"Noch nie war ich so froh Pirat zu sein", schreibt der Berliner Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer, ungekrönter Twitter-Häuptling der Piraten. "Wir sind der Beweis, dass Engagement die Gesellschaft verändern kann."
Bald darauf treffen artig die Glückwünsche aus anderen Parteien ein, zuerst von den jeweiligen Netzpolitikern wie Konstantin von Notz (Grüne) oder Halina Wawzyniak (Linke). Derweil denkt der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, schon an die nächsten Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie an den Bundesparteitag Ende April in Neumünster bei Kiel: "Partei-Arbeit. Saarland darf feiern. Woanders geht es weiter." Der Parteitag wird auch darüber entscheiden, mit welchem Führungsteam sich die Piraten künftig präsentieren.
Der ruhige und eher pragmatische Parteichef Nerz führt die Piraten geschickter als sein Vorgänger Jens Seipenbusch. Er trägt auch von ihm eher kritisch gesehene Beschlüsse mit wie das grundsätzliche Plädoyer für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ob er auch im April wieder in den Bundesvorstand gewählt wird, hängt ganz entscheidend davon ab, welche Mitglieder nach Neumünster kommen werden - die Piraten kennen kein Delegiertensystem, jedes Mitglied ist auf Parteitagen stimmberechtigt. Und in keiner anderen Partei wird so leidenschaftlich öffentlich gestritten wie bei den Piraten.
Für die Spitzenkandidatin im Saarland, Jasmin Maurer alias "SanguisDraconis" (Drachenblut) bei Twitter, war der Wahltag einfach zu viel: "Ja, der Kreislauf war gestern weg", erklärte sie am Montag ihr Fernbleiben in den TV-Runden der Spitzenkandidaten. "Zu viel Aufregung, zu wenig getrunken vor Stress und dann die Hitze.".
Saar-Piratin Maurer ist nicht die einzige, die am Wahlabend passen muss. Denn einer der vier Neuen im Saarbrücker Landtag, Michael Neyses, kann bei Twitter noch gar nicht mitfeiern. "Ein Pirat ohne Twitter?" wird bei Twitter erstaunt nachgefragt. "Was ist da los?"
Mit den Wahlerfolgen steigen nun auch die Erwartungen, nicht nur bei Denis Andree: "Jetzt zeigt uns, dass unser Vertrauen gerechtfertigt ist." Die Wähler erwarten vor allem, dass die Politik ihren neuen Lebensraum Internet endlich ernst nimmt als einen Kommunikationsraum, der auch mehr Demokratie ermöglicht. Die Piraten empören sich über alle, die diesen Raum unnötig einschränken wollen.
Politiker der anderen Parteien liefern ihnen bisher immer wieder dankbar angenommene Vorlagen für diese Empörung. Am Wahlabend ist das ausgerechnet der künftige Generalsekretär der im Saarland arg gebeutelten FDP, Patrick Döring: Er machte in der "Berliner Runde" die Anonymität im Netz dafür verantwortlich, dass bei polemisch geführten Diskussionen im Internet über Projekte wie "Stuttgart 21" die Verantwortlichen in den Parlamenten als "Deppen der Nation" dastünden, obwohl es in der Bevölkerung andere Mehrheiten gebe. Döring machte sich für die Verwendung von Klarnamen bei Diskussionen im Netz stark - eine Forderung, die im Netz gar nicht gut ankommt. (dpa)