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Sommerserie - Tag 6: Das Finale mit Mozart und Freddy Quinn

Sommerserie - Tag 6

Das Finale mit Mozart und Freddy Quinn

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    Die Menschen unterhalten sich angeregt an unserem letzten Dienstag im Hochfeld.
    Die Menschen unterhalten sich angeregt an unserem letzten Dienstag im Hochfeld. Foto: Michael Schreiner

    Eine Sonate von Mozart und der Schlager „Marina, Marina“, Sonne und Wolken, Violine und E-Gitarre, Abschied und Anfang, Wasser und Wein, Kommen und Gehen, Zuhören und Erzählen, Neulinge und alte Bekannte: Nichts fehlt in diesem großen Finale unserer Sommerserie im Hochfeld. Mit dem Platzkonzert von Wilhelm F. Walz (Violine) und Peter Bader (E-Piano), die neben Mozart auch Musik von Fritz Kreisler, Tschaikowsky und Dvorak spielen, erreicht „Kultur aus der Hochfeldstraße“ am sechsten und letzen Dienstag dramaturgisch wie künstlerisch einen Höhepunkt. Das gilt übrigens auch für den Besucherandrang: Fast 60 Leute sitzen im Halbrund draußen vor der Kerschensteiner Schule, die meisten davon auf Holzstühlchen aus den Klassenzimmern der Grundschule. Im Publikum auch Schulrektor Albert Kaps, der, gut gebräunt aus den Ferien zurück, diesen Schlusstag unbedingt miterleben wollte. Was sich da vor seiner

    Der öffentliche Raum ist kein Konzertsaal. Das wissen auch Wilhelm F. Walz, lange Jahre erster Konzertmeister der Augsburger Philharmoniker und Initiator der Fronhofkonzerte und Peter Bader, der Kirchenmusiker der Ulrichsbasilika. Da brummt aus beiden Richtungen die Buslinie 41 vorbei, als hätten die Verkehrsbetriebe den Takt auf 90 Sekunden umgestellt, da knallen Autotüren, da tönt Kinderjauchzen vom Spielplatz einer Wohnanlage herüber. Nichts erzeugt eben ein solches Stillebedürfnis wie die Musik. Macht nichts: Das Konzert des famosen Duos wird vom Publikum heftig applaudiert. Tschaikowskys „Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide“ klingt in unseren Ohren schon ein wenig wie das, was uns die nächsten Wochen immer einmal wieder heimsuchen dürfte: Wehmut.

    Jetzt ist es so weit - Peter hat seinen Auftritt

    Sehnsucht nach dem Hochfeld und den Menschen, mit denen wir dort zusammen fast 30 Stunden an unserem mobilen Schreibtisch unter freiem Himmel verbracht haben. Zu den Leuten, die wir kennengelernt haben, gehört auch das Ehepaar Spenger, Ilse und Peter. Echte Kölner, denen auch drei Jahrzehnte in Derching und – Zuzug erst vor wenigen Monaten – im Hochfeld nichts anhaben konnten: Kein Laut ihrer rheinischen Sprachfärbung hat sich abgeschliffen. Von Peter haben wir irgendwann erfahren, dass er ab und zu aufspielt im Mehrgenerationentreff drüben im Römerhof.

    Am frühen Abend, zum Ausklang unserer Sommerserie, ist es so weit – Peter hat unserem ständigen Drängen nachgegeben, hat seinen Verstärker und die E-Gitarre zu Hause abgebaut und mit dem Auto hergeschafft. Jetzt spielt er nach 18 Uhr alte Schlager zum Wein aus Plastikbechern. Die, die noch da sind, singen mit. „Marina, Marina“, „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“, „Blaue Nacht am Hafen“, „Schön, schön war die Zeit“ von Freddy Quinn. Und, wenn auch nur einen Takt: „Mer losse d’r Dom en Kölle“. Mozart und Schlager, high and low, bedeutsam und nebensächlich, persönlich und ehrlich – dieser letzte Dienstag versinnbildlicht noch einmal das, was „Kultur aus der Hochfeldstraße“ geprägt hat.

