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Interview: An oder mit Corona gestorben? Krumbacher Chefarzt gibt Antworten

Interview

An oder mit Corona gestorben? Krumbacher Chefarzt gibt Antworten

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    „Achtung Covid-19“ steht auf einem Sarg mit einem Verstorbenen, der an oder mit dem Coronavirus gestorben ist. Dieses Foto stammt aus einem Krematorium in Sachsen. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenhang mit Corona im Landkreis Günzburg hat mit 60 einen neuen Höchststand erreicht.
    „Achtung Covid-19“ steht auf einem Sarg mit einem Verstorbenen, der an oder mit dem Coronavirus gestorben ist. Dieses Foto stammt aus einem Krematorium in Sachsen. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenhang mit Corona im Landkreis Günzburg hat mit 60 einen neuen Höchststand erreicht.

    Corona führt uns die Endlichkeit des Lebens täglich vor Augen. Wer an Covid-19 erkrankte Angehörige auf der Intensivstation hat, fürchtet um sie. Aber auch wer Menschen nahe steht, die aus anderen Gründen am Ende ihres Lebens stehen und versorgt werden müssen, kommt an Corona nicht vorbei. Und was ist mit dem eigenen Ende? Gilt die vor langer Zeit ausgefüllte Patientenverfügung auch bei Corona? Zum Thema Sterben haben wir Dr. Sebastian Hafner, Chefarzt der Anästhesieabteilung der Kreisklinik Krumbach, befragt – zusammen mit dem stellvertretenden ärztlichen Direktor Dr. Christian Vollmer und dem Hygienebeauftragen der Klinik, Dr. Alexander Heiß.

    Wer sterbende Angehörige in der Klinik hat, möchte diese begleiten. Gibt es dafür in der Kreisklinik Krumbach derzeit die Möglichkeit? Gibt es Unterschiede zwischen Corona- und Nicht-Corona-Patienten? Welche?

    Dr. Sebastian Hafner: Trotz des generellen Besuchsverbots gibt es in der Klinik Krumbach selbstverständlich die Möglichkeit, nach individueller Absprache mit dem ärztlichen Behandlungsteam Patienten in kritischen Situationen zu besuchen und auch sterbende Angehörige auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Besucher müssen allerdings grundsätzlich symptomfrei sein und werden darüber aufgeklärt, dass speziell bei Patienten mit Corona-Infektion ein Risiko für eine Ansteckung besteht. Den Angehörigen wird für den Besuch Schutzkleidung zur Verfügung gestellt.

    Corona könnte für viele Impuls sein, Patientenverfügung zu überdenken

    Wie lässt sich die Begleitung eines Sterbenden sonst lösen? Gibt es derzeit zu Hause über palliativmedizinischen Dienst oder über Pflegedienste Möglichkeiten?

    Hafner: Es gibt in der Region eine rege Tätigkeit von Vereinen und Gruppen, die sich mit den Themen Palliativmedizin und Hospiz beschäftigen. Eine Übersicht der Hospizgruppen und -initiativen in der Region finden Sie hier.

    Wie verhält es sich bei Corona, wenn jemand eine Patientenverfügung hat? Wenn zum Beispiel festgelegt wurde, dass alle lebenserhaltenden Maßnahmen unterlassen werden sollen oder dass keine künstliche Beatmung durchgeführt wird? Gilt das dann auch bei Corona?

    Hafner: Wenn in der Patientenverfügung festgelegt wurde, dass im Falle einer schweren Lungenerkrankung mit Beatmungspflichtigkeit keine invasive Beatmung mit Beatmungsschlauch, Beatmungsgerät und „künstlichem Koma“ oder im Falle eines Kreislaufstillstandes keine Herz-Lungen-Wiederbelebung durchgeführt werden soll, gilt dies selbstverständlich auch bei einer Infektion mit dem Coronavirus.

    Sollten diejenigen die eine Patientenverfügung haben, diese jetzt überdenken?

    Hafner: Ja, denn es ist generell sinnvoll, von Zeit zu Zeit zu prüfen, ob die in der Patientenverfügung festgelegten Vorgehensweisen nach wie vor den Wünschen und Erwartungen des Patienten entsprechen. Die Corona-Pandemie könnte für viele Menschen ein Impuls sein, sich mit dem Thema Patientenverfügung auseinanderzusetzen.

    Krumbacher Chefarzt erklärt, wann Corona Todesursache ist

    Wir wählen oft die Formulierung an oder mit Corona gestorben: Kann man überhaupt unterscheiden, ob jemand an oder mit Corona gestorben ist? Macht das Sinn? Müsste man das nicht für andere Krankheiten auch machen? An oder mit Grippe gestorben? Was steht letztendlich auf dem Totenschein?

    Hafner: Wenn durch die behandelnden Ärzte ein durch Covid-19 ausgelöstes respiratorisches Versagen eindeutig diagnostiziert werden konnte, kann die Todesursache auch eindeutig auf das Coronavirus zurückgeführt werden. Da eine Infektion mit dem Coronavirus jedoch oft auch mit einer starken Aktivierung der Blutgerinnung einhergeht, kann es bei Patienten mit einem schweren Verlauf auch zu sogenannten Thromboembolien, also zum Beispiel zu einer Lungenembolie oder einem Verschluss von wichtigen Schlagadern des Körpers kommen. Dies kann ebenfalls zum Versterben des Patienten führen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer bakteriellen Superinfektion der Lunge, die dann konsekutiv zu einem septischen Schock („Blutvergiftungsschock“) mit ebenfalls hoher Letalität führen kann. Hier stellt sich nun für den behandelnden Arzt die Frage, ob das Auftreten einer Lungenembolie beziehungsweise eines Verschlusses einer Schlagader oder die Entwicklung eines septischen Schocks eindeutig auf eine Infektion mit dem Coronavirus zurückzuführen ist oder ob dies möglicherweise spontan aufgetreten ist. Diese Frage ist durch den behandelnden Arzt oft nicht mit letzter Sicherheit zu beantworten, sodass auf der Todesbescheinigung als Todesursache die aus Sicht des Arztes wahrscheinlichste Kausalkette angegeben wird. Wenn keine eindeutige Kausalität festgelegt werden kann, wird mit den Angehörigen auch die Möglichkeit einer Obduktion besprochen. Gerade bei Patienten mit einer Covid-19 Erkrankung wird von den Fachgesellschaften eine großzügige Indikationsstellung zur Obduktion empfohlen, da viele Wirkungen des Coronavirus auf den menschlichen Körper noch nicht exakt bekannt sind. Ähnlich verhält es sich auch bei einer Infektion mit dem Influenzavirus, mit dem Unterschied, dass die negativen Wirkungen des Virus auf die Lunge hier im Vordergrund stehen.

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