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Erisweiler: Erisweiler: Ein Dorf, zwei Familien und eine filmreife Kulisse am Radweg

Erisweiler

Erisweiler: Ein Dorf, zwei Familien und eine filmreife Kulisse am Radweg

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    Pferde und reiten sind eine gemeinsame Leidenschaft von Mama Ingrid und Tochter Theresa Heidemann.
    Pferde und reiten sind eine gemeinsame Leidenschaft von Mama Ingrid und Tochter Theresa Heidemann. Foto: Dieter Jehle

    Idyllisch liegen zwei dominante landwirtschaftliche Anwesen im Kammeltal zwischen Krumbach und Neuburg an der Kammel. Sie bieten geradezu eine filmreife Kulisse am Radweg zwischen Mindelheim und Offingen. Jeder, der hier unterwegs ist, wird geradezu verführt, einen Blick in die stattlichen Höfe zu werfen. Erisweiler heißt das Kleinod, wo die Welt noch in Ordnung zu sein scheint.

    Seit jeher wird in den Geschichtsbüchern bei dem nördlich gelegenen Anwesen vom „Unteren Hof“ gesprochen. Es ist heiß. Die Sonne drückt herunter. Karl-Erwin Jekle steht an der Tür des Richtung Westen öffnenden Dreiseithofes. Aus dem Hausflur drängt kühle angenehme Luft. Von Kindesbeinen an lebt er auf dem Anwesen. Und das schon seit mittlerweile fast 70 Jahren. Sofort ist zu spüren, dass der Hof und sein Eigentümer zusammen gehören. Als Bub träumte er, Bauer zu werden. Etwas älter entschied er sich für eine akademische landwirtschaftliche Laufbahn. Der Hof blieb ihm allerdings Heimat. Der fünffache Familienvater fühlt sich wohl. „Ich möchte nirgendwo anders leben“, gibt er unumwunden zu. Dies wird schnell deutlich.

    Seit fast 70 Jahren lebt Karl-Erwin Jekle auf dem „Unteren Hof“ in Erisweiler. Dort sind auch seine fünf Kinder aufgewachsen
    Seit fast 70 Jahren lebt Karl-Erwin Jekle auf dem „Unteren Hof“ in Erisweiler. Dort sind auch seine fünf Kinder aufgewachsen Foto: Dieter Jehle

    Er hat das „Gesicht“ des Hofes nicht verändert und an dessen ursprünglicher Architektur festgehalten. Das Anwesen präsentiert sich so als Schmuckstück. Viel Liebe, Energie aber auch Geld hat er hier investiert. Damit hat er dem Hof und dessen „Seele“ eine Chance gegeben. 1980 hat der studierte Landwirt das Anwesen von seiner Großmutter Erna Zahler übernommen. Für einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb nach heutigen Gesichtspunkten waren die Gebäulichkeiten nicht nutzbar, war sein Fazit. „Sie waren weder als Stall noch als Maschinenhalle geeignet. Wir suchten deshalb nach Lösungen“, so Jekle. Er fing als Nebenerwerbslandwirt mit einer Wildhaltung und Direktvermarktung an. Die landwirtschaftlichen Flächen hat er weitgehend verpachtet. Später kam er auf die Idee, Wohnraum zu schaffen. Am Ende entstanden in dem ehemaligen Stall und Heustadel kleinere Appartements und Wohnungen. „Mein Ziel war es immer, die Gebäude mit deren guten Substanz zu erhalten.“ Der Plan wurde zum Erfolg. Heute finden dort 13 Mieter attraktive Wohnungen fern ab von Lärm und Verkehr. „Ich denke, meine Mieter sind zufrieden“, bilanziert er. Leidenschaftlich kümmert er sich mit seinen Söhnen um den Wald. Schon früh hat er sich mit dem Thema Heizen mit Hackschnitzeln befasst und sich hier ein beeindruckendes Fachwissen angeeignet.

