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Zwickauer Terrorzelle: Neonazi-Mordserie: Bundestag beginnt mit Aufklärung

Zwickauer Terrorzelle

Neonazi-Mordserie: Bundestag beginnt mit Aufklärung

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    Fahnungsbilder aus dem Jahr 1998 von Uwe Böhnhardt (l.) und Uwe Mundlos: Zusammen mit Beate Zschäpe bildeten die beiden eine rechtsradikale Terrorzelle, die für eine Serie von zehn Morden verantwortlich gemacht wird.
    Fahnungsbilder aus dem Jahr 1998 von Uwe Böhnhardt (l.) und Uwe Mundlos: Zusammen mit Beate Zschäpe bildeten die beiden eine rechtsradikale Terrorzelle, die für eine Serie von zehn Morden verantwortlich gemacht wird. Foto: dpa

    Wie konnte das Zwickauer Neonazi-Trio jahrelang rauben und morden, ohne von Polizei und Verfassungsschutz aufgehalten zu werden? Von mehreren Pannen weiß man. Volle Aufklärung soll jetzt ein Untersuchungsausschuss bringen.

    U-Ausschuss nimmt Arbeit auf

    Am Freitag nahm das Gremium seine Arbeit auf: Es soll herausfinden, wie es zu den Morden und Raubzügen der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" kommen konnte, welche Pannen es bei Sicherheitsbehörden gab und wie diese abgestellt werden können. Der elfköpfige Ausschuss konstituierte sich nur einen Tag nach einem einmütigen Beschluss des Plenums und will Mitte 2013 seinen Abschlussbericht vorlegen.

    Die Obfrau der Linken, Petra Pau, sagte: "Dass ich mich ausgerechnet an einem 27. Januar, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, an der Konstituierung eines Untersuchungsausschusses, der sich mit einer beispiellosen Mordserie durch Neonazis befasst, beteiligen muss, das hätte ich mir nicht träumen lassen." Zuvor hatten die Abgeordneten eine bewegende Gedenkstunde erlebt.

    Bericht des Verfassungsschutzes als Grundlage

    In der gut einstündigen Eröffnungssitzung beschloss der Ausschuss auf Antrag der SPD-Obfrau Eva Högl, den chronologischen Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz zu der Mordserie heranzuziehen. "Das ist eine wichtige Grundlage, um herauszufinden, wo welche Abstimmung nicht geklappt hat", sagte Högl der Nachrichtenagentur dpa. Möglicherweise werde auch Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm eingeladen. Außerdem wolle man eine rasche Zusammenarbeit mit der Bund-Länder-Kommission zu der Mordserie.

    Der einmütig bestimmte Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) wertete das Gremium als Chance, um zu beantworten, ob die Sicherheitsarchitektur in Bund und Ländern angesichts radikalisierter Rechtsextremer noch angemessen sei. Er betonte, es gehe diesmal nicht um Parteipolitik. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte, auffällig sei, dass der Untersuchungsauftrag offensichtlich ein gemeinsames Anliegen sei. Lammert mahnte die Parlamentarier, durch die Befolgung von Geheimhaltungsregeln der Exekutive keinen Anlass zur Zurückhaltung bei der Herausgabe von Materialien zu geben.

    "Wir sind es den Opfern schuldig"

    "Wir sind es den Opfern und der Bevölkerung schuldig, zügig aufzuklären", sagte FDP-Obmann Hartfrid Wolff. Die Bundesländer seien verpflichtet, sich zu beteiligen. Für den Obmann der Grünen, Wolfgang Wieland, kommt es darauf an, wie ernst Bundes- und Landesministerien die Aufgabe der Zuarbeit nehmen. "Im Moment bin ich da noch optimistisch", sagte er. Pau forderte, die Aufklärung solle nicht nur auf die zehn Morde der Terror-Gruppe, sondern auch die 150 weiteren Morde durch Neonazis seit 1990 abzielen. Zudem gehe es nicht nur um das "Versagen der Sicherheitsbehörden", sondern auch darum, warum Rechtsextremismus unterschätzt und sogar ausgeblendet worden sei.

    Das Gremium wolle in den Sitzungswochen des Bundestags donnerstags um 9 Uhr zu Beratungen zusammenkommen und ab 10 Uhr Zeugen vernehmen, teilte Högl mit. Edathy kündigte einen Abschlussbericht bis Frühsommer 2013 an. "Das ist ein enges Zeitfenster."  Vize-Chef des Ausschusses ist der CSU-Abgeordnete Stephan Stracke.

    Neonazi-Mordserie: Untersuchungsausschuss beschlossen

    Am Vortag hatte auch der Thüringer Landtag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu der Mordserie beschlossen. Die Ermittlungen gegen Neonazis als mutmaßliche Mörder von neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin hatten Anfang November begonnen, als Uwe Mundlos und Beate Zschäpe stellte.

    Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte der dpa, auch bei der Prüfung der Voraussetzungen eines NPD-Verbots solle der Ausschuss weiterhelfen. "Klar ist, dass die (dpa)

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

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