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Edelstetten: Michaela Majsai: Zwischen DDR-Schwimmabzeichen und „Supertalent“

Edelstetten

Michaela Majsai: Zwischen DDR-Schwimmabzeichen und „Supertalent“

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    38 nationale und internationale Titel: Michaela Majsai in ihrem Edelstetter Haus zwischen Pokalen und Medaillen.
    38 nationale und internationale Titel: Michaela Majsai in ihrem Edelstetter Haus zwischen Pokalen und Medaillen. Foto: Peter Bauer

    Ihre Blicke verlieren sich im Raum, einen Augenblick lang Stille. In ihren Händen hält sie ein kleines, vergilbtes Stück Papier. „Nach dreivierteljährigem Schwimmunterricht wird das Schwimmabzeichen der Deutschen Demokratischen Republik, Stufe eins, verliehen“, ist dort zu nachzulesen. Schwimmabzeichen der Deutschen Demokratischen Republik? „Ich hieß damals Schrowe“, sagt sie dann mit leiser Stimme.

    Schrowe? Es scheint, dass sich in diesem Moment für die bekannte Tänzerin Michaela Majsai, die in Edelstetten wohnt, auch eine Art Lebenskreis schließt. Schrowe? Majsai? Unvermittelt scheint ihr bewusst zu werden, dass ihr Leben ohne die weltgeschichtliche Wende des Jahres 1989, die Öffnung der ungarischen Grenze, den Mauerfall, ganz anders verlaufen wäre. Michaela Majsai – die Menschen kennen sie als ungarische Tänzerin mit den leuchtend roten, wallenden langen Haaren.

    Glauben sie zu kennen. Aber ihr Leben – das ist auch die Kindheit der kleinen Michaela Schrowe, die 1974 in Leipzig geboren und in der heute rund 17000 Einwohner zählenden Stadt Schkeuditz bei Halle aufgewachsen ist. Es ist eine Kindheit hinter dem „Eisernen Vorhang“. Mit all den „Straßenlöchern, den roten Plakaten und Sprüchen“, wie sich Michaela Majsai erinnert.

    Es ist die Kindheit eines kleinen Mädchens mit einer polnischen Mutter und einem deutschen Vater, von dem sich die Mutter früh trennt, von dem Michaela Majsai nicht viel weiß. Ihre Mutter lernt einen ungarischen Mann kennen, der in der DDR arbeitet, bald geht die Familie nach Ungarn. Michaela, die nun den ungarischen Namen Balázs trägt, wächst in der 20000-Einwohner-Stadt Várpalota (rund 70 Kilometer südwestlich von Budapest) auf, sie lernt die neue Sprache erstaunlich schnell.

    Michaela Majsai erzählt vom Leben ihrer Familie in einer Ein-Zimmer-Wohnung, ihrem jüngeren Bruder, ihrer jüngeren Schwester, dem Russischunterricht. Auch davon, dass der Stiefvater, der für sie längst der „Vater“ ist, schließlich vier Arbeitsstellen gleichzeitig annimmt. Die Familie kann sich einen „Wartburg“ (Pkw) leisten – „in Rot“. Das ist etwas Besonderes in der automobilen Tristesse des Ostblocks.

    Sie erzählt von den blauen Tüchern der kommunistischen Jugendorganisation Pioniere. Noch heute hat sie den Ausweis aus dem Jahr 1983. Das schwarz-weiße Passbild zeigt ein junges Mädchen, glatte dunkle Haare, vorne der Pony, wie in der damaligen Zeit üblich, gerade geschnitten, große, randige Brille mit ovalen Gläsern. Allenfalls der Anflug eines Lächelns. Und doch die Lippen irgendwie zusammengekniffen wirkend. Das Gefühl, beim Blick auf das Foto schon etwas von der Dimension der eisernen Disziplin zu sehen, die zu einer Lebensbegleiterin von Michaela Majsai werden wird.