    Blick in den „Unteren Hof“ in Erisweiler. Der Dreiseithof öffnet sich nach Westen.
    Blick in den „Unteren Hof“ in Erisweiler. Der Dreiseithof öffnet sich nach Westen. Foto: Dieter Jehle

    Leben in der "Einöde" ist heute nicht mehr so hart wie früher

    Er gilt durchaus als Pionier auf diesem Gebiet. Seit 28 Jahren beheizt er sein Anwesen mit den „zerkleinerten Holzstücken“. Dadurch spart er jährlich zwischen 15.000 und 20.000 Liter Heizöl ein. Im Leben auf dem kleinen Weiler sieht er heute Vorteile. Auch seine drei Söhne und zwei Töchter sind hier aufgewachsen und haben dies genossen. Mittlerweile sind alle aus beruflichen Gründen aus dem Hause. Sie kehren aber immer wieder gerne an den Ort ihrer Kindheit zurück. „Ich würde am Stadtleben verzweifeln“, sagte der Großvater einer Enkeltochter und spricht von einem Paradies in Erisweiler. Infolge der gewachsenen Mobilität sieht er keinen Nachteil in der „Einöde“ zu leben. „Früher war dies schon anders“, erinnert er sich. Im Winter sei der Fußmarsch zur Schule nach Neuburg mit knapp drei Kilometern bei heftigem Schneetreiben mitunter sehr anstrengend gewesen.

    Am nördlichen Ortsausgang des Weilers grüsst die Marienkapelle. Sie gehört ebenfalls zu seinem Anwesen. Im Zuge einer umfassenden Renovierung im Jahr 1990 wurde an der Südwand der Kapelle eine Inschrift mit der Datierung 1827 freigelegt. Die gleiche Jahreszahl ist auf einer Bodenplatte erkennbar. Regelmäßige Gottesdienste oder Andachten finden dort nicht statt. „Meine Kinder und Enkeltochter wurden hier getauft“, teilt er stolz mit. Bereits eine Hochzeit fand hier statt. „Gerne kam ich der Anfrage der jungen Eheleute nach“, erinnert er sich. Eines Tages wird er den Hof an eines seiner Kinder übergeben. Doch noch ist es nicht soweit. Innerhalb der Familie gäbe es durchaus Ideen für weitere sinnvolle Nutzungen. Die Verantwortung für den Erhalt des beindruckenden Gutshofes und künftige Projekte wird er dann weitergeben.

    Idyllisch eingebettet ist der „Obere Hof“ der Heidemanns ins Kammeltal.
    Idyllisch eingebettet ist der „Obere Hof“ der Heidemanns ins Kammeltal. Foto: Dieter Jehle

    Ein paar Meter weiter südlich liegt der „Obere Hof“. Bobbi, der Appenzeller Sennenhund, hat alles im Griff. Er bellt und „trommelt“ die Familie zusammen. Schnell bekommt er ein Lob. „Ein Wachhund ist auf so einem Hof schon wichtig“, so sein „Frauchen“. Seit 1994 bewirtschaften Ingrid und Wolfgang Heidemann das landwirtschaftliche Anwesen mit sehenswertem Wohngebäude und eigener Hofkapelle. Alles ist top aufgeräumt. Der Hof strahlt Würde, Gemütlichkeit, ja gar eine märchenhafte Kulisse aus. Die Ordnung in dem großzügig nach Süden geöffneten Dreiseithof ist hier zu Hause. 1925 erwarben der Ulmer Großmetzger und Schafhalter Karl Haag und seine Frau Mina von der Schapfenmühle den Hof in Erisweiler. „Sie haben aus dem Erlös der Schafwolle das Anwesen erwerben können“, erzählt

    Seine Frau Ingrid ist hier mit zwei Schwestern auf dem Hof aufgewachsen. Die Jugendzeit hatte sie allerdings weitgehend im Internat in Ursberg verbracht und dort ihr Abitur abgelegt. Anschließend studierte sie Landwirtschaft an der Hochschule in Weihenstephan. Nebenbei ist sie als Sachverständige für die Ernteversicherung tätig. „Eigentlich war ich für die Hofnachfolge nicht vorgesehen, sondern meine älteste Schwester“, so die zweifache Mutter. Doch das Schicksal, für den Hof ein Glücksfall, wollte es anders. 1993 heiratete sie den Krumbacher Wolfgang Heidemann. Zunächst war er zehn Jahre in einem Industriebetrieb tätig. Mit 26 Jahren entschied sich der naturverbundene Facharbeiter für einen Berufswechsel. „Das veränderte mein Leben“.

