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Zaiertshofen: Warum eine junge Frau in einem 18-Quadratmeter-Haus wohnen will

Zaiertshofen

Warum eine junge Frau in einem 18-Quadratmeter-Haus wohnen will

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    Melanie Strobel will in einem Tiny House wohnen – einem winzigen Haus also. Es soll im Kettershauser Ortsteil Zaiertshofen stehen, mit Blick ins Grüne.
    Melanie Strobel will in einem Tiny House wohnen – einem winzigen Haus also. Es soll im Kettershauser Ortsteil Zaiertshofen stehen, mit Blick ins Grüne. Foto: Sabrina Schatz

    Ein Leben auf 18 Quadratmetern – kochen, schlafen, duschen, Gäste empfangen. Für viele kaum vorstellbar, vor allem auf dem Land, wo das Einfamilienhaus mit Doppelgarage und Partykeller für so manchen ein Lebensziel zu sein scheint. Nicht so für Melanie Strobel. Die 29-Jährige hat beschlossen, künftig auf engstem Raum zu wohnen: in einem Tiny House (deutsch: winziges Haus). Rund neun Meter ist es lang, zweieinhalb breit. Das Häuschen auf einem Anhänger wird in Zaiertshofen stehen, auf dem Gelände des Ferien- und Kräuterlandhofs Spaun, der ihren Verwandten gehört. Eine Schreinerei im baden-württembergischen Gutenzell soll es in ein paar Wochen liefern.

    Ein ganz ähnliches Tiny House wie das, in dem Melanie Strobel wohnen wird, steht bereits auf dem Grundstück. „Das ist einmal für Feriengäste“, sagt die junge Frau, öffnet die weiße Tür mit Fenster und tritt ein. Schon kann sie rechts in die Schlafkoje mit Fensterchen und schmalem Regal an der Wand blicken. Unter dem erhöhten Bett ist Stauraum für Kleidung, Taschen oder anderen Kram. „Es ist faszinierend, wie wenig Platz man hat und wie viel man machen kann.“

    Die Innenausstattung des Mini-Hauses lässt sich in etlichen Varianten gestalten. Es gebe zum Beispiel Betten, die sich per Knopfdruck auf- und abfahren lassen, erzählt Melanie Strobel. Um die Entscheidungen leichter treffen zu können, habe sie schon eine Probe-Nacht in einem Tiny House verbracht, außerdem viel gelesen und Youtube-Videos angeschaut. „Ein paar Mal haben wir die Einrichtungspläne jetzt schon umgeworfen.“

    Vor dem Umzug heißt es: ausmisten

    Zwei Schritte von der Schlafkoje entfernt drängen sich Küchenzeile und Essecke aneinander. Daneben, verborgen hinter einer Schiebetür, befindet sich die Nische mit Dusche, Waschbecken und Toilette. Die Erkundungstour durch das Tiny House ist schnell beendet. Zumindest auf den ersten Blick. Denn die Kniffe und Ideen zeigen sich erst bei genauerem Hinsehen und Nachfragen, ob zur Isolierung der Wände, ökologischen Materialien oder zu verstecktem Stauraum.

    18 Quadratmeter Wohnfläche hat das Häuschen.
    18 Quadratmeter Wohnfläche hat das Häuschen. Foto: Sabrina Schatz

    Wieso will jemand freiwillig auf 18 Quadratmetern leben? „Der größte Punkt war, dass ich raus wollte aus der Miete“, sagt die Heilerziehungspflegerin, die ihre Wohnung in Thannhausen zum Juni hin gekündigt hat. Und ein Eigenheim auf einem eigenen Grundstück, das kostet. „Viele können und wollen sich einfach nicht dazu verpflichten, die nächsten 30, 40 Jahre ein Haus abzubezahlen.“ Deshalb ist sie der Meinung, dass es in Zukunft mehr Tiny Houses geben könnte, die mit einem niedrigen bis mittleren fünfstelligen Betrag deutlich weniger kosten. Auch wenn nach oben freilich keine Grenzen gesetzt sind. Strobel sagt, sie wolle es nicht vollends ausschließen, doch noch irgendwann zu bauen. „Aber jetzt gerade ist das die beste Option für mich.“

    Das Finanzielle ist das eine, die Philosophie, die hinter Mini-Häusern steckt, das andere. Melanie Strobels Entscheidung hat auch etwas mit der Einstellung zu Hab und Gut zu tun. Es gehe bei dieser Wohnform auch um eine Lebensweise, die sich aufs Wesentliche konzentriert, ohne viel Tamtam. Strobel sagt, in den vergangenen Jahren sei sie immer minimalistischer geworden. Dennoch: „Das wird trotzdem ein Experiment, glaube ich“, sagt sie. „Man muss sich bei allem fragen: Brauche ich das? Hat das Platz?“ Diese Frage wird sich ihr nicht nur künftig beim Einkaufen stellen, sondern schon beim Umzug ins Tiny House. „Da muss ich erst einmal aussortieren und auch streng mit mir selbst sein.“ Gegenstände, die sie lange nicht mehr benutzte, fallen raus. Auch für Sofa und Bett wird kein Platz sein. Ein Glücksfall ist der Stadel des Bauernhofs: „Da habe ich noch Platz für zwei Kommoden. Das ist dann mein kleiner Luxus.“

    Der Grund, auf dem Melanie Strobels Mini-Haus stehen soll, wird bereits vorbereitet. Rohre liegen auf dem Boden, Erde häuft sich auf, vier Pfosten markieren, wo der Anhänger platziert werden soll. Eine Terrasse wird nachträglich an das Haus gezimmert. Darauf freue sie sich, denn zuletzt hatte sie weder Balkon noch Garten. „Das wird dann ein zweites Wohnzimmer. Man wird auch naturverbundener, denke ich.“ Bei manchen Punkten hört dieser Wunsch aber auf: „Viele machen eine Komposttoilette. Das will ich nicht.“ Auch komplett autark zu sein, das sei nicht ihr Ziel.

    Ihr eigenes Bad soll etwas größer werden als das im Ferien-Häuschen.
    Ihr eigenes Bad soll etwas größer werden als das im Ferien-Häuschen. Foto: Sabrina Schatz

    Die Rückmeldungen auf ihre Pläne seien bisher positiv gewesen: „Die meisten finden es cool und fragen auch nach. Da ist schon viel Interesse da.“ So schräg scheint die Vorstellung, auf 18 Quadratmetern zu wohnen, also gar nicht zu sein.

    Die Tiny-House-Bewegung:

    • Die Bewegung hat ihren Ursprung in den USA. Dort gelten die Häuschen als sparsame, umweltschonende Wohnform und Gegenentwurf zu „McMansions“, also oft überdimensionierten Häusern. Ein weiterer Aspekt: In den Staaten wird häufig umgezogen und die Häuschen lassen sich auf Anhängern mitnehmen.
    • In Deutschland steigt die Nachfrage, da Wohnraum gerade in Großstädten knapper und teurer wurde.
    • Auch in Vöhringen werden Tiny Houses gebaut. Ein Musterhaus ist an der Riedstraße zu besichtigen. (stz/ub)
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