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Klima & Umwelt
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Klimawandel: Ursachen & Folgen für Deutschland

Interview

Klimawandel in Bayern: "Es ist eine Umstellung für jeden"

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    Hitze und Trockenheit – nur zwei Folgen des menschengemachten Klimawandels.
    Hitze und Trockenheit – nur zwei Folgen des menschengemachten Klimawandels. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Viele Menschen in Deutschland haben immer noch das Gefühl: Der Klimawandel findet woanders auf der Welt statt. Was entgegnen Sie?

    Diana Rechid: Wir sehen ganz klar einen Trend mit zunehmenden Temperaturen und der ist in Deutschland überdurchschnittlich hoch. Es wird viel von globalen Erwärmungsraten gesprochen, dass die Welt sich um 1,2 Grad Celsius im Gegensatz zur vorindustriellen Zeitperiode erwärmt hat. In Deutschland ist dieser Wert schon deutlich höher, denn über Landflächen erwärmt sich die bodennahe Luft stärker als über Wasserflächen.

    Die Erwärmung resultiert aus dem Ausstoß von Klimagasen wie CO2 oder Methan. Von welchen Temperaturzunahmen sprechen wir in Deutschland und Bayern?

    Rechid: Wir haben in Deutschland, wenn man das als einen linearen Trend betrachtet, eine Erwärmung von 1,6 Grad und in Bayern liegt der Wert bei 1,8 Grad bis 2021 seit 1880 – seitdem werden in Deutschland Wetterbeobachtungen zuverlässig aufgezeichnet.

    Dennoch sind diese Werte für viele Menschen abstrakt. Was sind die konkreten Folgen dieser Erwärmung?

    Rechid: Damit können vermehrt Extreme erreicht werden. In den letzten Jahren wurden vielfach neue Wärmerekorde an verschiedenen Orten in Deutschland gemessen, wo die Temperatur sogar über 40 Grad erreicht hat. Das ist etwas, was wir als Menschen direkt spüren, was auch Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Hitze betrifft sehr viele Menschen und fordert, wenn man zum Beispiel das Jahr 2003 betrachtet, sehr viele

    Wo ist die Gefahr für Hitze in Bayerisch-Schwaben am größten?

    Rechid: Vor allem in den tiefergelegenen Regionen, zum Beispiel an der Donau. Dort ist die Temperatur schon heute höher als in anderen Gebieten. Und sie betrifft Städte, wo die Temperatur im Vergleich zum Umland etwas höher liegt.

    Vermehrte Hitzetage dürften speziell für eine älter werdende deutsche Gesellschaft zum Problem werden, oder?

    Rechid: Das ist ein Problem, genau. Der Fachbegriff lautet Exposition. Das heißt, es sind mehr Menschen diesen Risiken ausgesetzt, dadurch, dass ältere Menschen ein viel größeres Risiko zum Beispiel durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit sich bringen.

    Dr. Diana Rechid leitet die Abteilung regionaler und lokaler Klimawandel am Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon in Hamburg.
    Dr. Diana Rechid leitet die Abteilung regionaler und lokaler Klimawandel am Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon in Hamburg. Foto: Nicole Keller/Gerics

    Welche Auswirkungen gibt es noch?

    Rechid: In der Alpenregion gibt es zum Beispiel einige Permafrostregionen. Das heißt, dort sind Bereiche im Untergrund ganzjährig gefroren. Mit zunehmenden Temperaturen könnten sie tauen. Damit wird das Gestein instabil, es kann zu Abbrüchen in Gebirgsregionen kommen. Dann ist alles, was vor Ort ist, bedroht – etwa Hütten oder Bergbahnen. Außerdem gibt es Auswirkungen auf die Wälder. Durch die hohen Temperaturen gibt es eine längere Phase, in der es potenziell zu Feuern kommen kann. Auch schon im Frühjahr, wenn zusätzlich durch starke Verdunstung der Boden sehr trocken ist und noch nicht die grüne Vegetation da ist, sondern nur das Verwelkte vom letzten Jahr, kann es schnell zu einem Waldbrand kommen.

    Entsteht da ein Teufelskreis, weil Wälder wichtig für die Speicherung von CO2 sind?

    Rechid: Wälder entziehen der Atmosphäre große Mengen Kohlendioxid und setzen es in Biomasse und Humus im Waldboden um, wo der Kohlenstoff langfristig gespeichert werden kann. Zunehmende Hitze und Trockenheit schwächen viele Bäume und vermindern dadurch ihre Senkenfunktion. Und wenn es zunehmend zu Waldbränden kommt, wird vermehrt CO2 in die Atmosphäre freigesetzt, was wiederum den Klimawandel verstärkt.

