US-Präsident Donald Trump hat Proteste gegen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in mehreren US-Bundesstaaten angeheizt und dafür teils scharfe Kritik geerntet.
"Ich denke, einige Dinge sind zu hart", sagte Trump am Freitagabend bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus mit Blick auf Michigan, Minnesota und Virginia - demokratisch regierte Bundesstaaten, die in der Corona-Krise strenge Maßnahmen ergriffen haben. Zuvor hatte der Republikaner auf Twitter in Großbuchstaben "Befreit Michigan!", "Befreit Minnesota!" und "Befreit Virginia!" geschrieben.
In den vergangenen Tagen waren in mehreren US-Bundesstaaten Dutzende Menschen gegen die Eindämmungsmaßnahmen auf die Straße gegangen. Aufrufe für ähnliche Aktionen gab es am Samstag in Maryland und - trotz vorsichtiger Lockerungen - in Texas. Einer der größten Proteste hatte am Mittwoch in Michigan stattgefunden. Dort waren Demonstranten teils schwer bewaffnet vor das Kapitol gezogen, hatten Pro-Trump-Flaggen aus ihren Autos geschwenkt und der demokratischen Gouverneurin Gretchen Whitmer "Tyrannei" vorgeworfen. Am Donnerstag versammelten sich in Virginia ein paar Dutzend Demonstranten, am Freitag zeigte sich in Minnesota ein ähnliches Bild.
Trump nahm die Demonstranten am Freitag ausdrücklich in Schutz. "Das sind Menschen, die ihre Meinung ausdrücken", sagte er. "Sie scheinen mir sehr vernünftige Menschen zu sein." Schon am Donnerstag sagte er: "Ich denke, sie hören auf mich. Es scheinen Demonstranten zu sein, die mich mögen."
Der demokratische Gouverneur des Bundesstaates Washington, Jay Inslee, verurteilte die "illegalen und gefährlichen" Äußerungen des Präsidenten. "Er bringt Millionen Menschen in Gefahr, an Covid-19 zu erkranken. Seine verstörenden Tiraden und seine Aufrufe, wonach Menschen Bundesstaaten "befreien" sollen, könnten auch zu Gewalt führen", hieß es in einer Mitteilung Inslees am Freitag. "Der Präsident ist entgleist."
Michigans Gouverneurin Whitmer äußerte die Hoffnung, dass Trump mit seinen Äußerungen nicht noch mehr Proteste anrege. Jeder, der eine Plattform habe, solle diese nutzen, um den Leuten zu sagen: "Wir werden das durchstehen", sagte Whitmer. Die Wirtschaft werde wiederbelebt, sobald dies sicher sei, sagte sie.
In der Corona-Krise ist die Arbeitslosigkeit in den USA dramatisch angestiegen: Seit Mitte März haben rund 22 Millionen Menschen Arbeitslosenhilfe beantragt. Wegen der im November anstehenden Präsidentschaftswahl gerät Trump zunehmend unter Druck. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Pew meinen 65 Prozent der Amerikaner, Trump habe zu spät auf die Corona-Bedrohung reagiert. 66 Prozent sorgen sich, dass die Bundesstaaten Schutzmaßnahmen zu früh aufheben könnten.
Trump will die USA schrittweise auf den Weg zur Normalität zurückführen und die Wirtschaft graduell wieder öffnen. Am Donnerstag hatte er dafür Richtlinien vorgestellt. Einen Zeitplan gab Trump nicht vor, und die Entscheidung liegt am Ende bei den Gouverneuren der 50 Bundesstaaten. Mit New Yorks demokratischem Gouverneur Andrew Cuomo lieferte sich der Republikaner am Freitag einen Schlagabtausch. Trump twitterte während der täglichen Pressekonferenz Cuomos, dieser sollte "mehr Zeit auf das "Machen" und weniger Zeit auf das "sich Beschweren" verwenden". Cuomo erwiderte mit Blick auf Trump: "Wenn er zu Hause sitzt und Fernsehen schaut, sollte er vielleicht aufstehen und zur Arbeit gehen."
Erste Bundesstaaten kündigten bereits vorsichtige Lockerungen der Schutzmaßnahmen an. Der Gouverneur von Texas, Greg Abbott, sagte am Freitag in Austin, derzeit geschlossene Läden könnten von Freitag nächster Woche an wieder öffnen, wenn sie Waren lieferten, schickten oder zur Abholung bereitstellten. Mit der Wiedereröffnung von Parks unter Verwaltung des Bundesstaats werde bereits am Montag begonnen. Besucher müssten aber Schutzmaßnahmen befolgen. Schulen blieben in diesem Schuljahr geschlossen.
Minnesotas Gouverneur Tim Walz kündigte am Freitag an, dass unter anderem Parks, Wanderwege, Golfplätze, Freiluft-Schießstände und Läden zum Verkauf von Angelködern wieder öffnen könnten, wenn Besucher Schutzmaßnahmen befolgten. "Es ist wichtig für uns, aktiv zu bleiben und die Natur zu genießen und gleichzeitig die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern", sagte Walz nach einer Mitteilung. In Vermont können unter bestimmten Bedingungen Händler wieder öffnen und Bauarbeiten wieder aufgenommen werden.
Das Weiße Haus rechnet infolge der Coronavirus-Pandemie mit 60 000 bis 65 000 Toten in den USA - deutlich weniger als in früheren Vorhersagen befürchtet. Jeder Tote sei einer zu viel, betonte Trump am Freitag im Weißen Haus. Die derzeit erwartete Opferzahl liege aber unter Vorhersagen von mindestens 100 000 Toten, die das Weiße Haus kürzlich vorgestellt hatte. "Ich denke, dass wir hoffentlich erheblich unter den 100 000 bleiben werden", sagte der US-Präsident.
In den USA gab es nach Erhebungen der Johns-Hopkins-Universität bis Samstagvormittag (Ortszeit) mehr als 37 000 Tote infolge einer Coronavirus-Infektion. Mehr als 700 000 Menschen wurden positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getestet - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Laut einer Zählung der "New York Times" sind nach einer Infektion mit dem Virus mindestens 7000 Menschen in Seniorenheimen gestorben - was rund einem Fünftel aller Todesfälle entspricht. (dpa)