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Kreis Günzburg: Einbrecher sticht auf Mann ein: „Wahnsinnstat“ kein versuchter Mord

Kreis Günzburg

Einbrecher sticht auf Mann ein: „Wahnsinnstat“ kein versuchter Mord

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    Ein Einbrecher hat beinahe einen Mann in Kötz getötet. Nun wurde er verurteilt.
    Ein Einbrecher hat beinahe einen Mann in Kötz getötet. Nun wurde er verurteilt. Foto: Innovated Captures/Fotolia (Symbolbild)

    Nicht wie angeklagt unter anderem wegen versuchten Mordes, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls mit Waffen und Wohnungseinbruchsdiebstahls muss ein Mann ins Gefängnis. Vier Jahre und neun Monate ist die (Jugend-) Strafe unter anderem dafür, dass er bei der Tat in Kötz im Dezember 2015 einen Hausbewohner niederstach, der das nur durch großes Glück überlebte. Das Opfer, Fridolin Waschhauser, akzeptiert dieses Urteil. Wie die weiteren Prozessbeteiligten verzichtet der 58-Jährige auf Rechtsmittel. Hauptsache, der Albtraum hat endlich ein Ende. Soweit das denn möglich ist, denn wie die Anwältin des Nebenklägers sagt, wird ihr Mandant womöglich noch stationär behandelt werden müssen, um das Geschehene weiterhin irgendwie verarbeiten zu können.

    Er hatte dem Einbrecher, der ihn in seinem eigenen Haus in der Nacht auf den 16. Dezember 2015 bei einem Gerangel beinahe getötet hätte, bereits zu Beginn des dritten und letzten Verhandlungstags am Landgericht Memmingen vergeben. Er habe seine Worte mit keinem abgesprochen, aber er nehme die Entschuldigung des heute 21-Jährigen an, die dieser zuvor schriftlich formuliert und auch während des Prozesses wiederholt geäußert hatte.

    Er hatte den Mann aus einem Nachbarort kennengelernt, als der noch ein Kind war. Das Schicksal habe sie noch einmal zusammengeführt. „Ich vergebe dir, ich verzeihe dir“, sagt er am letzten Prozesstag. Aber er solle die Schuld nicht bei anderen suchen. Er sei ein kluger Kerl und habe nun eine neue Chance erhalten, sein Leben auf die Reihe zu bekommen. „Gott hat offenbar gewollt“, dass er diese Nacht überlebt und der Angeklagte nicht ewig weggesperrt wird. Aber der junge Mann müsse nun die Chance nutzen, sein Leben endlich in den Griff zu bekommen. Zu Herzen nehmen werde er sich Waschhausers Worte, versichert der Verurteilte, der alles am liebsten wieder rückgängig machen würde.

    „Er hat Muskeln aus Stahl, im Innern ist er aber butterweich“

    Sein Verteidiger Wolfgang Fischer erkennt bei seinem Mandanten zwar eine gefährliche Körperverletzung, aber keine Tötungsabsicht. Dem folgt das Gericht. Außerdem habe er nur einen Diebstahl mit Waffen begangen. Er habe „Muskeln aus Stahl, im Innern ist er aber butterweich“, sagt der Verteidiger. Er sei ein „kleiner Junge“, der stets nach Anerkennung gesucht habe – und nun nur noch „ein Häufchen Elend“. Mehr als vier Jahre Jugendstrafe seien unangebracht. Er sei zu jung, um „ewig weggesteckt zu werden“.

    Staatsanwältin Susanne Fritzsche sieht zwar einen Tötungsvorsatz, weil er bewusst zugestochen habe, aber er habe dann nicht ausgenutzt, dass sein Opfer vor ihm auf dem Boden lag. Ein zweiter Stich sei ihm nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Deshalb müsse er nicht wie in der Anklage wegen versuchten Mordes, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt werden; außerdem wegen schweren räuberischen Diebstahls und des Einbruchs. Da er sich jedoch auch in der Untersuchungshaft nicht im Griff habe – „so einen negativen Bericht einer JVA habe ich noch nicht gehört“ –, gebe es einen langen „Nachreifungsprozess“, weshalb eine Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten angemessen sei.

