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Wirbel um Fotos: Kritik an Özil & Gündogan: Von Erdogan "missbrauchen lassen"

Wirbel um Fotos

Kritik an Özil & Gündogan: Von Erdogan "missbrauchen lassen"

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    Recep Tayyip Erdogan (2.v.r.) und Ilkay Gündogan (l), Mesut Özil (2.v.l.) und Cenk Tosun.
    Recep Tayyip Erdogan (2.v.r.) und Ilkay Gündogan (l), Mesut Özil (2.v.l.) und Cenk Tosun. Foto: AP , dpa

    Kurz vor der WM-Nominierung haben sich Mesut Özil und Ilkay Gündogan durch einen Auftritt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mächtig Ärger eingehandelt.

    Fotos der deutschen Fußball-Nationalspieler mit dem Politiker in einem Hotel in London sorgten für großen Wirbel. DFB-Chef Reinhard Grindel reagierte mit harscher Kritik, Teammanager Oliver Bierhoff äußerte Unverständnis und kündigte eine Aussprache mit dem Duo an. Auch deutsche Politiker und die Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierten die Mittelfeldspieler. Am Dienstag will Bundestrainer Joachim Löw das vorläufige Aufgebot für die WM in Russland bekannt geben.

    Nach einem Putschversuch im Sommer 2016 hatte Erdogan einen Ausnahmezustand in der Türkei verhängt. Grundrechte sind darunter eingeschränkt, Erdogan kann weitestgehend per Dekret regieren. Er ging rigoros gegen Kritiker vor. Mehr als 100,000 Staatsbedienstete wurden suspendiert oder entlassen.

    DFB-Präsident Grindel reagiert verstimmt

    "Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund", teilte DFB-Präsident Grindel via Twitter mit. "Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden". Die in Deutschland aufgewachsenen, türkisch-stämmigen Profis hätten sich für ein Wahlkampfmanöver "missbrauchen lassen".

    Özil und Gündogan ließen sich nicht nur gemeinsam mit dem Politiker ablichten, sondern überreichten ihm zudem Trikots ihrer Clubs FC Arsenal und Manchester City. Özil sendete zudem einen Tweet, der ihn offenbar bei dem Treffen mit Gündogan und dem ebenfalls türkisch-stämmigen Cenk Tosun vom FC Everton zeigt und schrieb auf englisch "in guter Gesellschaft heute Abend", versehen mit einem zwinkernden Gesicht sowie der deutschen und türkischen Fahne.

    Auf dem Trikot steht: "Für meinen verehrten Präsidenten - hochachtungsvoll"

    Auf dem Trikot, das Gündogan an Erdogan überreicht, steht handschriftlich über der Signatur auf türkisch: "Für meinen verehrten Präsidenten - hochachtungsvoll". Bisher gab es vorerst keine Reaktion auf den Wirbel von den Spielern oder durch ihr Management. Erdogan will sich am 24. Juni erneut zum Präsidenten wählen lassen. Um Wahlkampf zu machen, hielt er sich in London auf.

    DFB-Teammanager Oliver Bierhoff kündigte eine Aussprache mit den Spielern an, die fixe Kandidaten der DFB-Elf für die WM in Russland sind. "Die beiden waren sich der Symbolik und Bedeutung dieses Fotos nicht bewusst, aber natürlich heißen wir die Aktion nicht gut und besprechen das mit den Spielern", sagte Bierhoff, betonte jedoch auch: "Ich habe nach wie vor überhaupt keine Zweifel an Mesuts und Ilkays klarem Bekenntnis, für die deutsche Nationalmannschaft spielen zu wollen und sich mit unseren Werten zu identifizieren."

    Auch sportpolitisch ist der Auftritt pikant, da die Türkei einziger DFB-Konkurrent um die Ausrichtung der EM 2024 ist, die am 27. September von der UEFA vergeben wird.

    Heftige Kritik kommt von Cem Özdemir

    Von deutschen Politikern erhielten die beiden Spieler viel Kritik. "Das, was die zwei da vorgelegt haben, spottet jeder Beschreibung, das geht gar nicht", sagte der Grünen-Politiker Cem Özdemir. "Ich erwarte von den beiden, dass sie sich jetzt klar äußern, sich distanzieren." Sie hätten sich "hergegeben für eine billige Propagandashow für einen Despoten, für einen autoritären Herrscher".

    Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU im Bundestag, Stefan Müller, zeigte sich "sehr" irritiert. "Spieler unserer Nationalmannschaft sollten sich genau überlegen, ob sie sich wirklich von einem Autokraten so im Wahlkampf instrumentalisieren lassen wollen", schrieb er.

    Die AfD-Politikerin Alice Weidel findet, Özil und Gündogan sollten nicht zum deutschen Kader für die Fußball-WM gehören. Die Vorsitzende der Bundestagsfraktion schrieb auf Facebook: "Gündogan & Özil zuhause lassen!"

    Die stellvertretende Linksfraktionschefin Sevim Dagdelen warf den beiden ein grobes Foul vor. "Im Londoner Luxushotel mit dem Despoten Erdogan zu posieren und ihn auch noch als "meinen Präsidenten" zu hofieren, während in der Türkei Demokraten verfolgt und kritische Journalisten inhaftiert werden, ist ein grobes Foul", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, meinte, Profisportler sollten ihre Bekanntheit lieber dazu nutzen, um sich für die inhaftierten Journalisten in der Türkei einzusetzen.

    Besonders Özil hatte bislang politische Statements stets bewusst vermieden. Für Aufregung hatte 2010 ein Foto gesorgt, dass ihn mit nacktem Oberkörper an der Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Umkleidekabine nach dem Länderspiel gegen die Türkei in Berlin zeigte. Auch seine Pilgerreise nach Mekka vor der WM 2014 hatte für Schlagzeilen gesorgt. Gündogan gilt in Fußballerkreisen als Persönlichkeit, die sich profund auch zu gesellschaftlichen Themen äußern kann. (dpa)

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