Am Ende hat wohl der massive Druck von Partei- und Fraktionsführung gewirkt: Die beiden Hauptakteure in der Affäre um Politikergeschäfte mit Corona-Masken, der Mannheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel und sein CSU-Kollege Georg Nüßlein, haben weitere Konsequenzen gezogen.
Beide traten aus ihrer Partei aus. Löbel zog sich zudem umgehend aus dem Parlament zurück. "Um weiteren Schaden von meiner Partei abzuwenden, lege ich mein Bundestagsmandat mit sofortiger Wirkung nieder", teilte er mit. Dies verlangte die CSU erneut auch von ihrem Abgeordneten Nüßlein.
Die Führung der Unionsfraktion kündigte den Abgeordneten umfangreiche Maßnahmen an, um eine Wiederholung solcher Vorgänge zu verhindern. "Wir werden uns als Fraktion einen Verhaltenskodex geben, der über das, was rein rechtlich von Mitgliedern des Deutschen Bundestages erwartet wird, deutlich hinausgeht", heißt es in einem Schreiben von Fraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt an die Abgeordneten der Union. Es liegt der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor.
Löbel hatte eine Beteiligung an Geschäften mit Corona-Schutzmasken bestätigt. Seine Firma kassierte demnach Provisionen von rund 250 000 Euro für das Vermitteln von Kaufverträgen über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim. Der CDU-Politiker hatte sich zunächst aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurückgezogen. Am Wochenende kündigte er an, dass er seine Mitgliedschaft in der CDU/CSU-Fraktion sofort beenden, sein Bundestagsmandat Ende August niederlegen und nicht mehr für den nächsten Bundestag kandidieren werde.
Gegen Nüßlein ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Kauf von Masken. Nüßlein hatte zuerst sein Amt als Vizevorsitzender der Unionsfraktion ruhen lassen. Am Freitag kündigte sein Anwalt dann an, dass sich der 51-Jährige wegen der Korruptionsermittlungen aus der Bundespolitik zurückziehen und bei der Bundestagswahl nicht wieder antreten werde. Seinen Posten in der Fraktion lege er nieder.
Die Parteiführungen von CDU und CSU sowie die Fraktionsspitzen hatten am Wochenende massiven Druck auf die beiden Abgeordneten ausgeübt, sofort aus dem Bundestag auszuscheiden. "Wer als Volksvertreter versucht, in dieser Krise für sich persönlich Geld zu verdienen, muss das Parlament unverzüglich verlassen", sagte der CDU-Vorsitzende Armin Laschet dem "Südkurier". Unions-Fraktionschef Brinkhaus forderte am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" der ARD, "dass sie beide ihr Bundestagsmandat aufgeben".
Im Fall von Nüßlein bekräftigte die CSU nach dem Mandatsverzicht Löbels am Montag ihre Forderung: "Ich bin der festen Auffassung, dass ein klarer Schnitt besser ist als ein Verlängern", sagte Parteichef Markus Söder in München. Der Weg Löbels sei der eindeutig bessere. "Ich fände eine Mandatsaufgabe jetzt besser." Zum Parteiaustritt sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume am Montag: "Dieser Schritt war unausweichlich, auch um weiteren Schaden von der CSU abzuwenden."
Die Affäre trifft die Union zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Das Superwahljahr 2021 wird schon am kommenden Sonntag mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz seinen ersten Höhepunkt erleben. Nach dem ZDF-"Politbarometer" vom vergangenen Freitag droht der CDU eine Doppelpleite. In Baden-Württemberg könnte sie aus der grün-schwarzen Landesregierung von Winfried Kretschmann (Grüne) fliegen, in Rheinland-Pfalz wird sie wohl die rot-gelb-grüne Ampel von Malu Dreyer (SPD) nicht ablösen können.
In Berlin lautet die Devise: maximale Schadensbegrenzung. Man müsse jetzt "aufräumen" und zwar mit "null Toleranz", ist aus der Unionsfraktion zu hören. Aus der CDU hieß es am Montag, Löbel habe auch auf indirekten Druck Laschets auf sein Mandat verzichtet. Ihm sei aus dessen Umfeld mit einem Parteiausschluss gedroht worden.
Brinkhaus und Dobrindt kündigten in ihrem Brief an die Abgeordneten an: "Wir werden Maßnahmen ergreifen, um aufzuklären, ob weitere Bundestagsabgeordnete Geldleistungen für die Vermittlung von Schutzausrüstung oder ähnlichem entgegengenommen haben. Wer versucht hat, aus der pandemiebedingten Notsituation bei der Beschaffung von Schutzausrüstung einen finanziellen Vorteil zu ziehen, hat in unseren Reihen keinen Platz."
Weiter heißt es dort: "Wir werden innerhalb unserer Fraktion ein Anforderungs- und Sanktionsregime einführen, das klar definiert, welches Verhalten wir von einen CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten erwarten, welche Nebentätigkeiten mit der Mitgliedschaft in unserer Fraktion vereinbar sind und welche nicht." Die Fraktionsführung werde zudem umgehend Vorschläge für mehr Transparenz bei Nebentätigkeiten unterbreiten. "Darüber hinaus wollen wir den Grenzwert von 10 000 Euro, ab dem Parteispenden in den Rechenschaftsberichten der Parteien aufgeführt werden müssen, deutlich absenken."
Deutlich wird: Die Fraktionsspitze will durchgreifen, um dem - gerade im Wahlkampf fatalen - Eindruck entgegenzutreten, die Union sei ein korrupter Haufen. Auf Twitter liest sich das schon mal so: "Ihr seid doch der Verein von Schwarzen Kassen, Bimbes und Amigos."
Doch so schnell dürften CDU und CSU das Thema nicht los werden. Der Vizevorsitzende der Linksfraktion, Fabio De Masi, forderte am Montag, einen "Sonderermittler des Bundestages". Der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schlug dafür gleich Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) vor. Und FDP-Chef Christian Lindner riet CDU und CSU im "Frühstart" von RTL/n-tv, "einen Sonderermittler zu fordern, der mit besonderen Befugnissen und Akteneinsicht als unabhängige Persönlichkeit hier Transparenz und Klarheit schafft".
Transparenz will Gesundheitsminister Jens Spahn zumindest aufseiten des Bundestags schaffen. Er will die Namen aller Abgeordneten publik machen, die bei der Beschaffung von Corona-Schutzmasken gegenüber seinem Ministerium in Erscheinung getreten sind. "Wir wollen volle Transparenz in einem geordneten Verfahren ermöglichen", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Die Fraktionen von SPD und FDP schlossen für ihre Abgeordneten solche Geschäfte schon einmal aus. "Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es in der FDP-Fraktion Fälle unethischen Verhaltens wie in der Union oder auch nur Zweifelsfälle gibt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Florian Toncar den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
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