    Zum Thema Trockenheit passt eine aktuelle Meldung: Demnach weist das Grundwasser in vielen bayerischen Regionen niedrige Wasserstände auf. Aus dem Grundwasser wird ein Großteil unseres Trinkwassers gewonnen. Damit ist der Klimawandel keine Randerscheinung, sondern betrifft sehr viele Menschen.

    Rechid: Exakt. Mit den höheren Temperaturen verdunstet mehr Wasser und dadurch können Grundwasserspeicher verringert werden. Im Frühjahr müssten sie eigentlich voll sein.

    Woanders kann wiederum zu viel Niederschlag auf einmal fallen.

    Rechid: Wir haben diese Kontraste zwischen viel und wenig Niederschlag, das ist eine besonders große Herausforderung. Das hat sich in den letzten Jahren auch speziell in Deutschland gezeigt durch Starkregenereignisse. Das sind im Vergleich zu Hitze und Trockenheit kleinräumige Effekte wie zum Beispiel im Ahrtal, wo ganz viel Niederschlag pro Zeiteinheit über einen längeren Zeitraum niederging. Letztendlich ist in Deutschland die Gefahr für Starkregen überall da und wird sich auch verstärken mit zunehmender Erwärmung.

    Das klingt dramatisch. Inwiefern können wir die Klimaerwärmung ausbremsen?

    Rechid: Das Gebot der Stunde ist: Wir müssen alles tun, um so schnell wie möglich auf Netto-Nullemissionen kommen. Momentan steigen die Emissionen weltweit noch. Wir müssen so schnell wie möglich verhindern, dass noch mehr von diesen Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangt.

    Was können Einzelne dazu beitragen?

    Rechid: Es gibt da unheimlich viele Möglichkeiten. Wir müssen die Verbrennung fossiler Rohstoffe vermeiden. Wir können klimafreundliche Verkehrsmittel nutzen. Wir sollten bewusst konsumieren und nichts verschwenden. Wir verschwenden in Deutschland sehr viel an Nahrung und Kleidung, also Dinge, die viele Emissionen verursachen.

    Was muss die Politik tun?

    Rechid: Wir müssen Strom aus regenerativen Energiequellen nutzen, was auch angesichts der Ukraine-Krise nochmal besonders deutlich wird. Man könnte zum Beispiel in den Städten versuchen, Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren komplett rauszuhalten. Eine einfache Maßnahme, die wieder mal diskutiert wird: Geschwindigkeitsbegrenzungen. Sie kostet nichts und hätte viel Potential. Es gibt nicht die eine Maßnahme und dann ist alles gut. Es sind viele kleine Maßnahmen, die zusammenwirken müssen.

    Neben den bundespolitischen Maßnahmen: Was muss auf kommunaler Ebene geschehen?

    Rechid: Sinnvoll sind zum Beispiel Grünflächen auf Dächern, am besten kombiniert mit Solarzellen. Oder auch Parks und Wasserflächen. Diese Flächen ermöglichen eine Verdunstung von Wasser, was wiederum zu einer lokalen Abkühlung führen kann. Und wir können auch weiße Flächen einrichten. Sie reflektieren die Strahlung, anstatt sich aufzuheizen. Außerdem kann Gebäudedämmung dabei helfen, dass im Sommer die Wärme draußen bleibt und das Gebäude im Winter warm bleibt – auch ohne viel Heizen.

    Die Städte sind also nicht machtlos im Kampf gegen den Klimawandel?

    Rechid: Nein. In den Städten lebt weltweit ein Großteil der Bevölkerung und da werden auch die meisten Emissionen verursacht. Insofern ist auch das Potential, Emissionen einzusparen, am größten.

    Dennoch: Die Vielzahl der notwendigen Maßnahmen klingt unbequem – für Politik und Gesellschaft.

    Rechid: Es ist eine Umstellung für jeden, ja. Eine

    Zur Person: Dr. Diana Rechid leitet die Abteilung regionaler und lokaler Klimawandel am Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon in Hamburg.

    Wie funktioniert der Treibhauseffekt? Warum ist die Erderwärmung schlecht für uns alle? Hier erfahren Sie, was Sie über den Klimawandel wissen müssen.

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