    Die Hochfelder (und ehemaligen Hochfelder!), die kamen – manche nur einmal, andere mehrfach, viele jeden Dienstag – haben sich als Botschafter für ihren Stadtteil ins Zeug gelegt. Auch zum Finale werden wieder Mappen mit alten Zeitungsausschnitten, Fotos und Postkarten ausgepackt. Doch diese Zusammenkünfte auf der Straße mitten im Hochfeld sind immer mehr gewesen als nostalgische Runden. Das zeigt sich in einer fast beiläufigen Bemerkung an diesem Nachmittag, als Christel Malhöfer sagt: „Es ist ja jetzt nicht Schluss, wenn ihr geht. Wir haben beschlossen, uns jetzt öfter zusammenzusetzen.“

    An unserem Schreibtisch haben sie sich wiedergefunden

    Tatsächlich haben sich Hochfelder, die sich lange aus den Augen verloren hatten, an unserem Schreibtisch wieder gefunden. Dass dieser Sommer identitätsstiftend war im Hochfeld, bestätigten viele der Besucher, auch wenn sie es anders ausdrücken würden. Die Frage, was das nun alles mit Kultur zu tun hat, stellt niemand. Dafür hat Christa Schestak an diesem letzten Dienstag einen aktuellen Friedhofsführer für uns mitgebracht, mit Einmerker zwischen den Seiten, die den jüdischen Friedhof im Hochfeld betreffen. Wir hatten mehrfach darüber gesprochen. Es sind solche Gesten, die die Atmosphäre charakterisieren, die sich in diesen Wochen an unserem Schreibtisch entwickelt hat. Am Schlusstag kommt auch Angelika Christl vorbei, die die Einrichtungen des SOS-Kinderdorfs im Hochfeld leitet. Es gibt eine Kinderkrippe, es gibt betreute Wohnungen minderjähriger, unbegleiteter Flüchtlinge und ein Familienzentrum, in dem auch minderjährige alleinstehende Mütter leben. Und ein Sprachcafé für ausländische Frauen gibt es. „Wir sind im Hochfeld gut vernetzt“, sagt

    Irgendwie passend dazu hat der Architekt Roman Adrianowytsch auf seinem Spaziergang durchs Hochfeld erklärt, wie wichtig es sei, dass man – gerade im Bauen – die Identität eines Ortes erkenne, annehme und weiterentwickele. Und dann sagt Adrianowytsch, dass die alte räumliche Trennung von Wohnen, Arbeiten und Erholen überholt ist. „Man bleibt künftig im Quartier, wo es alles nebeneinander gibt – das ist zukunftsfähiger als die alten Modelle“. Viele Gäste folgen dem Fachmann durch die Straßen des Hochfelds. Da fehlt etwas, was es zumindest in den Sommerferien vor der Kerschensteiner Schule sechs Dienstage lang gab: Ein Treffpunkt. „Gibt’s hier im Viertel einen Ort, wo man sich trifft?“, fragt der Architekt. Die Antworten kommen zögerlich. „Vor der Kirche“. „An der Bushaltestelle“.

    Unser 6. und letzter Tag im Hochfeld  

    Der architektonische Spaziergang beantwortet nicht nur Fragen, vielmehr stellen sich dadurch auch wieder Neue. Sogar Fragen, die wir längst beantwortet haben. Aber so ist das mit dem Gedächtnis. Denn warum gibt es im Hochfeld eine Firnhaberstraße? Ja warum? Weil er ein Stifter war? Ah. Wie war das noch mal? Alle rätseln. Und die Antwort des Redakteurs, dass wir die Frage ja bereits in unserem Hochfeld-Straßennamen-Lexikon beantwortet haben, ist nur bedingt zufriedenstellend. Wir wollen jetzt die Antwort wissen. Bis jemand ein Einsehen hat, weil er das Hochfeld-Archiv in drei Plastiktüten verpackt mit sich herumträgt. Darin enthalten: Besagter Artikel, aus dem an der Firnhaberstraße, Ecke Lagaistraße vorgelesen wird. „Ruhe bitte: Firnhaberstraße. Friedrich Firnhaber (1823 bis 1887) stiftete sein Jagdrevier für den gemeinnützigen Siedlungsbau. Auch der dort entstandene Stadtteil Firnhaberau heißt nach dem Textilunternehmer.“ So war das also.

    Bleibt noch nachzutragen: Unsere beiden tollen Leinwände mit Hochfeldmotiven gibt es noch meistbietend zu kaufen. Wir nehmen schriftliche Gebote entgegen: Das Mindestgebot beträgt 100 Euro pro Bild. Sie können per E-Mail an folgende Adresse bieten:

    feuilleton@augsburger-allgemeine.de

    Gebote nehmen wir bis 23. September 2016 entgegen. Nicht vergessen: Der Erlös geht zu 100 Prozent an die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung. Schön wäre es, wenn die Bilder im Hochfeld blieben. Vielleicht sogar an einem öffentlich zugänglichen Ort  …

    Eine Frage wird uns übrigens seit Wochen immer wieder gestellt. „Wo geht ihr als nächstes hin?“ – im Sommer 2017.

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