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Augsburg: Richter über Polizistenmörder: Er soll nie wieder freikommen

Augsburg

Richter über Polizistenmörder: Er soll nie wieder freikommen

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    Rudolf Rebarczyk hat für den Mord an den Augsburger Polizisten Mathias Vieth die Höchststrafe bekommen.
    Rudolf Rebarczyk hat für den Mord an den Augsburger Polizisten Mathias Vieth die Höchststrafe bekommen. Foto: Fred Schöllhorn

    Um 9.22 Uhr schließt sich die Tür für Rudolf Rebarczyk. Wahrscheinlich für immer. Sechs kräftige Beamte des Polizei-Unterstützungskommandos in schwarzer Uniform führen den zweifachen Polizistenmörder aus dem Gerichtssaal ab. Der 58-Jährige hat kurz zuvor seinem Ruf als aggressiver Schwerverbrecher wieder einmal alle Ehre gemacht.

    Der Vorsitzende Richter Christoph Wiesner hat gerade erst mit der Urteilsverkündung begonnen. Als er auf den älteren Bruder Raimund M. zu sprechen kommt, plärrt Rebarczyk dazwischen: „Ich will jetzt den Saal verlassen. Ich kann die Ausführungen nicht mehr ertragen. Sie beugen nicht nur das Recht, Sie brechen es.“ Das Urteil nennt er eine „Kloake“. Es habe nichts mit einem Rechtsstaat zu tun. (Liveticker von der Urteilsverkündung zum Nachlesen)

    Gericht lässt den Polizistenmörder abführen

    Das Schwurgericht reagiert erstaunlich gelassen. Christoph Wiesner lehnt sich zurück, schaut zum Angeklagten und sagt: „Herr Rebarczyk, Sie sind so leicht auszurechnen.“ Die Kammer habe schon mit solchen Ausfällen gerechnet und vorab darüber beraten. Spricht’s, liest den passenden Gerichtsbeschluss dazu gleich vor und lässt den Polizistenmörder abführen.

    Die Urteilsbegründung kann dann in Ruhe stattfinden. Rebarczyk hat zur Überzeugung des Gerichts in der Nacht zum 28. Oktober 2011 den Augsburger Polizeibeamten Mathias Vieth mit einem Kalaschnikow-Gewehr kaltblütig hingerichtet. Minutiös vollziehen die Richter die grauenhaften Geschehnisse jener Nacht nach: Wie die Brüder sich mit einem gestohlenen Motorrad am Kuhsee-Parkplatz treffen und einen Überfall planen, die Polizeistreife vorbeikommt und eine wilde Verfolgungsjagd beginnt. Wie die Täter stürzen,

    Wie Rudolf Rebarczyk dann zu dem wehrlosen Mathias Vieth hingeht und ihn mit einer Salve von fünf Schüssen aus der Kalaschnikow tötet. Richter Wiesner sagt, Rebarczyk habe aus „abgrundtiefem Hass auf die Polizei und den Staat“ gehandelt. Vieths Kollegin wird von einer Kugel beinahe ins Rückenmark getroffen, sie hat aber riesiges Glück. Das Projektil wird vom Reservemagazin abgefangen.

    Schon 36 Jahre zuvor, im März 1975, hatte der Angeklagte unter sehr ähnlichen Umständen einen Polizisten nahe einer Augsburger Autobahnraststätte erschossen. Dass ein Täter zwei Polizisten ermordet, dürfte einmalig in der deutschen Rechtsgeschichte sein.

    Die Fülle der belastenden Indizien ist erdrückend

    Daher greift das Gericht auch zur höchsten Strafe, die das deutsche Recht vorsieht: lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. Ein Jahr lang hat das Augsburger Schwurgericht mehr als 200 Zeugen und ein Dutzend Gutachter befragt, um eines der spektakulärsten Verbrechen der vergangenen Jahre in Bayern aufzuarbeiten. Genau für solche Fälle gibt es die Sicherungsverwahrung

    Heraus kommt eine Fülle belastender Indizien gegen Rudolf Rebarczyk, 58, und seinen älteren Bruder Raimund M., 60, gegen den das Verfahren derzeit ausgesetzt ist: DNA-Spuren, exotische ausländische Währungen aus einem Überfall, die bei den Brüdern gefunden wurden, Videokassetten aus Überwachungskameras. Einmal hat sich der Angeklagte Rebarczyk nach Überzeugung des Gerichts sogar verplappert, als er von der Taschenlampe des Polizisten sprach, die aber in den Akten nicht vorkam.

    Richter: Rebarczyk soll nie wieder freikommen

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Belastende Indizien gibt es sowohl für den Mord an Mathias Vieth und den Mordversuch an seiner Streifenkollegin Diana K. als auch für vier brutale bewaffnete Überfälle. Und für ein Arsenal von Pistolen, Schnellfeuergewehren und Handgranaten, das die Brüder im Besitz hatten. Die Einzelstrafen, die das Gericht für alle Delikte ausspricht, summieren sich auf 64 Jahre und sechs Monate – plus lebenslänglich. Rebarczyk soll nie wieder freikommen, sagt der Richter. Die Verteidiger haben aber Revision angekündigt.

    Wie auch immer die ausgeht – das Urteil ist ohnehin nur das erste Kapitel in diesem Fall. Rebarczyks Bruder Raimund M., dem das Gericht in überraschend klaren Worten die Mittäterschaft in allen Fällen gibt, saß lange Zeit mit auf der Anklagebank. Im November platzte das Verfahren gegen ihn aber. Ein Gutachter hatte ihn wegen seiner Parkinson-Erkrankung für verhandlungsunfähig erklärt. Ob und wann das Verfahren gegen ihn von Neuem beginnt, ist noch unklar.

    Das hat auch die Witwe des getöteten Polizisten, Sandra Vieth, im Kopf, wenn sie sagt: „Die Albträume wurden zuletzt ganz fürchterlich. Ich hoffe, dass es jetzt besser wird.“

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