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Grimme-Preis 2017: "GoslingGate": Grimme-Preise 2017 gehen an Böhmermann und NSU-Trilogie

Grimme-Preis 2017

"GoslingGate": Grimme-Preise 2017 gehen an Böhmermann und NSU-Trilogie

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    Jan Böhmermann ist mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet worden.
    Jan Böhmermann ist mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Foto: Rolf Vennenbernd (dpa)

    Beklemmende Reportagen, anspruchsvolle TV-Filme: Fernsehstoffe von gesellschaftlicher Brisanz zählen zu den großen Gewinnern der diesjährigen Grimme-Preise. Welche 15 Produktionen und Einzelleistungen unter den 81 Nominierungen ausgewählt wurden, gab das Grimme-Institut am Mittwoch in Essen bekannt. Unter den Preisträgern sind fast ausnahmslos öffentlich-rechtliche Sendeanstalten.

    Anna Maria Mühe mit ihrem Grimme-Preis in Essen.
    Anna Maria Mühe mit ihrem Grimme-Preis in Essen. Foto: Caroline Seidel (dpa)

    Die begehrten Preise für Qualitätsfernsehen gehen 2017 unter anderen an die Macher des ersten Teils der ARD-Spielfilm-Triologie "Mitten in Deutschland" über den rechtsterroristischen NSU mit Anna Maria Mühe als Beate Zschäpe. Mit einem Spezialpreis geehrt wird Produzentin Gabriela Sperl, die für das Gesamtkonzept des aufrüttelnden Mehrteilers verantwortlich zeichnet. Auch die filmische Auseinandersetzung mit der kühl-brutalen Arbeitswelt der Finanzbranche ("Dead Man Working", HR/ARD Degeto) ist der Jury einen der fünf Preise in im "Wettbewerb Fiktion" wert.

    Mit der Auszeichnung der Mystery-Webserie "Wishlist" von RB, MDR und Funk, der gemeinsamen Jugend-Onlineplattform von ARD und ZDF, zeigt sich die Öffnung des Grimme-Preises für crossmediale Formate: Die bei Youtube zuerst ausgestrahlte Jugendserie über eine Smartphone-App, die Wünsche erfüllt, gewinnt einen von drei Preisen im "Kinder- und Jugendwettbewerb". Die ARD-Vorsitzende Karola Wille sagte, es freue sie besonders, dass damit auch ein Format von Funk bereits kurz nach dem Start des neuen jungen Angebots von der Jury für preiswürdig befunden wurde.

    Zwei würdige Preisträger ermittelte die Kommission in der Kategorie Unterhaltung, darunter auch die einzige in diesem Jahr preisgekrönte Produktion eines Privatsenders: ProSieben räumt für den Late-Night-Talk "Applaus und Raus" mit Oliver Polak einen Grimme-Preis ab. Wie schon im Vorjahr stärkte die Grimme-Jury auch dem TV-Satiriker Jan Böhmermann den Rücken mit einem Spezialpreis: Er und sein Team werden ausgezeichnet für ihre "engagierte Beobachtung und kluge Reflexion des laufenden Fernsehprogramms".

    Die Böhmermann-Affäre im Überblick

    Jan Böhmermanns Gedicht über den türkischen Präsidenten hat hohe Wellen geschlagen. Was bisher geschah:

    31. März: Der Satiriker benutzt in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" im Gedicht «Schmähkritik» über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen. Er will damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen erlaubter und verbotener Satire zeigen.

    1. April: Das ZDF gibt bekannt, dass der Beitrag aus der Mediathek gelöscht und nicht wie vorgesehen wiederholt wird.

    3. April: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als "bewusst verletzend".

    10. April: Es wird bekannt, dass die Türkei in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt rechtliche Schritte gegen Böhmermann verlangt.

    15. April: Die Bundesregierung gibt den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch frei.

    16. April: Böhmermann kündigt "eine kleine Fernsehpause" an.

    22. April: Merkel bezeichnet ihre Äußerung, Böhmermanns Gedicht sei "bewusst verletzend", als Fehler. Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass ihre persönliche Bewertung etwas zähle.

    3. Mai: Böhmermann kritisiert in der Wochenzeitung Zeit Angela Merkel: "Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit geht." Erdogan nennt darin er einen "nervenkranken Despoten".

    12. Mai: Der Moderator kehrt mit seiner Sendung "Neo Magazin Royale" zurück.

    17. Mai: Das Landgericht Hamburg erlässt auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann. Der Moderator darf seine "Schmähkritik" zu großen Teilen nicht öffentlich wiederholen. Böhmermann will die einstweilige Verfügung nicht akzeptieren.

    27. Mai: Ein Satz aus "Neo Magazin 4Royale" löst Spekulationen über Böhmermanns Zukunft beim ZDF aus. Zu seinem Gast Steven Gätjen sagt er: "Du hast gerade den Sprung geschafft vom Privatfernsehen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hab' ja demnächst vor, das andersrum zu machen." Doch schiebt er nach: "Nein, ist ein Spaß."

    2. Juli: Erdogan will das Gedicht komplett verbieten lassen. Erdogans Anwalt reicht daher eine Privatklage beim Hamburger Landgericht ein. Die Verhandlung ist für den 2. November dieses Jahres vorgesehen.

    30. Juli: Erdogan kündigt an, seine Strafanzeigen wegen Beleidigung des Staatspräsidenten zurückzuziehen. Später wird allerdings klargestellt, dass dies für die Klagen in Deutschland nicht gilt.

    4. Oktober: Die Staatsanwaltschaft Mainz gibt die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann bekannt. Es seien "strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".

    10. Oktober: Wie die Staatsanwaltschaft in Mainz offiziell erklärt, hat der Anwalt Erdogans Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann eingelegt. Diese wird in Koblenz geprüft.

    Ausgezeichnete journalistische Formate stammen ebenso ausnahmslos von öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, meist sind die Inhalte hochaktuell: Der NDR wird etwa für eine Reportage über Abschiebung von Asylbewerbern ausgezeichnet ("45 Min: Protokoll einer

    AZ/dpa

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