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Neuburg: Theaterproben online: „Indirekt haben wir Corona kulturell besiegt!“

Neuburg

Theaterproben online: „Indirekt haben wir Corona kulturell besiegt!“

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    Zeigen, wie man trotz Corona auf kreative Art und Weise Theater proben und spielen kann: Schüler des Berufsschulzentrums Max-von-Pettenkofer in Neuburg: Fabio Barthels, Sophia Otte und Isabel Horbas (von links).
    Zeigen, wie man trotz Corona auf kreative Art und Weise Theater proben und spielen kann: Schüler des Berufsschulzentrums Max-von-Pettenkofer in Neuburg: Fabio Barthels, Sophia Otte und Isabel Horbas (von links). Foto: Tanja Büchl

    Am 20. März fand der achte Theatertag der Fach- und Berufsoberschulen in Bayern statt. Bei diesem, wegen Corona als Livestream abgehaltenen Event, spielten Theatergruppen aus sechs Fachoberschulen jeweils 20 Minuten aus ihrem momentanen Stück vor, außerdem gab es Diskussionsrunden und Workshops.

    Die FOS/BOS des Berufsschulzentrums Max-von-Pettenkofer in Neuburg stellte dabei „Slamming Poetry“ vor, welches weniger die Struktur eines klassischen Stücks hat, sondern es handelt sich um thematisch zusammenhängende Poetry Slams. Doch bei den Vorbereitungen lief einiges anders als sonst. „Wir üben momentan nicht auf der Bühne, sondern über Microsoft Teams, und die Schauspieler haben in ihren Zimmern wesentlich weniger Platz“, erzählt Tanja Büchl, die für die Theatergruppe zuständige Lehrkraft und Regisseurin des Stücks. „Die neuen Umstände erfordern auch eine neue Organisation. Wegen des Aufbaus unseres Stücks sind unsere 18 Schauspieler in sechs unabhängige Kleingruppen aufgeteilt, was die Planung der Proben äußerst zeitaufwendig macht.“ Die Schauspielerin Paula Deufel erinnert sich: „Die digitalen Proben waren leider durch Internetprobleme und die fehlende Möglichkeit zur Interaktion oft sehr schwerfällig, wenn ich ehrlich bin.“ Die 19-Jährige hat bereits einige Bühnenerfahrung im Ballett gesammelt. „Es war für uns alle absolutes Neuland.“

    "Slamming Poetry" proben die Schüler der Neuburger FOS/BOS momentan digital

    „Die Proben sind eine ständige Entdeckungstour“, erklärt Tanja Büchl. „Wie schafft man es, das Publikum zu fesseln, was eines der wichtigsten Aspekte des Theaters ist? Wie stellt man den Hintergrund zur Szene passend dar? Ist alles hell genug? Schließlich haben die wenigsten Schauspieler zuhause professionelle Studios.“ Auch die Ästhetik sei durch die Bildschirme wesentlich anders als auf einer traditionellen Bühne. Es gehe oft um Nähe und Distanz zur Kamera. Durch das neue Medium könne man Sehgewohnheiten durchbrechen, indem beispielsweise Pannen eingebaut werden, „eine Subversion zum ästhetischen Empfinden des Alltags“, wie Büchl sagt. Ein gutes Beispiel dafür ist Paulas Part, als Teil des Teams zum Text „#5 Entscheidungen“ vom bekannten Mannheimer Poetry-Slam-Duo „Die Fabelstapler“. „Unsere Sequenz beginnt mit der Suche nach dem richtigen Radiosender. Beim Durchzappen zwischen Sportmoderationen, Helene Fischer, den Verkehrsnachrichten und so weiter ist es schwer, sich auf einen Sender festzulegen. Durch gerappte Stellen wird diese Rastlosigkeit der ewigen Suche nach der richtigen Entscheidung ausgedrückt.“

    Teile von „Slamming Poetry“ wurden dann am 8. Theatertag der FOS/BOS in Bayern vorgestellt, welcher dieses Mal von der Friedrich-Fischer-Schule in Schweinfurt ausgetragen wurde. Vor der Aufführung war der Livestream bereits von technischen Schwierigkeiten seitens des Veranstalters geplagt, es gab massive Verspätungen und eine komplette Umarbeitung des Zeitplans. Aber funktioniert hat dennoch alles. Der technische Aufwand war nervenaufreibend. Zwar war es „bloß“ eine Microsoft-Teams-Konferenz, doch mussten nicht nur Bild und Ton live und getrennt voneinander digital nach Schweinfurt geschickt werden. Es gab eine festgelegte Choreographie, wer wann seine Kamera einschaltet. Zwischen drei bis vier Hintergründen wurde hin- und herschaltet und das Stativ gewechselt. Zeitgleich musste man schauspielern und teilweise sogar singen und dabei dynamische Interaktionen schaffen, obwohl man in acht unterschiedlichen Räumen sitzt. So wurde ein digitales Theaterkonzept geschaffen, das sich analog nicht umsetzen ließe, was die Zuschauer und Moderatoren des Events begeisterte. Nicht nur die Dynamik des Stücks und der Schauspieler, sondern auch dessen Inhalt wurde gelobt.

    Auch der Theatertag der FOS/BOS in Bayern fand im Internet statt

    Lehrerin Tanja Büchl war erleichtert und glücklich, dass alles geklappt hat. „Und ich bin stolz auf meine Schüler, die sich mit mir auf dieses digitale Abenteuer eingelassen haben und Spaß am Spiel hatten, obwohl sie sich noch um ihre eigene Technik kümmern mussten!“ Dennoch fehlt etwas. „Auf diese Weise geht sehr viel Pädagogisches verloren“, sagt Büchl. „Aktiv den Körper zu benutzen und Berührungsängste abzubauen sind essenzielle Bestandteile der Theaterpädagogik, die nun größtenteils verloren gehen.“ Paula ergänzt: „Kunst und Kultur leben meiner Meinung nach von Interaktion, Geselligkeit und direktem Feedback.“ Es mache einen großen Unterschied, ob man vor einer Kamera steht, die live überträgt, oder vor einem vollen Zuschauerraum. „Aber es ist momentan die einzige Möglichkeit, sich als Künstler auszudrücken und deswegen bin ich froh, dass wir durch digitale Medien die Chance haben, trotzdem unserer Leidenschaft nachzugehen.“

    „Das Theater hat seinen Charme durch seine Einmaligkeit, weil keine Aufführung und kein Publikum so ist wie das letzte“, stimmt Tanja Büchl zu. „Aber während der Pandemie müssen wir das Theater eben digital anreichern. Es ist wichtig für die Schüler, den Monitor, vor dem sie den ganzen Tag sitzen, nicht nur mit Schule, Stress und Prüfungen in Verbindung zu bringen. Die Jugend muss ein Ventil haben. Meine Schüler schreiben teilweise ihre eigenen Texte, wir haben sogar zwei Musiker, die ihre eigenen Songs vorspielen. Klar muss man neu reinkommen und viel umdenken, aber wir lernen auch Neues.“

    Das Fazit der Lehrerin? „Indirekt haben wir Corona kulturell besiegt!“ Und es wird weitergehen. Ende April oder Anfang Mai soll „Slamming Poetry“ erneut aufgeführt werden, diesmal in ungekürzter Fassung – in einem kulturellen Neuland, das nun ein Stück besser erforscht ist.

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