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Polizistenmord-Prozess: Rudi R.: Vom faulen Schüler zum Polizistenmörder

Polizistenmord-Prozess

Rudi R.: Vom faulen Schüler zum Polizistenmörder

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    Wird R. des Mordes am Polizeibeamten Mathias Vieth schuldig gesprochen, dürfte er der einzige Verbrecher in Deutschland sein, der gleich zwei Polizisten erschossen hat.
    Wird R. des Mordes am Polizeibeamten Mathias Vieth schuldig gesprochen, dürfte er der einzige Verbrecher in Deutschland sein, der gleich zwei Polizisten erschossen hat. Foto: Fred Schöllhorn

    Während hinter den Kulissen das Ringen um den wahren Gesundheitszustand des mutmaßlichen Polizistenmörders Raimund M. weitergeht, strebt der Prozess gegen den jüngeren Bruder Rudi R. zügig dem Ende zu. Läuft alles nach Plan, wird noch Ende Januar das Urteil fallen. Es gibt wenige Zweifel daran, dass dem 58-Jährigen die Höchststrafe droht. Wird R. des Mordes am Polizeibeamten Mathias Vieth schuldig gesprochen, dürfte er der einzige Verbrecher in Deutschland sein, der gleich zwei Polizisten erschossen hat. Wie konnte es so weit mit ihm kommen?

    Rudi R.: Mordurteil aus dem Jahr 1976

    Am gestrigen Verhandlungstag las die Schwurgerichtskammer das Mordurteil aus dem Jahr 1976 vor. Es enthält Details aus Rudi R.s Leben und skizziert Stationen seiner verderblichen Karriere als Verbrecher. R. ist geboren als Rudolf Helmut R. am 23. April 1955 in Falkenberg in Oberschlesien, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu Polen gehört. In der Familie R. wurde Deutsch gesprochen, in der Schule lernte Rudi Polnisch. Als Dreijähriger wurde er von einem Motorrad überfahren und schwer verletzt. Danach litt er für viele Jahre an Kopfschmerzen und stotterte oft.

    Lehrer bemängelten zu wenig Fleiß und Sorgfalt

    Mitte der 60er Jahre siedelte die Familie nach Deutschland um. Rudi kam in eine Förderschule und mit seinen zwei Brüdern ins Heim. Ein schlechter Schüler war er nicht, der Bub hatte leicht überdurchschnittliche Noten. Die Lehrer monierten allerdings immer wieder mangelnden Fleiß und zu wenig Sorgfalt. In Augsburg machte R. bei einer renommierten Autofirma eine Lehre zum Kfz-Mechaniker. Die praktische Prüfung bestand er, in der Theorie fiel er durch.

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Beide Elternteile wurden arbeitslos, auch Rudi ging Anfang der 70er Jahre keiner geregelten Arbeit nach. Stattdessen begann er mit seinem Kumpel Jovan S. langsam, aber stetig, eine kriminelle Laufbahn einzuschlagen. Die beiden begeisterten sich für Autos und Waffen. Schon mit 17 besorgte sich Rudi R. illegal eine Pistole und führte sie in der Öffentlichkeit bei sich. Er wurde dafür verurteilt. Zuvor hatten er und Jovan schon in Läden geklaut und Kaugummiautomaten geknackt. 1974 wurde R. für eine Unfallflucht mit Beleidigung verurteilt.

    Scheibe bei Juwelier in Bad Wörishofen eingeschlagen

    Im September 1974 wollten Rudi R. und Jovan S. in ein Augsburger Waffengeschäft einbrechen. Auch Raimund M. war dabei. Sie wurden ertappt und verurteilt. Kurz darauf brachten R. und S. eines Abends R.s Freundin nach Bad Wörishofen. Die Männer schlenderten noch durch die Stadt und entdeckten bei einem Juwelier schöne Uhren im Schaufenster. Spontan ging S. zum Auto und holte einen Hammer aus dem Kofferraum. Sie schlugen die Scheibe ein und nahmen drei Uhren an sich. In derselben Nacht kamen sie auf dem Heimweg durch Schwabmünchen. Dort holten sie sich bei einem Optiker auf dieselbe Weise zwei teure Ferngläser.

    Konnte das bis dahin vielleicht als Kleinkriminalität gewertet werden, nahm das Drama am 5. März 1975 seinen Lauf. Rudi steht erst gegen 11 Uhr auf, geht am Nachmittag mit Jovan S. zum Augsburger Kuhsee. Am Kiosk trinkt Rudi ein Weißbier, Jovan ein Spezi. Auch abends sind die beiden zusammen, im Weizenbräustüberl in Friedberg isst Rudi eine Gulaschsuppe und eine Bratensulz, trinkt eine Geißenmaß dazu.

    Rudi R. eröffnete das Feuer: 31-jähriger Polizist starb

    Dann brechen sie auf und steigen bei dem Autohaus ein, bei dem Rudi gearbeitet hatte. Sie stehlen den BMW des Chefs, fahren damit nach Landsberg und überfallen dort den Wachposten der Ritter-von-Leeb-Kaserne. Sie nehmen dem Obergefreiten mit Waffengewalt seine Dienstpistole ab. Danach wollen sie die Tankstelle Augsburg-Nord überfallen. Doch ein Streifenwagen entdeckt das Auto. Rudi steigt aus und eröffnet sofort das Feuer auf den Polizeiobermeister Bernd-Dieter Kraus. Der 31-Jährige stirbt. R. und S. werden noch in derselben Nacht festgenommen. Rudi R. hatte sich in einer Mülltonne versteckt.

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