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Augsburg: Polizistenmörder kommt in Hochsicherheitsgefängnis

Augsburg

Polizistenmörder kommt in Hochsicherheitsgefängnis

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    Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk kommt in ein Hochsicherheitsgefängnis.
    Polizistenmörder Rudolf Rebarczyk kommt in ein Hochsicherheitsgefängnis. Foto: Fred Schöllhorn

    „Er hat sich für den Weg eines Berufsverbrechers entschieden. Das ist sein Lebensentwurf.“ Der Vorsitzende des Augsburger Schwurgerichts, Christoph Wiesner, hat deutliche Worte über Rudolf Rebarczyk gewählt. Und ebenso deutlich ist das Urteil ausgefallen: Der Polizistenmörder soll für immer hinter Gitter. Was heißt das konkret? Wie geht es weiter? Und was passiert mit dem älteren Bruder Raimund M.? Die Antworten:

    Wie geht es nach dem Urteil weiter mit Rudolf Rebarczyk?

    Das Urteil lautet lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld und anschließender Sicherungsverwahrung. In der Praxis bedeutet dies, dass der 58-jährige Rebarczyk nie mehr freikommt. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. Die Verteidiger haben Revision angekündigt. Sollte der Bundesgerichtshof (BGH) diese annehmen, hat er vielfältige Entscheidungsmöglichkeiten: Er kann das Urteil komplett bestätigen oder aufheben.

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Die Bundesrichter können aber auch einzelne Teile herausnehmen. Rechtlich am problematischsten ist die Sicherungsverwahrung. Die Strafsenate am BGH sind sich derzeit nicht einig, ob es nach der Reform der Sicherungsverwahrung noch zulässig ist, gleichzeitig lebenslänglich und Verwahrung zu verhängen. Die Augsburger Richter haben bei ihrem Urteil einen Ermessensspielraum genutzt. Wie Karlsruhe in dieser Frage entscheidet, ist nicht absehbar. Klar ist aber: Auch wenn die Sicherungsverwahrung aufgehoben wird, dürfte Rebarczyk mindestens für 25 bis 30 Jahre im Gefängnis bleiben.

    In welches Gefängnis kommt Rebarczyk?

    Derzeit sitzt er noch in der Justizvollzugsanstalt Landshut. Spätestens mit Rechtskraft des Urteils – wahrscheinlich schon früher – wird er wieder nach Straubing verlegt, Bayerns Hochsicherheitsknast für Schwerverbrecher. So sieht es der Vollstreckungsplan vor. Dort war er auch nach seinem ersten Polizistenmord 1975 eingesessen, bis er im August 1990 bei einer „Knastrevolte“ mit anderen Gefangenen auf das JVA-Dach stieg. Nach dem Vorfall kam er nach Bruchsal.

    Wie geht es im Verfahren gegen den Bruder Raimund M. weiter?

    Hinter den Kulissen wird zurzeit um eine Neuauflage des Prozesses gegen Raimund M. gerungen. Der 60-Jährige, der nach der Hochzeit den Namen seiner Frau angenommen hat, leidet an Parkinson. Wie schwer die Krankheit ausgeprägt ist, bleibt umstritten. Gutachter Ralph-Michael Schulte hat M. für verhandlungsunfähig erklärt. Der Prozess platzte im November. Um neue Erkenntnisse über den Gesundheitszustand zu bekommen, ist geplant, M. für sechs Wochen von seiner Gefängniszelle in Stadelheim in die psychiatrische Klinik in München-Haar zu bringen. Dort soll er beobachtet werden. Rechtliche Grundlage ist Paragraf 81 der Strafprozessordnung. Doch es gibt Streit um diese Maßnahme.

    Kommt es zum neuen Prozess gegen Raimund M.?

    Das ist nicht sicher. Das Schwurgericht will ein neues Gutachten über die Frage der Verhandlungsfähigkeit. Erst wenn das vorliegt, kann eine Entscheidung fallen. Aber: Die Termine bis Ende Juli, die das Gericht für einen zweiten Prozess blockiert hat, sind bisher nicht abgesetzt.

    Das Gericht hat Raimund M. im Urteil zweifelsfrei als Mittäter genannt. Sind die Richter für einen neuen Prozess befangen?

    Auf den ersten Blick könnte das wie eine Vorverurteilung aussehen. Unter Paragraf 24 der Strafprozessordnung ist aber geregelt, dass Richter nicht allein deshalb abgelehnt werden können, weil sie in demselben Fall schon einmal entschieden haben. Knackpunkt ist, dass es eine neue, umfangreiche Beweisaufnahme geben muss. Das hat Richter Wiesner schon angekündigt.

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