Wegen der gegen ihn laufenden Korruptionsermittlungen im Zusammenhang mit Coronamasken-Geschäften zieht sich der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein aus der Bundespolitik zurück.
Sein Anwalt kündigte am Freitag an, dass der 51-Jährige bei der Bundestagswahl im September nicht erneut kandidieren werde. Nüßlein legte auch das Amt als Vizevorsitzender der Unionsfraktion nieder, das er zunächst ruhen gelassen hatte.
Inzwischen wurde bekannt, dass noch mehr Abgeordnete in Maskengeschäfte verwickelt sind. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak reagierte scharf, sprach von "Bereicherung" und forderte eine schnelle Aufklärung. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verurteilten die Maskengeschäfte scharf. CSU-Generalsekretär Markus Blume nannte Nüßleins Schritt eine "absolut notwendige und folgerichtige Entscheidung".
Nüßleins Rechtsanwalt wies die gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe erneut zurück. Nüßlein selbst sagte, die Untersuchungen der Generalstaatsanwaltschaft München stellten für seine Familie und die Christsozialen "eine ganz erhebliche Belastung" dar. Seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur begründete er so: "Aufgrund des komplexen Sachverhalts mit Auslandsbezug rechne ich nicht damit, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen abgeschlossen sind."
Gegen den Parlamentarier wird wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Ankauf von Coronamasken ermittelt. Die Ermittler hatten deswegen in der vergangenen Woche 13 Objekte in Deutschland und in Liechtenstein durchsuchen lassen, darunter auch Nüßleins Büro im Bundestag sowie sein Wahlkreisbüro im schwäbischen Günzburg.
Inzwischen hat der Mannheimer CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel eine Beteiligung an Maskengeschäften bestätigt und Fehler eingeräumt. "Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen", teilte er am Freitag auf Anfrage mit. "Diesen Fehler mache ich mir selbst zum Vorwurf." Als Konsequenz zog sich Löbel aus dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestags zurück.
Löbels Firma hatte nach dessen Darstellung Provisionen in Höhe von rund 250 000 Euro kassiert, weil sie Kaufverträge über Masken zwischen einem baden-württembergischen Lieferanten und zwei Privatunternehmen in Heidelberg und Mannheim vermittelt hatte. Es habe sich hierbei um eine "nach dem Marktüblichen bemessene Vergütung" für die Projektmanagement-GmbH gehandelt, teilte Löbel mit. Er habe für die GmbH gehandelt und nicht in Ausübung seines Mandates.
Laut "Spiegel" könnten sich fast zwei Dutzend Abgeordnete in das Geschäft mit Masken eingeschaltet haben, sei es durch das Werben für Lieferanten beim Bund oder durch den Einsatz dafür, dass die Unternehmen ihr Geld bekommen. Außer Löbel haben demnach aber alle Politiker bestritten, Provisionen oder andere Gegenleistungen erhalten zu haben.
Brinkhaus und Dobrindt schrieben am Freitag an alle Abgeordneten der Unionsfraktion: "Wir sagen daher sehr deutlich, das Beziehen von Geldleistungen für die Vermittlung von medizinischer Schutzausrüstung im Rahmen der Pandemiebekämpfung von Abgeordneten stößt auf unser vollkommenes Unverständnis und wird von uns entschieden verurteilt." Sie erwarteten, dass solche Sachverhalte vollkommen transparent dargestellt und aufgeklärt würden. "So ein Verhalten entspricht nicht unseren Standards, schadet dem Ansehen der Politik insgesamt und ist nicht zu akzeptieren."
CDU-Generalsekretär Ziemiak schrieb dazu auf Twitter: "Ich empfinde es als zutiefst unanständig, dass sich Parlamentarier mit der Masken-Beschaffung in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bereichert haben." Und: "Als Generalsekretär der CDU erwarte ich, dass dieses Fehlverhalten aufgeklärt und vollständig aus der Welt geschafft wird. Nicht irgendwann, sondern jetzt." Es könne nicht sein, "dass Einzelne die ganze Union und die harte Arbeit aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung in Verruf bringen."
Die Vorgänge wurden am Freitag auch in einer Aktuellen Stunde im Bundestag diskutiert. "CDU und CSU stehen in der Verantwortung, ihren Laden aufzuräumen", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann. "Sie stehen in der Verantwortung, diesen schwarzen Filz aufzuklären." Ihr FDP-Kollege Marco Buschmann sagte: "Es kostet uns Vertrauen, wenn der Eindruck entsteht, dass hier einige sich die Taschen vollmachen anstatt für das Wohl des deutschen Volkes zu arbeiten."
Kritik kam auch von der SPD. Bei der Union gebe es mittlerweile eine ganze Reihe solcher Fälle, sagte deren Abgeordneter Dirk Wiese. "Das ist nicht tragbar. Und man kann mittlerweile in Ihren Reihen nicht mehr von Einzelfall sprechen. Das ist System." Er erwarte, dass dies vollumfänglich aufgeklärt werde.
Im Fall Nüßlein wurde mittlerweile bekannt, dass es um Bestellungen unter anderem des Bundesgesundheitsministeriums und des bayerischen Gesundheitsministeriums geht. Der ehemalige bayerische Justizminister Alfred Sauter hat erklärt, dass er in diesem Zusammenhang als Rechtsanwalt einen Vertrag für ein Maskengeschäft mit dem Ministerium in München erstellt habe. Sauter sitzt im bayerischen Landtag und ist CSU-Kreisvorsitzender in Nüßleins Heimatlandkreis Günzburg.
Nüßlein war nach Angaben seines Anwalts Gero Himmelsbach über ein eigenes Beratungsunternehmen vor knapp einem Jahr an der Bestellung von FFP2-Masken durch öffentliche Stellen beteiligt. Er habe "mehrfach Kontakte zwischen den Beschaffungsstellen des Bundes und potenziellen Auftragnehmern" hergestellt.
"Aufgrund langjähriger Kontakte zu einem chinesischen Anbieter gelang es Dr. Nüßlein in schwierigen Tagen, dass qualitativ hochwertige Masken in der erforderlichen Stückzahl geliefert werden konnten", sagte Himmelsbach. Hierfür habe Nüßleins Beratungsunternehmen eine Vergütung erhalten. Dieser sei aber nicht an Entscheidungen zur Beauftragung von Lieferungen oder an Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen. Die Vorgänge hätten auch nicht die parlamentarische Tätigkeit berührt. "Die Vorwürfe der Bestechung werden deshalb entschieden zurückgewiesen."
Auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung wies der Anwalt zurück. Berichte, wonach die Einnahmen nicht als Einkommen versteuert worden seien, seien falsch. "Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft geht vielmehr dahin, dass keine Umsatzsteuer deklariert worden sei", sagte der Anwalt. Eine Umsatzsteuer, auch als Mehrwertsteuer bekannt, sei aber nicht berechnet oder eingenommen worden. Nüßleins Steuerberater habe bestätigt, dass die Vermittlung umsatzsteuerfrei gewesen sei.
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