    Aber zunächst würde wohl niemand bei diesem Foto die heute so bekannte Michaela Majsai vermuten. Sie schmunzelt. „Ossi, feurige Ungarin, ja immer wieder diese Klischees“, sagt sie dann. Michaela Majsai steht im Zimmer, in dem normalerweise ihre zweijährige Tochter schläft. Direkt hinter ihr ein weißes Regal voller glitzernder Pokale und Medaillen. 38 Mal Gold bei nationalen und internationalen Wettbewerben hat sie mit ihrer Tanzgruppe, der B & G Dance Company, errungen. Einer der großen Talente in ihrer Gruppe, Fabian Staiger aus Bubesheim, hat es in der RTL-Show „Das Supertalent“ bis ins Halbfinale gebracht. Tanzpädagogin, Trainerin und Choreografin Michaela Majsai gilt als Architektin all dieser Erfolge.

    Es war ein weiter Weg bis dorthin, auch ein Weg durch einen Vorhang, als dieser endlich nicht mehr „eisern“ war. In Ungarn besucht Michaela das Gymnasium, als sich die Wende der Jahre 1989/90 abzeichnet. 1990 wagt die Familie den Sprung in den Westen, der kleine Ort Edelstetten in Mittelschwaben wird zum neuen Fixpunkt ihres Daseins. „Wir sahen sofort, dass es den Menschen hier deutlich besser ging als bei uns zu Hause“, denkt sie zurück. Ihre Mutter findet eine Anstellung im Ursberger Dominikus-Ringeisen-Werk, ihr Vater, der Malermeister ist, bei einer Firma in Altenmünster. Warum 1990 dieser Schritt, warum Edelstetten? „Ich weiß es nicht“, sagt Michaela. Wenn sie über Mutter, Vater, Stiefvater, der schließlich tatsächlich immer mehr ihr Vater wird, erzählt, dann scheint sie zu spüren, wie viel bislang nicht Gesagtes, nicht Geklärtes es in dieser deutsch-ungarisch-polnischen Familiengeschichte gibt. Es scheint, dass sich die Familie noch einiges zu erzählen hat.

    Nach der Ankunft in Deutschland 1990 besucht Michaela für kurze Zeit die Krumbacher Realschule und Fachoberschule. Dann geht sie zurück nach Ungarn, noch einmal ins Internat, um dort das Abitur zu machen. Schon in ihrer frühen Kindheit hatte sich ihr großes tänzerisches Talent abgezeichnet, in ihrer Freizeit nimmt sie über viele Jahre hinweg Tanzunterricht, trainiert immer mehr. Schließlich Abitur, Studium als Grundschullehrerin, dann bewirbt sie sich bei einer großen Hotelanlage am Plattensee, wo sie zunächst als Telefonistin arbeitet.

    Bald wird ihr Talent entdeckt, sie arbeitet sich hoch zur Chefanimateurin, gewinnt einen Schönheitswettbewerb (Miss Ungarn-Plattensee). Die Liebe stellt neue Weichen, sie heiratet Laszlo, den Chefbademeister. „Fast wie bei Baywatch“, wird sie später lachend sagen. Laszlo Majsai spielt in Günzburg Handball, so kehrt Michaela 1996 nach Mittelschwaben zurück, in Edelstetten wird ein Haus gebaut. Sie ist angekommen in Edelstetten und Mittelschwaben und längst gehört auch das schwäbische „sch“ dazu, wenn sie spricht. Doch ihre Sprache, das ist immer wieder auch im Hintergrund der härtere Akzent Ostdeutschlands im Wechsel mit einer weichen ungarischen Note. Einen deutschen Pass aber hat sie ununterbrochen seit ihrer Geburt.

    Sie erinnert sich, wie sie 1999 Handzettel in Briefkästen in der Region gesteckt hat, um Tanzbegeisterte für ihren Traum zu gewinnen. Unterrichtet wird zunächst im eigenen Keller, aber der Aufbau der B & G Dance Company (B & G steht für Boys & Girls) gelingt in der langjährigen Zusammenarbeit mit dem VfL Günzburg und dem SV Edelstetten erstaunlich schnell. Die Gruppe wächst auf weit über 200 Kinder, Jugendliche und Erwachsene an.

