. Dezember erste Symptome (Fieber, keine Fresslust) beobachtet – und vor Weihnachten war das Wirtstier bereits tot noch ehe weitere Krankheitszeichen wie Bindehautentzündung, Bewegungsstörungen, erhöhte Atemfrequenz oder Blutungen in der Haut zu erkennen gewesen wären. Der Erreger überlebt selbst in einem toten Wirt noch mehrere Monate und ist infektiös. In einem mit Blut kontaminierten Boden beträgt die Überlebenszeit gut 200 Tage, in Fleischerzeugnissen sind es bis 400 Tage. Einen wirksamen Impfstoff gibt es nicht.

    Schmid: Viele sollen sich zuständig fühlen

    Deshalb war es Schmid wichtig zu betonen, dass eine Vorbeugung nur dann wirksam sein kann, wenn sich möglichst viele der Problematik bewusst sind und sich nicht gleich reflexartig für „nicht zuständig“ erklären. Der Spaziergänger, der im Wald den Kadaver eines toten Wildschweins sieht, sollte das am besten bei der Gemeinde melden. Wer nicht so gute Ortskenntnisse hat, kann den genauen Standort mit Hilfe einer Smartphone-App angeben (Hinweise im Internet unter www.tierfund-kataster.de/tfk, Reiter „Fund erfassen“). Das tote Tier muss schnell aus dem Wald geschafft werden. Sollte es vom Virus befallen sein, ist es eine Ansteckungsquelle erster Güte. Außerdem sollten Lebensmittel nicht für Wildschweine zugänglich sein.

    Dass dieser Hinweis durchaus seine Berechtigung hat, bestätigte Manfred Borchers, der Kreisvorsitzende des Jagdschutz- und Jägervereins Günzburg. Er berichtete am Mittwochabend von einem Stau auf einer Autobahn nahe Berlin und wie die Menschen ihre Wartezeit unter anderem damit überbrückten, an der Fahrbahn stehende Wildschweine zu füttern. „Leute, denen das Spaß bereitet, befördern so künstlich die Übertragung und Verbreitung der Seuche“, mahnt Veterinär Schmid.

    Hygienemaßnahmen sollten Jäger und Landwirte beachten. Die häufigsten „Problemstellen“ auf dem Hof sind dabei die Verladerampe, das Kadaverlager, das Futter- und Einstreulager, die Schutzkleidung, die Einfriedung sowie betriebseigene Kontrollen. Das alles, so Franz Schmid, dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ist die Afrikanische Schweinepest erst einmal in den Landkreis gelangt, müssen drastische Maßnahmen ergriffen werden. Zwei Fallbeispiele zeigte der Leiter des Veterinäramts am Günzburger Landratsamt den Besuchern. Im ersten Szenario (siehe auch Grafik), das derzeit glücklicherweise keine Realität ist, wird ein durch die Afrikanische Schweinepest getötetes Wildschwein nahe Hammerstetten (Gemeinde Kammeltal) angenommen. Drei Zonen werden daraufhin eingerichtet: Die Kernzone mit einem Radius von drei Kilometern; der gefährdete Bezirk (Radius: 15 Kilometer), in dem Jagdverbot herrscht; und die Pufferzone (Radius: weitere 15 Kilometer), in der die Wildschwein-Population intensiv bejagt werden soll. Eine Dezimierung von 80 bis 90 Prozent der Tiere ist das Ziel.

    Als die Jäger zu lachen beginnen

    Als die anwesenden Jäger dies hörten, quittierten sie es mit Lachen. Denn die Praxis sieht ganz anders aus: Schon jetzt muss er im Schnitt ungefähr 35 Stunden im Wald verbringen, bevor er ein Wildschwein überhaupt zu Gesicht bekommt, sagt Fritz Faist. Der 62-Jährige teilt sich mit zwei Mitjägern das Revier Hagenried (bei Münsterhausen). Von Schießen sei da noch gar nicht die Rede.

    Im „gefährdeten Bezirk“ dürfen Schweine weder in einen noch aus einem Betrieb verbracht werden. Eine Ausnahme gibt es nur in jener 15-Kilometer-Zone, wenn der Betrieb 24 Stunden vor dem Versand klinisch untersucht worden ist. Aber durch wen? Tierärztliches Fachpersonal ist im Landratsamt auf zwei Vollzeitstellen, eine Dreiviertelstelle und zwei Halbtagsstellen verteilt. Genehmigt werden müsste der Transport unmittelbar zur Schlachtung in einer Schlachtstätte innerhalb des gefährdeten Bezirks. Doch von größeren Schlachthöfen wären die Schweinebauern in der Zone faktisch abgeschnitten. Rund 25000 Tiere sind in dem Beispiel betroffen.

    Das und weitere Maßnahmen sollen verhindern, dass der Erreger von der Wildsau auf das Hausschwein übertragen wird. Geschieht es doch, ist ein Sperrbezirk im Radius von drei Kilometern um den Ausbruchsbetrieb vorgesehen und ein Beobachtungsgebiet, das zehn Kilometer rund um den betroffenen Hof reicht. Alle Schweine in einem solchen Betrieb müssen getötet werden. Sowohl im Sperrbezirk wie auch in der Beobachtungszone sind weder Hausschlachtungen erlaubt noch ist es ein Transport der Schweine.

    Die Afrikanische Schweinepest könnte so nicht nur infizierten Tieren innerhalb kurzer Zeit den Garaus bereiten. Durch erhebliche Handelsbeschränkungen im Seuchenfall und dem Zusammenbrechen des Schweinefleisch-Marktes wäre es dann durchaus möglich, dass Schweinehalter vor dem wirtschaftlichen Ruin stehen.

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