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Leben im Rausch: In künstlichen Paradiesen: Warum sich Künstler berauschen

Leben im Rausch

In künstlichen Paradiesen: Warum sich Künstler berauschen

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    Der französische Dichter Charles Baudelaire war selbst Konsument von Drogen und schrieb darüber.
    Der französische Dichter Charles Baudelaire war selbst Konsument von Drogen und schrieb darüber. Foto: Etienne Carjat / Wiki Commons

    Drogen und Künstler – landläufig wird damit die Pop- und Rockmusik in Verbindung gebracht. Die Meisten denken an Janis Joplin, Jimi Hendrix oder an die Rolling Stones. Dabei geht die historische Linie viel weiter zurück. Vom deutschen Dichter Friedrich Schiller (1759-1805) etwa ist bekannt, dass er faule Äpfel in seiner Schublade lagerte und sich an der Ausdünstung des Ethylens, einer Vorstufe des Trinkalkohols, beim Schreiben berauschte. Das jedenfalls verriet seine Frau Charlotte in einem Brief an Goethe.

    Die Realität reichte den Kunstschaffenden nicht mehr

    Ein anderer, der mit Rauschmitteln seine Fantasie zu beflügeln suchte und diese Erfahrung auch in seinen Werken festhielt, war der Schriftsteller Charles Baudelaire (1821 - 1867), einer der bedeutendsten französischen Lyriker der Moderne und Dichter der Dekadenz des französischen Bürgertums. Um zu verstehen, warum Baudelaire zu Rauschmitteln griff, ist ein Blick auf die historische Situation unerlässlich. Baudelaire schuf seine Werke Mitte des 19. Jahrhunderts, an der Schwelle zwischen der Romantik und der Moderne, ein Zeitalter, in dem sich auch das Verständnis von Kunst wandelte.

    Während die Künstler davor adelige oder kirchliche Auftraggeber hatten, waren sie ab dem 19. Jahrhundert frei in ihrem Schaffen. Im Gefolge dieser Autonomie wird aber auch ihr Kunstschaffen zunehmend subjektiv. Die Künstler schauen jetzt in sich hinein, ihre Werke muss nicht mehr jeder verstehen. Sie wollten nun neue Welten mit neuen Mitteln erschließen.

    Baudelaire nimmt den Leser mit auf einen Drogen-Trip

    Baudelaire versuchte, sein Bewusstsein zu verändern und seine Wahrnehmungen wiederzugeben. Dazu reizte er seine Sinne mit Haschisch und Opium, um Synästhesien zu erzeugen, das Ineinanderfließen von Sinneswahrnehmungen. In der Anfangszeit heroisierte der Dichter die Rauschmittel, wenn er in seinem Werk „Die künstlichen Paradiese“, das 1860 veröffentlicht wurde, schreibt: „Sehe ich einmal von Getränken ab, die rasch zur tätlichen Wut treiben und alle geistigen Kräfte lähmen, so sind unter den Drogen, die das, was ich das künstliche Ideal nenne, zu erzeugen im Stande sind, Haschisch und Opium die beiden wirksamsten Substanzen.“ In seinem Prosagedicht „Das doppelte Zimmer“ nimmt er den Leser mit auf einen Trip; gleichzeitig zeigt das Poem aber auch eine Wende im Verhältnis Baudelaires zu den Drogen.

    Als der Rausch einsetzt, beschreibt er „eine ruhende Atmosphäre, die in Pink und Blau getönt ist“. Die Möbel scheinen mit Leben gefüllt zu sein, „wie Gemüse oder Mineralien“, und „das Mulltuch regnet vor dem Fenster und dem Bett; es läuft über in einen schneereichen Wasserfall“. „Die Zeit ist verschwunden“, schreibt Baudelaire. Es regiert eine Ewigkeit der Freude. Der „paradiesische Raum“ löst sich jedoch abrupt auf, als es an der Tür klopft. Baudelaire empfindet das Klopfen als einen „schrecklich heftigen Schlag“, als hätte ihn jemand „mit einer Spitzhacke im Magen“ getroffen. Der Rausch ist vorbei. „Horror! Ich erinnere mich an mich selbst!“