    Michaela Majsai trainiert, stellt Choreografien zusammen, näht Kostüme, kümmert sich um kleinste Details bei der Beleuchtung. Die Gruppe schafft den Sprung auf die großen Bühnen, hier beginnt gewissermaßen die vielen bekannte Geschichte der Michaela Majsai, die von vielen „Mitschu“ genannt wird. Die Geschichte der großen Erfolge auf Bühnen in Kopenhagen oder Amsterdam, in großen Fernsehshows wie „Supertalent“ oder „Got to Dance“. Ihre Söhne Philippe und Ricardo sind heute Weltklassetänzer.

    Sie begründet das „Tanzzentrum – deine Tanzschule“, bietet hier Einsteigern und Fortgeschrittenen gleichermaßen ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm. Nach der Scheidung von ihrem Mann wird Michaela Majsai noch einmal Mutter. 2012 kommt Tochter Laora Anastasija Kljajcin in Krumbach zur Welt. Sie lebt inzwischen mit Sinisa Kljajcin zusammen, der als Fußballer in der Region vielen bekannt ist und aus Bosnien stammt. Aber das ist eine andere Geschichte.

    Im Januar wurde sie 40 Jahre alt. „Ein Einschnitt“, sagt sie knapp. Aber sie hat noch viele Pläne, berichtet unter anderem von der jetzt angelaufenen „Best of Bollywood Germany Dance Tour“ mit Lamira Faro und Gautam Jinwal. Große Stars aus Indien, die unter anderem in Hamburg, Berlin und Frankfurt zu Gast sind. Am Samstag, 15. November, kommen sie im Rahmen eines Workshops auch nach Edelstetten.

    Indien oder anderswo? Die große Welt? Ist das ein Traum, eine Lebensperspektive für Michaela Majsai? Sie blickt hinaus zum Fenster, schwärmt von der hügeligen Landschaft rund um Edelstetten. Dann holt sie einen bunt bemalten Gipsabdruck vom Schrank herunter. Sie lacht. „Es ist der Gipsabdruck meines Schwangerschaftsbauchs“, sagt sie dann. An die Wand über dem Bett ihrer kleinen Tochter hat sie ein großes, weißes Schaf gemalt. Daneben Schmetterlinge, rote Äste, Blätter. Als sie sich langsam umdreht und auf das Rot der Äste und Blätter blickt, scheinen sich ihre roten Haare für Augenblicke in dieser Landschaft zu verlieren.

    Zur Person: Michaela Majsai  

    Herkunft:

    Michaela Majsai wird am 16. Januar 1974 in Leipzig geboren. Dieses Jahr konnte sie ihren 40. Geburtstag feiern. Ihre Mutter ist Polin, ihr Vater Deutscher. Bald trennen sich die Eltern, ihre Mutter lernt einen Ungarn, der in der DDR arbeitet, kennen, die Familie zieht nach Ungarn. Michaela Majsai hat einen jüngeren Bruder (39) und eine jüngere Schwester (31).

    Deutschland:

    Die Familie kommt nach dem Ende des Kalten Krieges 1990 nach Edelstetten. Michaela geht nach Ungarn zurück, macht Abitur, absolviert ein Pädagogikstudium – und kommt 1996 mit ihrem damaligen Mann Laszlo wieder nach Deutschland.

    B & G Dance Company:

    Die Anfänge der B & G Dance Company reichen bis ins Jahr 1999 zurück. Inzwischen kann die Formation auf eine ganze Reihe erstaunlicher Erfolge zurückblicken. Insgesamt sind es 38 nationale und internationale Titel.

    Bollywood:

    Demnächst ist die „Best of Bollywood German Dance Tour 2014“ im Sportheim in Edelstetten zu Gast. Am Samstag, 15. November, gibt es von 15 bis 18 Uhr einen Workshop. Weitere Infos und Tickets/Anmeldung beim Tanzzentrum Michaela Majsai, Telefonnummer 08283/928330, 0172/6159227 oder per E-Mail an: majsai@web.de oder http://www.tanzzentrum-deine-tanzschule.de/kontakt/formular/ (pb)

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