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Analyse: Köhler verschärft Krise

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Analyse: Köhler verschärft Krise

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    Analyse: Köhler verschärft Krise
    Analyse: Köhler verschärft Krise Foto: DPA

    Von einem "Schlag ins Kontor" ist in ihren Reihen die Rede. Der Abgang des Staatsoberhaupts komme angesichts nationaler und internationaler Krisen und unter dem Eindruck der Kriegsgefahr im Nahen Osten zu einem dramatischen Zeitpunkt.

    Köhler, der Wunschkandidat der Wunschkoalition von Union und FDP, gibt das höchste Amt im Staat mit sofortiger Wirkung auf. Der Grund: Die Kritik an seinen umstrittenen Äußerungen im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz.

    Köhler ließ in der vorigen Woche noch präzisieren, er habe nicht die Afghanistan-Mission gemeint. Am Montag dann - als aus Sicht der Regierung das Thema bereits erledigt war - zieht er die Konsequenzen und sagt mit versteinerter Miene in seinem Amtssitz Schloss Bellevue in Berlin: "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen." Im Klartext: Köhler sieht sein Amt irreparabel beschädigt. Kritiker hingegen meinen, Köhler selbst habe mit diesem Rücktritt das Amt beschädigt.

    Bei den Regierungsparteien herrscht Fassungslosigkeit. Köhlers Rückzug trifft selbst die Kanzlerin und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) ohne Vorwarnung. Sie haben erst um 12.00 Uhr mittags von Köhler erfahren, dass er um 14.00 Uhr - beispiellos in der Geschichte der Bundesrepublik - als Präsident das Handtuch werfen wird. Merkel sagt: "Ich war überrascht von dem Telefonat und habe versucht, ihn noch einmal umzustimmen. (...) Aber er wollte nicht umgestimmt werden."

    Viele Koalitionspolitiker halten den Schritt des 67-jährigen ehemaligen Chefs des Internationalen Währungsfonds IWF für absolut überzogen. Mehr noch. Manche sprechen von "unverantwortlichem Handeln" eines Präsidenten. Der Anlass sei eine Lappalie gewesen. Selbst die Queen in England müsse sich Kritik gefallen lassen. Köhler habe "beleidigt" und "mimosenhaft" reagiert. Auch viele Menschen auf der Straße zeigen sich irritiert und teilweise enttäuscht über ihren Präsidenten, zu dem sie wegen seiner oft klaren und volksnahen Worte Vertrauen gefasst hatten.

    In den Reihen der Regierung wird eine Kurzschlussreaktion bei Köhler vermutet. Weggefährten berichteten schon früher, Köhler könne auch cholerisch und unberechenbar sein. Auch von "durch den Raum fliegenden Akten" war die Rede. Merkel wird kritisiert, sie habe Köhler nicht genügend gegen die Angriffen aus der Opposition in Schutz genommen. Dazu sagt die Kanzlerin, sie habe mit Köhler früh vereinbart, aus Respekt vor den Verfassungsorganen sich nicht gegenseitig zu kommentieren. "Das ist ein guter Brauch."

    In ihrem Umfeld heißt es, niemand habe geglaubt, dass Köhler sich nicht allein verteidigen könne und auf die Hilfe der Kanzlerin warte. Andere wiederum sagen, Merkels Instinkt für politische Gefahren habe versagt. So meint auch SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass Köhlers Rückzug nur mit der fehlenden Unterstützung seiner einstigen Förderer erklärbar sei.

    Die Kanzlerin betont: "Ich bedauere diesen Rücktritt aufs Allerhärteste. Ich glaube, dass die Menschen sehr traurig sein werden über den Rücktritt." Westerwelle sagt: "Das ist ein Tag, davon werden Sie noch Ihren Enkeln erzählen."

    Für die regierenden Parteien heißt es nun, neben Eurokrise, Finanzkrise, Koalitionskrise und den Personaldebatten in den eigenen Reihen nun vier Jahre früher als geplant einen neuen Mann oder eine neue Frau an der Spitze des Landes zu suchen. Köhler war erst im Mai 2009 für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Ein Resümee von Union und FDP gibt es bereits: "In Zukunft nur noch Politiker ins Schloss Bellevue."

    Viele Namen aus der CDU werden nun gehandelt, von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bis Bundestagspräsident Norbert Lammert. Nach ersten Berechnungen aus der Koalition haben Union und FDP in der Bundesversammlung eine klare Mehrheit.

    Eine Staatskrise in Deutschland drohe jedenfalls nicht, heißt es in der Regierung. Das Fundament des Staates werde nicht erschüttert. Für solch unvorhergesehenen Situationen gebe einen geordneten Weg. Bis zum 30. Juni werde ein neues Staatsoberhaupt gewählt.

    Außerdem sei der Rettungsschirm für den Euro mit den europäischen Partnern gespannt, der Bundeshaushalt werde aufgestellt - wenn auch mit drastischen Einschnitten. Union und FDP setzen darauf, dass sie wegen der Flut der Probleme nun zusammenstehen, internen Streit vermeiden und diese Krise insofern als Chance nutzen können. Eine Chance im übrigen auch für eine Klärung der Rahmenbedingungen für Auslandseinsätze der Bundeswehr.

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