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Asyl: In Waldstetten kochen die Ängste vor den Fremden hoch

Asyl

In Waldstetten kochen die Ängste vor den Fremden hoch

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    Blick in den Gasthof Engel, wo das Landratsamt über die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge informierte, die nach Waldstetten kommen. Ein Besucher wollte unterbinden, dass Fotos von der öffentlichen Veranstaltung gemacht werden.
    Blick in den Gasthof Engel, wo das Landratsamt über die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge informierte, die nach Waldstetten kommen. Ein Besucher wollte unterbinden, dass Fotos von der öffentlichen Veranstaltung gemacht werden. Foto: Irmgard Lorenz

    Es gibt viele Ängste und Vorurteile, die Waldstetter Bürger gegenüber den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen haben, die in den nächsten Tagen in ihrem Dorf ankommen und dann in einer vom Jugendamt betreuten Wohngemeinschaft leben sollen. Eine Stunde lang nahmen Waldstetter Bürger am Dienstagabend kein Blatt vor den Mund. Erst zum Ende des Informationsabends warb Bürgermeister Michael Kusch dafür, den jugendlichen Flüchtlingen doch eine Chance zu geben: „Wir sollten vielleicht auch mal über unseren eigenen Schatten springen.“

    Dass Richard Wiedemann, Abteilungsleiter Kommunales und Soziales am Günzburger Landratsamt, zuvor den Blick auf „unsere eigene Geschichte in Europa“ gelenkt und von den Auswanderern gesprochen hatte, die im 19. Jahrhundert ihr Glück in Amerika suchten, hat die mehr als 100 Menschen im Saal des Gasthofs Engel wenig beeindruckt. Eindruck machten vielleicht die Zahlen, die Wiedemann vortrug, zur Beruhigung der Gemüter dienten sie aber eher nicht, ebenso wenig wie der Satz: „Wir sind etwas von der Not getrieben.“ Denn alle Jugendämter arbeiteten im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge inzwischen „gewissermaßen im Notfallmodus“.

    Er wolle nicht, dass seine Enkel mit „dem Pack“ in die Schule gehen müssen, raunte ein Mann seinem Begleiter schon beim Betreten des Saals zu, und dann kochten Ängste und Vorurteile unverhohlen hoch. „Wir wollen sie nicht!“, war zu hören. Die jungen Leute sollten gefälligst ihr Heimatland aufbauen und nicht in Deutschland jungen Menschen Arbeitsplätze wegnehmen. „Was haben die in Gottes Namen in Waldstetten zu erwarten, bitteschön?“ fragte eine Frau. Die jungen Asylbewerber würden sich im Dorf ja nur langweilen.

    Angst um Frau und Tochter

    Vom kulturellen Unterschied war die Rede, von Übergriffen durch Asylbewerber andernorts und vom offenen Feuer zum Kochen, das Nürnberger Asylbewerber in ihrer Wohngruppe entfacht hätten. Ein junger Familienvater und Nachbar des für die Wohngemeinschaft vermieteten Hauses äußerte Sorge und Angst um seine Frau und das kleine Töchterchen. Eine junge Frau kritisierte, dass in der Riedmühle bei Ellzee untergebrachte Asylbewerber mehr an Discobesuchen als an Deutschkursen interessiert seien und appellierte an die Versammlung, sich doch erst mal um die eigenen Landsleute zu kümmern, anstatt die Welt retten zu wollen.

    „Hirnverbrannt“ fand eine Frau die Einrichtung der Wohngemeinschaft für alleinstehende jugendliche Flüchtlinge in Waldstetten. „Die schleichen um die Häuser, weil sie ein freies WLAN-Netz suchen“, sagte sie und forderte, das „Schweine-Geld“, das die Wohngemeinschaft koste, wenigstens in die ganztägige Anwesenheit eines Betreuers zu investieren. „Geben Sie mir Ihre Telefonnummer, dass man Sie in der Nacht anrufen kann. Bitte privat!“, forderte ein künftiger Nachbar der Wohngemeinschaft in Erwartung nächtlicher Lärmbelästigungen von Richard Wiedemann.

    Kein leichter Stand für Landratsamt

    Der Jurist vom Günzburger Landratsamt, zuständig sowohl für Asylfragen als auch für das Jugendamt, unter dessen Betreuung die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stehen, hatte keinen leichten Stand. Die immer wiederkehrende Frage nach konkreten Auskünften zu Tagesablauf und Betreuung der jungen Flüchtlinge konnte er nur allgemein beanworten. Wiedemann versicherte, die Jugendlichen würden im Auftrag des Jugendamts vom Sozialpädagogischen Forum Heidenheim gerade anfangs ganz besonders intensiv betreut. Einzelheiten nannte er allerdings erst am Tag nach dem Infoabend gegenüber unserer Zeitung.

    Mit Informationen den „definitiv berechtigten Ängsten“ zu begegnen, forderte Gemeinderat Stefan Bucher und lenkte ebenso wie Gemeinderätin Ingrid Feroudj, eine der Initiatorinnen des Informationsabends, den Fokus auf die menschliche Seite. Was kann die Gemeinde tun, damit die Flüchtlinge sich in Waldstetten wohlfühlen, lautete ihre Frage. Denn wenn die Flüchtlinge sich willkommen fühlen, sei weniger Ärger zu erwarten. Es gebe auch viele Leute im Ort, die bereit seien, auf die Flüchtlinge zuzugehen, betonte Bucher.

    Die Wohngemeinschaft im Detail

    Anfangs fünf, nach Auskunft von Richard Wiedemann „allermaximalstens“ zwölf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren sollen ab nächster Woche, spätestens Anfang September, einziehen. Zwischen 8 und 14.30 Uhr sind die Jugendlichen beim BFZ in Günzburg, wo sie nach einer morgendlichen Besprechung Sprachunterricht bekommen.

    Informationen zu Berufen, Berufsfindung und Unterricht in berufsbezogenem Grundvokabular schließen sich an. Nach dem Mittagessen folgt ein sozialpädagogischer Teil. Dieses Programm kann laut Wiedemann bei Bedarf verlängert werden. In der Wohngemeinschaft geht es dann um das „Einüben des Alltags“. Pro Jugendlichem stehen drei bis zehn Stunden pro Woche zur Verfügung. Anfangen werde das Sozialpädagogische Forum Heidenheim auf jeden Fall mit dem Maximum von zehn Stunden pro Woche und Flüchtling, sagt Richard Wiedemann.

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