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Finanzaffäre: Landsberger Kämmerer geht in die Offensive

Finanzaffäre

Landsberger Kämmerer geht in die Offensive

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    Das Geld zum Rathausfenster hinausgeschmissen? Nach riskanten Zinsderivatgeschäften fehlen der Stadt Landsberg rund zwei Millionen Euro.
    Das Geld zum Rathausfenster hinausgeschmissen? Nach riskanten Zinsderivatgeschäften fehlen der Stadt Landsberg rund zwei Millionen Euro. Foto: Fotomontage: Dieter Mitulla

    Manfred Schilcher wehrt sich. Der Kämmerer der Stadt Landsberg widerspricht in einer persönlichen Stellungnahme den Vorwürfen, er habe Oberbürgermeister und Stadtrat nicht über die Zinstauschgeschäfte informiert, die zum jetzigen Zeitpunkt einen Schaden in Höhe von zwei Millionen Euro verursacht haben. Er habe sie zudem im „besten Glauben an die vollständige Rechtmäßigkeit“ getätigt. Ingo Lehmann hat mittlerweile seine Disziplinarbefugnisse als Vorgesetzter des Kämmerers an die Landesanwaltschaft Bayern übergeben.

    In einer nicht öffentlichen Sitzung hatte der Oberbürgermeister am Mittwochabend den Stadtrat informiert. Anwesend war neben Kämmerer Schilcher auch Rechtsanwalt Martin Hoffschmidt von der Münchner Wirtschaftskanzlei Becker Büttner Held, die im Auftrag Lehmanns die strittigen Finanzgeschäfte untersucht hatte. Die Kanzlei hatte laut Oberbürgermeister die Unzulässigkeit von vier Zinstauschgeschäften festgestellt. Zudem sei die Kämmerei von einer Münchner Privatbank falsch beraten worden.

    Der momentane Schaden beträgt rund zwei Millionen Euro, sagte Lehmann gestern bei einer Pressekonferenz. Dieser Zinsverlust sei seit 2008 im Haushalt berücksichtigt gewesen, ein Rest von 800 000 Euro sei in den Haushalt des nächsten Jahres eingeplant. Daher sei weder ein Nachtragshaushalt erforderlich, noch sei die Wirtschaftskraft der Stadt beeinträchtigt. Da ein Teil der Finanzgeschäfte bis ins Jahr 2034 läuft, seien weitere finanzielle Verluste, je nach Entwicklung am Markt, aber auch Gewinne möglich.

    Wie das Finanzdebakel für die Stadt aufgeklärt werden soll, darüber herrschte im Stadtrat weitgehende Einigkeit. In der nächsten Sitzung des Gremiums, vermutlich am 11. Januar, soll der Stadtrat als Dienstherr der Kämmerei die Prüfung der Angelegenheit an die Landesanwaltschaft Bayern übertragen. „Ob und gegen wen ermittelt wird, lassen wir offen“, sagte Dieter Völkel (SPD) gegenüber dem Landsberger Tagblatt.

    Die Grünen und die UBV möchten allerdings einen Schritt weiter gehen und gleich prüfen lassen, inwieweit Oberbürgermeister Ingo Lehmann in die Verantwortung zu ziehen ist. „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, sagt Ludwig Hartmann (Grüne). Es sei jetzt zu einfach, alles auf den Kämmerer abzuwälzen. Neben dem OB müssten sich auch die Stadträte kritische Fragen gefallen lassen.

    Manfred Schilcher weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass er den Oberbürgermeister „im Rahmen des allgemeinen Geschäftsgangs laufend unterrichtet“ und den Verwaltungs- und Finanzausschuss in mehreren Sitzung über „alle Einzelheiten“ in Kenntnis gesetzt habe. Wie in den Sitzungsprotokollen vermerkt wurde, hatten Stadträte der Grünen und der UBV vor allem nach Bekanntwerden riskanter Zinstauschgeschäfte in anderen Kommunen im Frühjahr vergangenen Jahres mehr Informationen gewünscht. Ludwig Hartmann hatte in der Sitzung des Finanzausschusses am 10. Februar 2010 beantragt, die bereits abgeschlossenen Geschäfte öffentlich zu machen. Der Antrag wurde abgelehnt. Am 24. Juni 2009  hatten Hartmann und Dr. Reinhard Steuer (UBV) gefordert, konkrete Zahlen zu den  Derivatgeschäften vorzulegen.

    Für Ludwig Hartmann hätte Ingo Lehmann auch schon früher auf die riskanten Finanzgeschäfte aufmerksam werden müssen. Kritische Anmerkungen von Stadträten habe es auch schon im Jahr 2008 gegeben. Im September 2009 fasste der Finanzausschuss den einstimmigen Beschluss, dass die Aufnahme zusätzlicher Kredite in das Derivate-Portfolio genehmigungspflichtig ist. Über die weitere Entwicklung solle alle drei Monate berichtet werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er der Kämmerei genauer auf die Finger schauen sollen.

    Überrascht von der Entwicklung zeigte sich Haushaltsreferent Harry Reitmeir (CSU). Er treffe sich regelmäßig alle vier bis sechs Wochen mit Vertretern der Kämmerei. Zinstauschgeschäfte seien dabei höchstens zwei Mal im Jahr kurz gestreift worden.

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