Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine droht zu eskalieren, die internationale Krisendiplomatie läuft deshalb auf Hochtouren. Deutschland und Frankreich boten sich am Dienstag nach einer Konfrontation an der Halbinsel Krim als Vermittler an. Die Ukraine hatte als Reaktion auf das russische Vorgehen beschlossen, erstmals das Kriegsrecht anzuwenden. Unklarheit herrschte allerdings über den Beginn der auf 30 Tage begrenzten Sondervollmachten für das Militär.
Das Kriegsrecht gilt etwa in den Grenzregionen zu Russland. Weil der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinen Erlass mehrfach abänderte, war unklar, ob das Kriegsrecht bereits seit Montag gilt oder ob es erst an diesem Mittwoch in Kraft tritt. Die amtliche Fassung des Erlasses war am Dienstagabend noch nicht veröffentlicht. Es solle keine Auswirkungen auf die angepeilte Präsidentenwahl haben, die am 31. März stattfinden soll, hatte Poroschenko versprochen.
Kreml warnt vor einer Eskalation in der Ostukraine
Moskau sieht das anders. Der Kreml warnte vor einer Eskalation der Lage in der Ostukraine. Mit dem Kriegsrecht könnten die Spannungen in der von Separatisten kontrollierten Konfliktregion weiter zunehmen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Vor dem Hintergrund der geplanten Wahlen sei ein solcher Schritt aber leicht zu durchschauen.
Im Ringen um eine Lösung des Konflikts wies Moskau postwendend den deutsch-französischen Vermittler-Vorschlag zurück. Die russischen und ukrainischen Behörden könnten die Probleme selbst diskutieren, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Sein deutscher Kollege Heiko Maas mahnte: "Wir müssen alles für eine Deeskalation tun, um zu verhindern, dass aus diesem Konflikt eine noch schwerere Krise für die Sicherheit in Europa wird."
Diese Sorge teilen viele westliche Länder, die EU und auch die Nato. Der Tenor ihrer Reaktionen ist deshalb ähnlich: Man sei tief besorgt, eine weitere Eskalation müsse vermieden werden. UN-Generalsekretär António Guterres forderte, Russland und die Ukraine müssten sich "maximal zurückhalten" und sofort Schritte zur Reduzierung der Spannungen unternehmen. Danach sieht es aber erstmal nicht aus.
Russland verhängt Untersuchungshaft gegen Matrosen aus der Ukraine
Die russische Küstenwache hatte am Sonntag zwei Patrouillenboote und einen Schlepper der ukrainischen Marine mit Gewalt daran gehindert, vom Schwarzen Meer in das Asowsche Meer durchzufahren. Russland betrachtet die Meerenge von Kertsch als sein Hoheitsgebiet, auch wenn ein Vertrag von 2003 der Ukraine freie Durchfahrt garantiert. Die Besatzungen wurden von russischen Grenzern festgesetzt.
Ein russisches Gericht in Simferopol auf der Krim verhängte am Dienstag gegen die ersten dieser Seeleute zwei Monate Untersuchungshaft. Ihnen wird illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Damit drohen ihnen bei einem Prozess in Russland bis zu sechs Jahre Haft. Für diesen Mittwoch stehen weitere Verhandlungen an.
An Bord der festgesetzten Schiffe hielten sich auch Offiziere des ukrainischen Geheimdienstes auf. Gemäß Gesetz hätten sie den Seestreitkräften "nachrichtendienstlich" geholfen, teilte die Behörde in Kiew mit. Einer der Geheimdienstoffiziere sei vor der Festnahme von einer "ungelenkten Rakete" schwer verletzt worden.
Internationaler Appell an Russland, die Matrosen freizulassen
International ging der Appell an Russland, die Matrosen freizulassen. "Die festgesetzten Schiffe und Matrosen sind freizusetzen", sagte etwa Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. "Die Ukraine muss Belege zum genauen Hergang auch vorlegen." Der Kreml verwies auf die Unabhängigkeit des Gerichts. Russland hatte sich vor vier Jahren die ukrainische Halbinsel einverleibt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am späten Montagabend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert, nachdem sie vorher mit dem ukrainischen Staatschef Petro Poroschenko gesprochen hatte. "Die Bundeskanzlerin betonte die Notwendigkeit von Deeskalation und Dialog", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.
Putin selbst will sich erst in den nächsten Tagen öffentlich zu den neuerlichen Spannungen äußern. "Der Präsident wird dies tun, wenn er es für notwendig hält", sagte sein Sprecher. Es sei aber eine sehr ernste Angelegenheit für ihn. Eine Gelegenheit könnte sich am kommenden Wochenende beim G20-Gipfel in Argentinien bieten. (dpa)