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Klimawandel: Klimaprognosen gab es schon vor 100 Jahren: Haben sie sich bewahrheitet?

Klimawandel

Klimaprognosen gab es schon vor 100 Jahren: Haben sie sich bewahrheitet?

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    Svante Arrhenius gilt als einer der Pioniere der Klimaforschung und berechnete die Erderwärmung schon im Jahr 1896.
    Svante Arrhenius gilt als einer der Pioniere der Klimaforschung und berechnete die Erderwärmung schon im Jahr 1896. Foto: Alfred von Dahllöf/Norwegische Nationalbibliothek/Canva

    Die Erde wird sich bis zum Jahr 2100 wohl um etwa 2,7 Grad erwärmen, Gletscher und Eisberge werden voraussichtlich weiter schmelzen, der Meeresspiegel ansteigen – mindestens um 18 Zentimeter, höchstens um 59. Es mangelt nicht an Zahlen und Prognosen in der Klimaforschung. Das unterscheidet die Erderwärmung von anderen Naturkatastrophen: Sie ist vorhersehbar. Aber wie genau sind die Modelle der Forscherinnen und Forscher? Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Schon vor über 100 Jahren berechneten Wissenschaftler die Erderwärmung. Heute zeigt sich, ob sie recht hatten.

    Vor über 100 Jahren: Erste Berechnungen zur Klimaerwärmung

    Jahr: 1896

    Forscher:

    Genauigkeit der Vorhersage: um mehr als ein Grad zu hoch

    Svante Arrhenius gilt als einer der Pioniere der Klimaforschung. Der Chemiker und spätere Nobelpreisträger führte Ende des 19. Jahrhunderts erste Berechnungen zur Erderwärmung durch. Eine Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre, so Arrhenius, führe zu einer weltweiten Erwärmung von etwa fünf Grad.

    Die Entwicklung der vergangenen 100 Jahre zeigt, dass Arrhenius den Anstieg etwas zu hoch angesetzt hat. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre stieg seit dem Ende des 19. Jahrhunderts um mehr als 30 Prozent, die Temperatur auf der Erde aber nur um etwa ein Grad. Deshalb gehen Forscher bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration heute nur noch von einer Erwärmung um etwa 2,5 bis 4,0 Grad aus.

    "Trotzdem sind diese Berechnungen bemerkenswert. Die Möglichkeiten der Forschung waren begrenzt und nicht vergleichbar mit den komplizierten Modellen, die Computer heute berechnen", sagt der Klimaforscher Mojib Latif. Er forscht unter anderem an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und ist seit 2017 Präsident der Deutschen Gesellschaft des "Club of Rome".

    "Arrhenius hat außerdem selbst in seinen Schriften angemerkt, dass er mit seinen Ergebnissen etwas zu hoch liegen könnte." Was Arrhenius aber falsch einschätze: die Folgen der Erwärmung. Er sah den Klimawandel positiv und erwartete "um das Vielfache erhöhte Ernten", mit denen man die wachsende Bevölkerung ernähren könnte.

    Forscher in den 30er-Jahren versuchten den CO2-Anstieg zu prognostizieren

    Jahr: 1938

    Forscher:

    Genauigkeit der Vorhersage: CO2-Konzentration zu niedrig angesetzt

    Der Kanadier Guy Stewart Callendar stellte in den 30er-Jahren fest, dass sich die Erde bereits um 0,3 Grad erwärmt habe. Das führte er – wie schon Arrhenius – auf den gestiegenen CO2-Ausstoß zurück. Anders als Arrhenius versuchte er zu prognostizieren, wie schnell die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt. Doch blieben seine Berechnungen weit hinter der Realität zurück. Für das Jahr 2200 erwartete er eine Konzentration von 396 CO2-Molekülen pro Millionen Teilchen in der Erdatmosphäre – oder kurz ausgedrückt 396 ppm. Eine Marke, die die Menschheit schon im Jahr 2016 durchbrochen hatte.

