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Polizistenmord: Anwalt: Raimund M. hat den Sachverständigen manipuliert

Polizistenmord

Anwalt: Raimund M. hat den Sachverständigen manipuliert

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    Raimund M. kann es nicht gewesen sein, sagt das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Ralph-Michael Schulte. Der Anwalt der Polizisten-Witwe vermutet hingegen Manipulation.
    Raimund M. kann es nicht gewesen sein, sagt das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Ralph-Michael Schulte. Der Anwalt der Polizisten-Witwe vermutet hingegen Manipulation. Foto: Ulrich Wagner

    Das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Ralph-Michael Schulte, das den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. entlastet, löst weiter heftige Reaktionen aus. Schulte hatte, wie berichtet, ausgeschlossen, dass M. einer jener beiden Männer gewesen sein kann, die in der Mordnacht vom 28. Oktober 2011 auf einem Motorrad geflüchtet sind. Walter Rubach, der Anwalt der Witwe des getöteten Polizeibeamten Mathias Vieth, übt heftige Kritik.

    Herr Rubach, was sagt Frau Vieth zu dem entlastenden Gutachten?

    Rubach: Was sich derzeit im Polizistenmord-Prozess abspielt, ist für Frau Vieth nicht mehr nachvollziehbar. Wir beide fragen uns: Wie kann es angehen, dass ein einziger Sachverständiger mit absonderlichen Aussagen das Ergebnis einer zehnmonatigen Beweisaufnahme auf den Kopf stellen können sollte?

    Wie erklären Sie sich die Ausführungen des erfahrenen Gutachters Schulte?

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Rubach: Die einzige Erklärung für dessen merkwürdigen Vortrag kann nur sein, dass es dem Angeklagten M. gelungen ist, den Sachverständigen in einer Weise zu manipulieren, dass dieser harte Fakten schlicht negiert. Zu den harten Fakten gehört, dass M. noch 2011 auf hohem Niveau Tennis spielte, auch noch nach der Mordnacht seine Freundin regelmäßig ohne Beeinträchtigungen beglücken konnte und fast täglich ins Fitnessstudio ging.

    Prozessbeobachter waren überrascht von der ungewöhnlich endgültigen Wortwahl des Sachverständigen. Sie auch?

    Rubach: Erschreckend ist, dass dieser Sachverständige, der bestenfalls eine Erfahrungswissenschaft, aber niemals eine exakte Wissenschaft betreibt, keinen Zweifel an seiner Aussage zulässt, obwohl doch alles dafür spricht, dass M. am Tatort war: Das Visier eines Motorradhelms, das auf dem Fluchtweg gefunden wurde, wies DNA von M. auf. Ein am Tatort gefundener Handschuh wies sowohl DNA seiner Freundin als auch von ihm, zumindest zum Teil, auf. Einer am Tatort gefundenen Pistole haftete am Verschluss und am Magazin DNA an – mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:225 Milliarden!

    Anwalt: Psychologische Tests leicht zu manipulieren

    Glauben Sie, dass der renommierte Sachverständige die falschen Methoden angewandt hat?

    Rubach: Der Sachverständige beruft sich in seinem Urteil zur Verhandlungsfähigkeit dieses Angeklagten auf die Verlässlichkeit seiner psychologischen Tests. Er vergisst, mitzuteilen, dass die psychologischen Persönlichkeitstests für Kranke konzipiert sind und nicht für Schwerverbrecher, die zu allem entschlossen sind. Und dass die Tests ohnehin mit Vorsicht zu genießen sind, weil sie leicht manipuliert werden können.

    Sie sind weiterhin der Ansicht, dass M. simuliert und bei den Tests seine Krankheit nur vortäuscht oder verschlimmert?

    Rubach: Genau das ist geschehen. Nach den mittlerweile allen Prozessbeteiligten vorliegenden Informationen soll der Angeklagte im normalen Gefängnisalltag hellwach sein. Regelmäßig soll er Zeitung lesen und Fernsehen schauen. Er soll sich gut artikulieren können, er zittere nur gelegentlich, abhängig davon, ob er sich beobachtet fühlt oder nicht. Er treibe täglich Sport und nehme seine Tabletten je nach Gusto.

    Die von dem Sachverständigen als echt attestierten Ausfallerscheinungen scheint er quasi wie auf Kommando in dem Moment zu entwickeln, in dem er in die Nähe des Gerichts gelangt. Das alles soll dem Sachverständigen entgangen sein? Insbesondere seine famosen testpsychologischen Gutachten, die ja grundsätzlich auch eine Glaubwürdigkeitsprüfung beinhalten müssen, sollten doch in der Lage sein, das Doppelleben des M. im Gefängnis zu entlarven. Das hat wohl nicht geklappt.

    Glauben Sie, dass sich auch M.s Verteidiger täuschen lassen?

    Rubach: Sollen die Manipulationen ihres Mandanten an ihnen völlig vorbeigegangen sein? Wenn nicht, dann wäre der Antrag, das Verfahren gegen M. wegen Verhandlungsunfähigkeit einzustellen, äußerst bedenklich.

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    14 Bilder
    Der Prozess um den Mord am Polizisten Mathias Vieth ist eines der größten Verfahren am Landgericht Augsburg gewesen. Die Bildergalerie zeigt seine Protagonisten.

    Interview: Holger Sabinsky-Wolf

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