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Analyse: Der Schatten von fünf Euro und kein Friedensschwur

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Analyse: Der Schatten von fünf Euro und kein Friedensschwur

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    Analyse: Der Schatten von fünf Euro und kein Friedensschwur
    Analyse: Der Schatten von fünf Euro und kein Friedensschwur Foto: DPA

    Um diesen Betrag will die Regierung die Bezüge für erwachsene Hartz-IV-Empfänger auf 364 Euro anheben. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes müssten die Pauschalen für deren Kinder sogar gekürzt werden. Nach Steuersenkungen für Hoteliers und Milliardengewinnen für die Atomwirtschaft durch längere Laufzeiten der Kraftwerke zieht die Opposition über FDP und Union ein Jahr nach der Bundestagswahl diese Bilanz: Regierung der sozialen Kälte.

    Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer sind an diesem Jahrestag ins Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gekommen, um über die Ergebnisse der gemeinsamen Sitzung ihrer Präsidien zu informieren. Die Kanzlerin erklärt über einige Minuten, dass die Union mit der Aussetzung des Wehrdienstes einen qualitativ großen Schritt gehe und dies nicht jedem leichtfalle. Der Entschluss sei aber einmütig gefallen - wie auch in der Koalition einvernehmlich die neue Regelung der Hartz-IV-Sätze für sachgerecht gehalten werde. Die Klausurtagung habe CDU und CSU sehr eng zusammengeführt.

    Seehofer, der in den vergangenen Monaten etwa in der Debatte über die Gesundheitsreform oder die Aussetzung der Wehrpflicht Öl ins Feuer gegossen und der Kanzlerin das Regieren immer wieder schwer gemacht hat, legt hin und wieder seine Stirn in Falten. Wer ihn so sieht, stellt sich auf einen gut formulierten Seitenhieb ein. Doch seine Ergänzung dauert kaum 30 Sekunden: "Das waren zwei sehr gute Tage. Ergebnisorientiert, ertragreich und kameradschaftlich. So viel Gemeinschaft zwischen CDU und CSU war schon lange nicht mehr. Deshalb kann ich auch bei schlechtestem Willen keine aufreibenden Äußerungen abgeben. Ich stimme der Kanzlerin voll inhaltlich zu."

    Seit ihrem Amtsantritt haben CDU, CSU und FDP mehrfach den Neustart beschworen, nachdem sie sich in der Steuerpolitik oder der Frage der Kopfpauschale für das Gesundheitssystem zerstritten hatten. Warum sie glaubten, dass es nun mit dem Unionsfrieden klappen könne, werden Merkel und Seehofer gefragt. Sie antworten vorsichtig.

    "Das ganze Leben besteht aus Kompromissen", sagt Seehofer mit nüchterner Stimme. "Wir machen gar keine Schwüre", wehrt Merkel ab. Die Medien sollten die Koalition einfach jeden Tag neu beurteilen. "Heute haben wir etwas geschafft." Sie betont auch, dass das Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Sätze von Rot-Grün und nicht von Schwarz-Gelb beanstandet habe.

    Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist außer sich an diesem 27. September 2010. Die Regierung habe für die Hoteliers die Mehrwertsteuer gesenkt und beschere den Stromkonzernen durch die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke Milliardengewinne. "Sich dann noch hinzustellen und zu sagen, eigentlich müsste man die Hartz-IV-Sätze von Kindern noch weiter senken, das ist ein Abgrund an Zynismus, der sich hier auftut, dass einem fast eklig wird."

    Selbst Grünen-Politiker waren überrascht, dass Merkel trotz einer Anzeigenkampagne der Atomlobby gegen die Bundesregierung einer Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren zugestimmt hat. Da Druck bei Merkel bekanntlich Gegendruck erzeugt, war mancherorts mit einer Verlängerung von unter zehn Jahren gerechnet worden.

    Was aber die Wehrpflichtgegner der Grünen und der Sozialdemokraten über Jahre nicht erreicht haben, setzen nun ausgerechnet die jahrzehntelangen Wehrdienstbefürworter CDU und CSU in die Tat um: Künftig sollen junge Männer nicht mehr eingezogen werden. Wenn die Parteitage der CSU Ende Oktober und der CDU Mitte November zustimmen, wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Zweifel hat daran kaum noch jemand. Denn auch die Union weiß um den Mangel an Wehrgerechtigkeit - nur noch rund 15 Prozent der Männer eines Jahrgangs werden eingezogen - und die Gefahr, damit vor dem Bundesverfassungsgericht zu landen.

    Wie denn in der Partei der von ihr ausgerufene "Herbst der Entscheidungen" mit den schwierigen und weitreichenden Komplexen Energie, Bundeswehr und Hartz IV ankomme, wird Merkel noch gefragt. "Es kommt nach meiner Einschätzung super an", sagt sie ungewöhnlich locker und setzt ein strahlendes Lächeln auf.

    Der Parteitag in Karlsruhe mit seinen genau 1001 Delegierten wird spannend. Der CDU bleibe nicht viel anderes übrig, als Merkels Regierungsprojekte zu unterstützen, heißt es unter Mitgliedern. Unmut etwa über wenig konservatives Profil schwele aber weiter - so könnte die Chefin bei der Vorstandswahl einen Denkzettel bekommen.

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