     mit Frieder, Theresa, Ingrid und Wolfgang Heidemann () mit Hofhund Bobbi.
    mit Frieder, Theresa, Ingrid und Wolfgang Heidemann () mit Hofhund Bobbi. Foto: Dieter Jehle

    Seine nebenberufliche Tätigkeit als Forstwirt führte ihn auch nach Erisweiler, wo er seine Frau kennenlernte. Sie gaben dem ehemaligen Milchviehbetrieb mit neuer Ausrichtung eine Zukunft. Der „Obere Hof“ präsentiert sich heute als „klassische“ Landwirtschaft mit Ackerbau und Schweinemast. 1996 wurde der Schweinemaststall gebaut, im vergangenen Jahr wurde ein Teil des ehemaligen Stadels abgerissen und durch eine moderne Maschinenhalle, passend in das Gefüge des Dreiseithofes, ersetzt. „Überwiegend mit Holz aus eigenem Wald“, so Wolfgang Heidemann. Zur Landwirtschaft kommen noch 32 Hektar Wald, die zu bewirtschaften sind. Forstliche Dienstleistungen sind ein weiteres wichtiges Standbein für die Heidemanns. Das ist natürlich alles nicht alleine zu schaffen. Ihre Kinder Frieder und Theresa, die beide in der 1982 eingeweihten und zum Hof gehörigen fünfeckigen Kapelle getauft wurden, ist Verlass. Frieder, der „frischgebackene“ Landwirtschaftsmeister, ist voll im Betrieb integriert.

    Mit Vater Wolfgang teilt sich der 25-Jährige zudem noch zwei besondere Leidenschaften. Beides sind passionierte Jäger und nehmen sehr erfolgreich an den Berufswettkämpfen für Waldarbeitsmeisterschaften teil. Theresa, die 22-jährige medizinische Fachangestellte in Ausbildung, ist in jeder freien Minute in den betrieblichen Ablauf eingebunden. Ihre Eltern bezeichnen sie als echtes Multitalent. Wenn Vater und Bruder auf der Jagd sind, reitet sie mit ihrer Mutter aus oder nimmt an Reitturnieren teil. Ein ehemaliger Schweinevormaststall wurde zu einem Pferdestall mit sieben Boxen umgebaut. Drei eigene und vier Pensionspferde sind dort untergebracht.

    Tagsüber viel Arbeit, abends relaxen in der Hängematte

    Zur Familie und zum Betrieb gehört mittlerweile auch Tanja Griesinger. Die 24-jährige Landwirtin ist auf einem Milchviehbetrieb in der Schwäbischen Alb aufgewachsen und mit Frieder liiert. Die Ruhe, mitten in der Natur zu leben und Platz ums Haus zu haben. Das möchten die Heidemanns nicht vermissen. „Im Frühjahr kann man beim Frühstück zuschauen, wie es draußen in der Natur wächst,“ schwärmt Theresa. Frühstück, Mittagessen und abendliche Vesper. Das sind drei Berührungspunkte, die die Familie trotz der vielen Arbeit täglich zusammenführen. Und wenn es die Zeit zulässt, lädt die Hängematte zum Relaxen ein.

    Laut Heimatforscher Dr. Georg Höck aus Billenhausen sind im Saalbuch von 1651 die beiden Höfe unter der Überschrift „Unbewohnte, ruinierte, verbrännte und ödstehende Erb- und Eigengüter“ zu finden. Eine Folge des Dreißigjährigen Krieges. Im Urbar von 1660 ist ein Georg Fischer der Besitzer beider Höfe.

    Seine Witwe Kreszenz Fischer verkaufte den Hof dann im Jahr 1901 an die Familie Kaster. 1925 erwarben ihn dann Karl und Mina Haag, die Großeltern von Ingrid Heidemann. Der letzte Inhaber des „Unteren Hofes“, Franz Xaver Fischer, übergab diesen an seine Tochter Theresia Fischer, die 1894 Georg Zahler aus Billenhausen heiratete. 1980 übernimmt Karl-Erwin Jekle das Anwesen von seiner Großmutter Erna Zahler.

    Lesen Sie hier die beiden ersten Teile unserer diesjährigen Dorfserie:

    Zehn Mal mehr Kühe als Einwohner: So schön lebt es sich in Marbach

    Glöttweng ist die Heimat von Barfußpark und Oswald-Braten

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