    Alle Beteiligten verzichten auf Rechtsmittel

    Für seine heutige Ex-Freundin, die er als Komplizin beschuldigt hatte, gebe es eine günstige Prognose trotz der „hohen kriminellen Energie“ bei der Beihilfe zum Einbruchsdiebstahl, weshalb eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung und 100 Arbeitsstunden genügten. Der Anwalt der Frau, Ender Karakas, sieht bei seiner Mandantin aber keine Beteiligung am Einbruch, weshalb nur ein Freispruch infrage komme. Sie selbst sagt, ihr tue leid, was Fridolin Waschhauser und seine Familie erleiden mussten. Verurteilt wird sie wegen dem, was ihr vorgeworfen wurde, aber nur zu einer Geldstrafe von insgesamt 800 Euro. Dass die damalige Freundin des Mannes vom geplanten Einbruch gewusst hat, steht für das Gericht außer Frage. Aber ihr sei nicht nachzuweisen, dass sie mehr getan hat, als am Auto zu warten. Deshalb wird sie zwar wegen der Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl verurteilt, aber nur zu 80 Tagessätzen á zehn Euro.

    Marion Zech, Anwältin des Opfers und Nebenklägers, fordert keine konkrete Strafe. Aber anders als die Staatsanwältin geht sie von versuchtem Mord durch den Angeklagten aus. Es sei zwar positiv, dass er Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro zahlen wolle, doch ein Ende der psychischen Belastung für ihren Mandanten sei derzeit unabsehbar. Alle Beteiligten verzichten auf Rechtsmittel.

    Ein großes Lob vom Richter für die Polizei

    Der Vorsitzende Richter Jürgen Hasler lobt die Arbeit der Polizei als schnell und vorbildlich, da man erst durch ihre akribischen Ermittlungen dem Täter auf die Spur gekommen sei. Die Beamten hatten herausgefunden, dass ein Schraubenzieher, den der 21-Jährige auf der Flucht verloren hatte, hauptsächlich in V-Baumärkten verkauft wird. Die Überprüfung bei der Filiale in Günzburg ergab, dass eben dieses Modell dort ein Ladenhüter ist, zuletzt sei aber ein Exemplar verkauft worden. Weil sie die entsprechenden Videoaufnahmen sichteten, bemerkten die Beamten, dass der Käufer nach dem Bezahlen noch einmal in den Markt kam – und vorbestellte Ware mitnahm. Die war bereits für ihn bezahlt worden – vom nun Verlobten seiner Mutter. Über dessen Namen kamen sie dem Verdächtigen auf die Spur. Die Befragung seines Umfelds und weitere Ermittlungen erhärteten den Verdacht. Im März 2016 konnte er schließlich in Düsseldorf festgenommen werden.

    Dass Fridolin Waschhauser den Täter in seinem Haus attackiert hat, bezeichnet der Richter als „sehr mutig“. Denn er habe seine Familie verteidigen wollen und habe das Recht, dies auf seinem Grundstück auch mit körperlicher Gewalt zu tun. Dass bei dem entstehenden Gerangel mit dem Täter dieser zwar mit einem Dolch zustach, aber die Leber nicht richtig traf, sei großes Glück für beide gewesen. Für Waschhauser, weil er diese „Wahnsinnstat“ überlebte – bei einem richtigen Treffer hätte er innerhalb von zehn Minuten verbluten können, – und für den 21-Jährigen, weil er „sonst den Tod eines Menschen auf dem Gewissen hätte“. Zwar sei von einem bewusst gesetzten Stich auszugehen, aber er habe die Gelegenheit nicht genutzt, weiter auf sein letztlich am Boden liegendes Opfer einzustechen.

    Waschhauser hadert mit der Frage, warum der Mann ausgerechnet in sein Haus einstieg – dabei war er dort als Kind zu Gast gewesen. Aber das Gericht geht nicht davon aus, dass sich der 21-Jährige daran noch erinnerte. Vielmehr sei die Familie zum Zufallsopfer geworden. Der Vorsitzende Hasler, die beisitzenden Richter und die Schöffen hoffen, dass der Mann nun etwas aus seinem Leben macht. Denn das Potenzial dazu habe er. Wenn er das in der Haft nutzt, eine Ausbildung macht und sich gut verhält, könnte er sogar vorzeitig entlassen werden. Aber das liege allein an ihm.

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