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Radtour: Stauden extrem: knackige Steigungen, nette Begegnungen

Radtour

Stauden extrem: knackige Steigungen, nette Begegnungen

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    Extrem nette begegnung in Konradshofen: Frau Steger, Frau Lutz und Frau Heckel (von links). Frau Steger ist "die beste Sängerin der Welt".
    Extrem nette begegnung in Konradshofen: Frau Steger, Frau Lutz und Frau Heckel (von links). Frau Steger ist "die beste Sängerin der Welt".

    An meinen Turnschuhen klebt noch der rote Sand vom Tennisplatz, zwei Tage vor der Tour war ich klettern und in meinem Blutkreislauf befindet sich ausreichend Koffein. Ich bin bereit.

    Weil zu zweit alles mehr Spaß macht, nehme ich eine Kollegin mit. Ausgangspunkt ist Schwabmünchen. Unter Gänsegeschnatter und ländlicher Ruhe erreichen wir Schwabegg. Wir müssen den ersten Berg rauf. „Den oder den?“, fragt die Kollegin. Es gibt zwei: einer leichter und länger, der andere das jeweilige Gegenteil. Wir entscheiden uns für den anderen.

    500 Meter später und 70 Meter weiter oben brauchen wir eine Trinkpause. 18 Prozent Steigung, die erste Herausforderung. Dann sehe ich das Schild: Prügelberg. Klar, dass der so heißt. Na, wenigstens machen sie einem nichts vor.

    Xaver und der Außerirdische

    Um 12.30 Uhr geht es weiter nach Scherstetten. Zur Belohnung für den Prügelberg geht’s bergab. Wieder bergauf. Und wieder bergab. Und wie. Mit gefühlten 60 Stundenkilometern rasen wir ins Dorf. Viel los ist hier nicht, nur die Obstbäume tragen schwer. Das dürfte eine gute Ernte geben heuer. Auch nach Mittelneufnach (wo Werner Possardt 1985 den Film „Xaver und sein außerirdischer Freund“ drehte) führt unsere Tour über Asphalt. Viel bietet sich nicht fürs Auge. Die Autos fahren beängstigend nah an uns vorbei. Ein Biber hat den Ausflug ins Hollywood der Stauden nicht überlebt – er liegt tot am Straßenrand.

    Plötzlich wissen wir nicht weiter. Wir müssen nach Könghausen, aber wo geht’s nach Könghausen? Zum Glück begegnet uns Maria Ziegler, die schon ihr ganzes Leben in Mittelneufnach wohnt. Eine Dame fragt man nicht nach dem Alter, aber wir vermuten, dass unser beider Leben nicht ausreicht, um die Jahre zusammenzubekommen. Frau Ziegler weist uns den Weg und weiß auch, dass man im „Adler“ hervorragend Lamm essen kann. Leider haben wir dafür keine Zeit, Könghausen wartet. Der Weg ist ein ständiges Bergauf und Bergab, der Höhenunterschied beträgt aber nie mehr als 20 Meter. Wo bleiben die Herausforderungen?

    Das wäre eine, wäre man eine Kuh: 6000 Kilogramm Milchleistung im Jahr. Die Marken hängen an der Tür eines typischen Bauernhauses. Als ich sie fotografiere, kommt eine alte Frau mit misstrauischem Blick aus dem Haus: „Was machen Sie da?“ Ich erkläre es – sie lächelt. Dann erzählt sie. Sie sei 84 und seit einem Sturz lasse sie der Junior nicht mehr arbeiten im Stall. Dabei ist er doch allein, ist nicht verheiratet. Mir tut die alte Dame leid. Ich biete an, die Kollegin dazulassen. Aber die protestiert. „Schade“, sagt die Frau, als wir weiterfahren. Viel Abwechslung hat sie wohl nicht mehr.

    Marmor, Stein und Eisen bricht

    Gegen zwei erreichen wir Reichertshofen. Der alte Bahnhof ist ein Hingucker, ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert. Und doch noch in Betrieb: Am 3. Oktober hält die Staudenbahn hier zum letzten Mal für dieses Jahr. Weiter geht’s.

    Von Grimoldsried erhoffe ich mir vor allem eines: einen g’scheiten Metzger. Ich habe Hunger. Doch vorher ein weiterer giftiger Anstieg. 80 Meter Höheunterschied sind auf zehn Prozent Steigung verteilt und deshalb nicht so schlimm wie der Prügelberg. Wir lernen Grimoldsried plötzlich von einer ganz anderen Seite kennen: Moderne Kunst mitten in einem offenen Obstgarten. Wer hätte das gedacht. Die Holzskulpturen von Walter Brunner stehen einfach so da, Wind und Wetter ausgesetzt. Die eine setzt sich aus Rechtecken zusammen, die andere aus Os und eine dritte ergibt den Anfang eines Schlagers: Marmor, Stein und Eisen bricht. Wir klauen Herrn Brunner noch zwei Birnen in der Hoffnung, er möge uns verzeihen. Auf einer Bank unter einer Birke verschlingen wir unsere Wurstsemmeln. Warum schmeckt draußen immer alles so viel besser? Neben unserer Bank steht ein Marterl: „Gott segne unsere Fluren“.

    Als wir satt sind, haben wir keine Energie mehr. Nach Münster geht es zum Glück bergab, wir lassen es rollen. Irgendwie ist die Luft raus. Aber wir haben nicht mit den Damen Steger, Lutz und Heckl gerechnet. In

    Stauden extrem? Ja! Extrem nette Leute, wenn man sich ein bisschen Zeit für Begegnungen nimmt.

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