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Interview: Warum Ostern Hoffnung verspricht

Interview

Warum Ostern Hoffnung verspricht

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    Patrick Lindermüller aus Nattenhausen studiert Theologie und Philosophie. Letzten Sommer ging der 22-Jährige für sein Studium ein Jahr nach Israel und Palästina.
    Patrick Lindermüller aus Nattenhausen studiert Theologie und Philosophie. Letzten Sommer ging der 22-Jährige für sein Studium ein Jahr nach Israel und Palästina. Foto: Sammlung Lindermüller

    Patrick Lindermüller aus Nattenhausen studiert Theologie und Philosophie. Letzten Sommer ging der 22-Jährige für sein Studium ein Jahr nach Israel und Palästina. Dort studiert er auf dem Zionsberg in einem gemeinsamen Studienhaus mit Kommilitonen verschiedener Konfessionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir sprachen mit ihm über Ostern in

    Wie wird in Israel Ostern gefeiert?

    Lindermüller: Natürlich wird vor Ostern ebenso gefastet, es gibt Ostereier und ein festliches Osteressen am Ostersonntag. Die Gottesdienst-Feiern sind identisch zu den deutschen, sowohl von protestantischer als auch von katholischer Seite. Aber eine Besonderheit gibt es bei den orthodoxen und orientalischen Kirchen, die eher weniger bekannt sind in unserer Region. Sie haben einen für unser Empfinden sehr fremden, stark mystisch wirkenden Ritus. Das liegt daran, dass deren Liturgische Tradition generell als „Göttliche Liturgie“ verstanden wird, also als Eröffnung eines „Parallelraums“ zur irdischen Welt – eines Ortes der Ruhe und des Friedens. An Ostern wird hier auf eine intensive Symbolik wert gelegt, beispielsweise die Fußwaschung am Gründonnerstag, die Verhüllung des Kreuzes am Karfreitag, die Dunkelheit des Kirchenraumes in der Osternacht bis zur Durchbrechung von Kerzenschein und dem daran anschließenden freudigen Jubel, der bei uns wohl eher Staunen auslösen würde.

    Gibt es besondere Bräuche?

    Lindermüller: Ja, die gibt es durchaus. Am Palmsonntag wird vom Ölberg aus in einer langen Prozession mit echten Palmwedeln mit einem Esel in die Altstadt Jerusalems eingezogen. Am Gründonnerstag findet ein Gottesdienst am Ort des Verrates Jesu, im Saal des Letzten Abendmahles statt – mit der Reichung der eucharistischen Gaben in Gestalt von Brot und Wein. Am Karfreitag finden Kreuzwegandachten entlang der „Via dolorosa“, des Leidensweges Jesu, statt. Oftmals mit einem Mann, der Jesus darstellt und ein großes Holzkreuz, Dornenkrone und Leinengewand trägt. Am Karfreitag selbst wird in der Grabeskirche die Kreuzigung in einem Passionsspiel nachempfunden und nachgespielt. In manchen

    Feiern verschiedene Konfessionen und Nationalitäten zusammen Ostern?

    Lindermüller: Da viele Kirchen sogenannte Auslandskirchen im Land haben, feiern die meisten Nationen getrennt. Es gibt aber auch Gottesdienste, an denen unterschiedliche Nationen und Konfessionen teilnehmen. Bei uns hier auf dem Zion zum Beispiel feiern Katholiken und Protestanten gemeinsam, auch in der protestantischen Erlöserkirche im Zentrum Jerusalems. Ich persönlich werde an Ostern in die Erlöserkirche gehen, da ich gerne auch den Ritus und die Feier der „Schwesterkirche“ erfahren möchte.

    Wie ist an Ostern die Stimmung im Land?

    Lindermüller: Da dieses Jahr das Pessach-Fest (11. bis 18. April) parallel zu den Osterfesttagen stattfindet, ist die Stadt überfüllter. Zudem kommen generell viele Pilger an Ostern nach Jerusalem. Bis jetzt ist die Stimmung hier ziemlich friedlich, auch wenn man gewisse Spannungen merkt und das Sicherheitsaufkommen an solch zentralen Festen höher ist. Trotzdem spürt man die besondere Stimmung, die im Land und vor allem in Jerusalem vorherrscht, aufgrund der Ereignisse, die sich vor rund 2000 Jahren hier abgespielt haben. Es ist eben doch etwas Anderes, abends alleine auf Golgota zu stehen und es zu erfühlen, statt nur davon zu hören. Dafür bin ich sehr dankbar.

    Gehen die Menschen an Ostern anders miteinander um?

    Lindermüller: Generell sind die Menschen hier eher weniger aus der Ruhe zu bringen. Ich würde sagen, der Umgang untereinander ist möglicherweise hektischer als sonst, aber nicht weniger herzlich. Zudem herrscht hier eine sehr große Gastfreundschaft, was es den Pilgern erleichtert, ohne große Mühen in Jerusalem anzukommen.

    Wie verbringen Sie Ostern in Israel?

    Lindermüller: Ich werde an Palmsonntag mit Freunden von hier auf dem Ölberg den Gottesdienst mitfeiern. In der Karwoche selbst möchte ich noch einige Stätten und Orte hier im Land ansehen. Gründonnerstag werde ich vielleicht in der „Kirche der Nationen“ in Gethsemane verbringen. Die Karfreitagsliturgie und die Osternacht plane ich in der protestantischen Erlöserkirche zu begehen. Am Karsamstag selbst werde ich wahrscheinlich mit nach Tel Aviv an den Flughafen fahren, da ein guter Freund seinen Heimflug antritt. Am Ostermontag möchte ich mit nach Emmaus pilgern. Neben den Gottesdiensten und Pilgerwegen gibt es am Ostersonntag ein traditionelles Osteressen, worauf ich mich sehr freue und was für mich auch einen Abschluss darstellt, da ich dann nach Deutschland zurückkehren werde. Aber wer weiß, ob das alles so klappt. Was ich hier gelernt habe: Mache dir nicht zu viele Gedanken, denn wie heißt es in einem Sprichwort, das auch in Jerusalem bekannt ist: Willst du Gott zum Lachen bringen, dann mache Pläne.

    Was bedeutet Ostern für Sie?

    Lindermüller: Ich versuche es mal zu beschreiben. Häufig wird ja gefragt, wie ein Gott seinen eigenen Sohn so elend am Kreuz verenden lassen kann. Ich glaube aber, genau darin liegt die auf den ersten Blick nicht erkennbare, unendliche Hoffnung für alle Verzagten, alle Opfer der Geschichte. Der Gott, der uns an Weihnachten als Emanuel, als Gott-mit-uns, erscheint, begibt sich in menschlicher Gestalt in das Niedrigste, das Radikalste, was im Leben existiert: den Tod. Er nimmt als Gott den Tod an und durchbricht damit das, was uns von ihm fernhält: den Tod. Dieser Tod, der dem Menschen von Anfang an mitgegeben ist, wird durch Gott „aufgehoben“ in ihm selbst. Das ist das Geheimnis von Ostern für mich: im Nicht-mehr-weiter-Können Hoffnung zu haben, dass doch alles gut werden wird, dass wir in Gott geborgen sind. Ostern ist für mich also das Fest, an dem mir bewusst wird, dass Gott für mich da ist, dass er Gemeinschaft mit uns sucht. Gemeinschaft, die über Raum und Zeit hinausgeht und sogar das Radikalste in der Kraft der Liebe durchbricht: den Tod. Ostern ist für mich das Fest der Liebe, die größer ist als alles menschliche Verstehen und Bemühen.

    Interview: Ramona Pickl

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