    Bis die breite Öffentlichkeit von solchen Forschungen Notiz nahm, dauerte es noch einige Jahre. In der Augsburger Allgemeinen beispielsweise war erstmals Ende 1949 über den Klimawandel zu lesen. "Einer der nahmhaftesten lebenden Nordpolfoscher, der schwedische Professor Ahlmann, hat einen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass die Arktis sich in einem katastrophalen Tempo erwärmt", hieß es damals in einer Randnotiz.

    Der Computer revolutioniert die Klimaforschung

    Jahr: 1956

    Forscher:

    Genauigkeit der Vorhersage: nahezu zutreffend

    "Einer der wesentlichen Meilensteine für die Klimaforschung war die Entwicklung des Computers", sagt Mojib Latif. "Damit ließen sich erstmals komplizierte Prozesse berechnen, die Vorhersagen wurden genauer." Einer der Pioniere dieser Zeit war der Kanadier Gilbert Plass. Er erwartete mit jedem Jahrhundert eine Erwärmung von 0,7 Grad. Tatsächlich entspricht das in etwa dem Temperaturanstieg in den Jahren von 1900 bis 2000.

    Die Forschungen wurden von Medien auf der ganzen Welt aufgegriffen. "Wenn das industrielle Wachstum des Menschen weitergeht, wird auch die Erde immer wärmer", schrieb damals das US-Magazin Time. Auch die Politik wurde langsam auf das Thema aufmerksam. In einem Dossier aus dem Jahr 1965 warnte das wissenschaftliche Beratergremium des Weißen Hauses US-Präsident Johnson vor den Folgen der Klimaerwärmung.

    Der "Club of Rome" und die Grenzen des Wachstums

    Jahr: 1972

    Forscher: Dennis Meadows im Auftrag des Club of Rome

    Genauigkeit der Vorhersage: CO2-Konzentration zu hoch angesetzt

    Im Jahr 1968 gründeten Wissenschaftlerinnen und Industrielle aus 30 Ländern den "Club of Rome". Das Ziel: Antworten auf die Zukunftsfragen der Menschheit zu finden. Sie beauftragten Dennis Meadows vom Massachusetts Institute of Technology mit einer Studie, die Aufschluss geben sollte über die Zukunft der Erde. Vier Jahre später erschien der Bericht. Sein Titel: "Die Grenzen des Wachstums".

    "Die CO2-Konzentration wird bis zum Jahr 2000 auf 380 ppm ansteigen", schreib der Club of Rome in seiner Veröffentlichung "Die Grenzen des Wachstums". Damit lagen die Forscherinnen knapp über dem tatsächlichen Wert von 369 ppm. Die Marke von 380 knackte die Welt erst im Jahr 2006. Mit anderen Prognosen lag der Club of Rome weiter daneben. So erwarteten die Forscher, die weltweiten Erdölvorräte seien bis zum Beginn des neuen Jahrtausends aufgebraucht. Eine düstere Prognose, die bis heute nicht eingetreten ist.

    Mojib Latif wurde für seine Forschungen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
    Mojib Latif wurde für seine Forschungen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Foto: Sina Schuldt, dpa

    In der Geschichte der Klimaforschung habe es zwar manche Prognosen gegeben, die zu hoch oder zu niedrig angesetzt waren, sagt Mojib Latif. Der grundsätzliche Trend aber sei richtig gewesen. "Heutige Modelle sind genauer als jene, die vor 30 Jahren berechnet wurden und können regionale Unterschiede besser simulieren." Das liege zum einen an neuen Erkenntnissen über den Einfluss des Menschen auf das Klima. Zum anderen an neuen Möglichkeiten der Erforschung. "Je schneller und leistungsfähiger der Computer wurden, desto detaillierter wurden auch die Vorhersagen."

    Um die Folgen für Gesundheit und Wirtschaft gering zu halten, ist es wichtig, die regionalen Folgen des Klimawandels zu kennen. Mit unserem Projekt "Klimaausblick" wollen wir genau das zeigen. Für jeden Landkreis haben wir eine Tabelle mit Prognosen erstellt. Sie zeigen, wie sich das Klima in Ihrer Heimat entwickeln wird: Auf welche Temperaturen wir uns einstellen müssen, wie lange künftig die Hitzeperioden dauern werden und wie stark die Zahl der Frosttage abnimmt. Die Diagramme finden Sie hier.

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