Der Ausgang der Klimakonferenz war wie so oft enttäuschend, doch es gibt abseits der Mammutveranstaltung in Scharm el Scheich auch Lichtblicke: So gibt es gibt Anlass zur Hoffnung für den Amazonas-Regenwald. Kaum ein Politiker ist mit so viel Vorschusslorbeeren überhäuft worden wie Brasiliens ehemaliger und künftiger Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (77). Der Grund für die Euphorie in Europa und in den USA: Lula – wie ihn seine Anhänger rufen – hat im Wahlkampf ein historisches Versprechen abgegeben. Und nun auf der gerade zu Ende gegangenen UN-Klimakonferenz „COP27“ in Ägypten noch einmal nachgelegt. Lula will etwas schaffen, das bislang noch keinem brasilianischen Staatsoberhaupt gelungen ist: eine Null-Abholzung-Strategie umzusetzen.
Wie realistisch ist Lulas Regenwald-Versprechen?
Doch wie realistisch ist dieses Versprechen? Lulas eigene Umweltbilanz in seinen ersten Amtszeiten von 2003 bis 2011 ist – aus heutiger Sicht - durchwachsen. Er hatte damals eine Abholzungsrate von durchschnittlich etwa 15.600 Quadratkilometern pro Jahr zu verantworten. Der noch amtierende Präsident, der international isolierte Rechtspopulist Jair Bolsonaro, kommt in seinen ersten drei Amtsjahren von 2019 bis 2021 auf etwa 11.405 Quadratkilometern. Die Zahlen für das dieses Jahr liegen noch nicht. Bolsonaro könnte jedoch in der halben Zeit, die ähnliche Bilanz schaffen. Noch ein Unterschied ist die Tendenz: Lulas Zahlen gingen ab dem dritten Regierungsjahr nach unten, Bolsonaros Zahlen von Beginn an nach oben.
Marcelo Rocha, Aktivist von „Friday for Future“Brasilien“, sieht im Gespräch unserer Redaktion die Chance für eine Kehrtwende: „Wir kommen von einer Regierung Bolsonaro, die Brasilien von internationalen Partnern entfernt hat, die den Amazonas-Fonds ablehnte, die sich internationalen kollektiven Aktionen verweigerte. Wir hatten an Glaubwürdigkeit verloren. Lulas Auftritt vor der Klimakonferenz war deshalb sehr wichtig.“
Hunger auf Sojabohnen als indirekter Klimakiller
Lulas hohe Abholzungsquote ist seiner ersten Amtszeit geschuldet, als er 2003 mit aus heutiger Sicht apokalyptischen 25.396 Quadratkilometer Brandrodung und Kahlschlag begann, die 2002 mit 27.772 den Höhepunkt erreichten - mehr als doppelt so viel wie heute unter Bolsonaro abgeholzt wurde. Damals setzte Lula alles auf die Karte Wirtschaftswachstum um jeden Preis. Die New York Times kommentierte jüngst: „In Lulas erster Amtszeit trug Chinas unersättlicher Appetit auf brasilianische Sojabohnen, Eisenerz, Öl und Fleisch dazu bei, ein schnelles Wachstum anzuheizen, das Brasilien bis 2012 zur sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt machte.“ Die Weichen für die ökonomisch so erfolgreiche wie klimapolitisch bedenklich Agrar-Industrie und die Erdölförderung wurden damals gestellt.
Unmittelbar nach den Wahlen gab der Erdölkonzern Petrobras bekannt, dass die wohl dickste Erdölschicht in der Geschichte Brasiliens im Meeresboden 250 Kilometer vor der Küste von Rio de Janeiro gefunden wurde. Die BBC kommentierte den Erfolg damaliger Tage heute mit Sorge: „Das Öl kann zur „Achillesferse“ von Lulas Umweltpolitik werden.“ Streng genommen muss Lula das von ihm einst mit aufgebaute Wirtschaftsmodell Brasil ganz neu erfinden. Dass das möglich ist, davon ist zum Beispiel Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, fest überzeugt: „Mit Präsident Lula hat Brasilien jetzt die Chance, wegzukommen von einer Wirtschaft, die auf Waldzerstörung basiert. Brasilien kann ein Powerhouse für nachhaltige Landwirtschaft und eine der führenden Nationen der neuen grünen Wasserstoffwirtschaft werden“, sagt die SPD-Politikerin.
Lula verspricht: Brasilien will Regenwald-Abholzung bis 2030 stoppen
In Ägypten ließ Lula nun zum ersten Mal erste Details durchblicken: „Wir werden keine Anstrengungen scheuen, die Entwaldung und den Verfall unserer Ökosysteme bis 2030 auf Null zu bringen.“ Interessant dabei: Lula will nach eigenen Angaben nur noch eine Amtszeit regieren, Ende 2026 wäre er 81 Jahre. Die Umsetzung dieses Jahrhundertversprechens kann und will Lula also nur einleiten, vollenden muss sie dann die Präsidentschaft 2026 – 2030.
Für Lula sprechen zwei Fakten: Die deutliche Reduzierung während seiner zweiten Amtszeit von 2007 bis 2010 und der Versuch, die Klimaschutzkonferenz COP im Jahr 2025 in den brasilianischen Amazonas holen zu wollen. Dann wird er angesichts seines weltweit gefeierten Versprechens Erfolge vorweisen müssen, er setzt sich also selber unter enormen Erfolgsdruck. „Ich denke, das ist sehr wichtiger Vorschlag, weil er der Dimension des Problems gerecht wird“, sagt Aktivistin und Lula-Unterstützerin Rafaela Albergaria, die in Ägypten vor Ort war, im Gespräch mit dieser Zeitung zu einer möglichen Konferenz im Regenwald. „Die Schaffung eines Ministeriums für indigene Völker ist ein sehr wichtiger Schritt in die Richtung der angekündigten Politik.“