    Das Zimmer erscheint nun in einem anderen Licht: „Dieser Wohnraum der ewigen Langeweile ist in der Tat der meine. Hier sind die dummen (…) Möbel (…)“. Es bleibt nur ein Trost: „In dieser so engen, mit Ekel erfüllten Welt, lächelt mich nur ein Gegenstand an: das Laudanium-Fläschchen“ – welche die Opium-Tinktur enthält. Nach dem anfänglichen Hoch fällt der Dichter in ein emotionales Loch.

    Die Schattenseite des Drogenrauschs

    Der Dichter erkennt die Schattenseite des Drogenrausches: „Was ist das für ein Paradies, das man um den Preis seines Heils erkauft?“, fragt er in „Die künstlichen Paradiese“. Charles Baudelaire ist nur einer von vielen Literaten, die die Wirkung berauschender Substanzen testen. Ein Beispiel aus Deutschland ist der Philosoph und Essayist Walter Benjamin. Er erprobte 1927 in Berlin die Wirkung von Haschisch und notierte seine Gedankengänge in seinem Werk „Über Haschisch“. Er schreibt: „Man geht die gleichen Wege des Denkens wie vorher. Nur sie scheinen mit Rosen bestreut.“ Später weicht aber auch er von der positiven Assoziation ab.

    Dass Rauschmittel für das kreative Schaffen oder das Erschaffen von etwas Neuem relevant sind, verneint der Kreativitätsforscher Rainer Holm-Hadulla, Professor an der Universität Heidelberg und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.

    Drogen zerstören die künstlerische Gabe

    Holm-Hadulla beschreibt mehrere Phasen der Kreativität. Eine davon ist die Ideenfindung, die einzige Phase, in der Drogen beim kreativen Schaffen helfen könnten, sagt er. Die sei aber relativ unwichtig, weil der Mensch sowieso ständig Ideen produziere. „Auch bei Alkohol- und Drogenkonsumenten entstehen kreative Leistungen, dann aber zumeist nicht wegen, sondern trotz des Konsums“, sagt Holm-Hadulla. Künstler würden einen Fehler begehen, wenn sie während des Schaffensprozesses Drogen nähmen. Denn Kreativität habe viel mit Begabung, Wissen, Können und Widerstandsfähigkeit zu tun. Das Gehirn und die Psyche bräuchten ruhige Freiräume – beim Spaziergang oder Sport zum Beispiel –, damit das Erlebte und Gelernte neu kombiniert und etwas Originelles kreiert werden könne.

    „Diese Freiräume gehen aber oft mit Unlustgefühl einher“, sagt Holm-Hadulla. Künstler würden in dieser Zeit manchmal zu Drogen greifen, um diese quälende Situation zu unterbrechen. Das Einzige aber, was sie damit unterbrächen, sei der künstlerische Prozess. „Auf Dauer wird so die künstlerische Gabe ausgebrannt.“ Was die Öffentlichkeit auch in jüngerer Zeit an Künstlern wie den Musikern Kurt Cobain oder Amy Winehouse beobachten konnte. Zu dieser Erkenntnis kam auch Charles Baudelaire in seiner Schrift über „Die künstlichen Paradiese“. Er schrieb: „Was nützt die künstlich maximierte künstlerische Einbildungskraft, wenn die Droge zugleich die Fähigkeit schwächt, die Gabe zu nutzen?“

    Dieser Artikel ist Teil eines Themenschwerpunkts. Zwölf Nachwuchsjournalisten der Günter Holland Journalistenschule haben sich dem sensiblen Thema "Leben im Rausch" gewidmet. Ihre Artikel, Videos, Karten, Bildergalerien und Grafiken finden Sie hier.

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