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Weißenhorn: Corona-Folgen werden bei der Jugendsozialarbeit an Schulen sichtbar

Weißenhorn

Corona-Folgen werden bei der Jugendsozialarbeit an Schulen sichtbar

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    Kleingruppenarbeit ist ein Bestandteil der Jugendsozialarbeit an der Grundschule Weißenhorn-Süd. In diesem Fall kommen Gefühlskarten zum Einsatz.
    Kleingruppenarbeit ist ein Bestandteil der Jugendsozialarbeit an der Grundschule Weißenhorn-Süd. In diesem Fall kommen Gefühlskarten zum Einsatz. Foto: Susanna Dörr-Young

    Insgesamt sieben Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind mittlerweile an Weißenhorner Schulen tätig. Für ihre Stellen gibt es unterschiedliche Finanzierungskonzepte. Drei der Fachkräfte haben jüngst im Haupt-, Finanz- und Bildungsausschuss des Weißenhorner Stadtrats von ihrer Arbeit berichtet. Dabei wurde eines deutlich: Zweieinhalb Jahre Corona-Pandemie haben das Leben der Schülerinnen und Schüler sowie deren Umfeld so stark beeinträchtigt, dass es nun mehr Konflikte, mehr Unsicherheit und mehr Redebedarf gibt.

    Susanna Dörr-Young, die als Sozialpädagogin an der Grundschule Weißenhorn-Süd tätig ist, sprach von einer verhaltenen Erleichterung über die "Normalität" nach dem Wegfall von Einschränkungen wie Maskenpflicht oder getrenntem Pausenhof. Sie berichtete von vielen Konflikten, mehr Reflexionsfähigkeit und Abbau von inneren Spannungen. Prägende Corona-Erfahrungen werden demnach bei ihrer Arbeit sichtbar, als konkrete Beispiele nannte sie die Angst vor Krankheiten, Ekel beim Händehalten sowie Angst vor Instabilität. Die emotionale Ladung sei sehr hoch, es zeigten sich Defizite und Unsicherheiten, was einenhohen Arbeitsaufwand für die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) bedeute, sagte sie. 

    Sozialarbeiterinnen bemängeln, dass in Weißenhorn eine Erziehungsberatung fehlt

    In Einzelfall- und Kleingruppenarbeit wird Dörr-Young zufolge versucht, Konflikte zu klären und Lösungsstrategien zu erarbeiten. Im Schulalltag hilft auch ein Briefkasten, in dem Schülerinnen und Schüler bei Problemen eine Botschaft hinterlassen können. Seit Juni unterstützt Nina Frey die Sozialpädagogin an der Grundschule Süd, beide teilen sich eine 100-Prozent-Stelle unter Trägerschaft der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg (KJF). Das sei deutlich entlastend, sagte Dörr-Young. Sie hat allerdings bemerkt, dass neben Corona auch der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise in das tägliche Leben hineinwirken. "Die Sorgen der Eltern haben Auswirkungen auf das Denken und Fühlen der Kinder", berichtete Dörr-Young. 

    Nina Frey arbeitet auch als Streetworkerin in Weißenhorn. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, von Februar oder März an Streitschlichter an der Schule auszubilden. Zudem ist das Duo dabei, ein Medienkonzept zu entwickeln. Vermutlich sei der Medienkonsum schon im Grundschulalter sehr hoch, sagte Frey. Darüber hinaus bemängelten beide, dass noch immer eine Erziehungsberatungin Weißenhorn fehle und es momentan sehr lange Wartezeiten bei Diagnostik und Therapie gebe. Auf Nachfrage aus dem Gremium erläuterte Dörr-Young, dass der Familienstützpunkt in Weißenhorn keine regelmäßige Erziehungsberatung anbiete, sondern in dem Fall lediglich Erstanlaufstelle sei. 

    Seit zehn Jahren arbeitet Jürgen Knoll als Jugendsozialarbeiter an der Mittelschule in Weißenhorn, auch er ist bei der KJF angestellt. Er berichtete, dass Konflikte zunehmend emotional und wieder körperlich ausgetragen werden. Auch Eltern seien als Folge der Pandemie sowie aktueller Krisen belastet und labil, was sich auf die Kinder auswirke. Auf der Verhaltensebene würden darüber hinaus die Auswirkungen zunehmender Digitalisierung täglich deutlicher. Das zeige sich unter anderem an mangelnder Aufmerksamkeit, Ablenkbarkeit und Emotionalisierung, schilderte Knoll. 

    In der Mittelschule Weißenhorn wird ein "Respekt-Oskar" verliehen

    Als eine Art Frühwarnsystem für Mobbing hat der Sozialarbeiter den "Klassensprecher-Check" und den "Respektcheck" an der Mittelschule etabliert: Halbjährlich wird abgefragt, ob alle in der Klasse respektvoll miteinander umgehen oder ob es Probleme gibt. Schülerinnen und Schüler mit besonders sozialem Verhalten können als Preis einen "Respekt-Oskar" erhalten, sie werden von den Klassen gewählt. 

    Knoll hat die Erfahrung gemacht, dass Verweise und Einträge bei manchen Schülerinnen und Schülern gar nicht mehr wirksam sind. Dienst für die Gemeinschaft sei als Konsequenz bei Verstößen gegen Regeln besser, sagte er. Das könne zum Beispiel die Aufgabe sein, das Klassenzimmer sauber zu halten. "Aus meiner Sicht haben wir gerade einen Paradigmenwechsel", sagte Knoll. Die Schülerinnen und Schüler bräuchten mehr Erfahrungslernen, mehr Handfestes. 

    Mehrere soziale Akteure könnten in der "Villa Sozial" tätig werden

    Abschließend stellte der Sozialarbeiter das Modell der "Villa Sozial" vor, das seiner Meinung nach in einer Kleinstadt wie Weißenhorn eine sinnvolle Einrichtung wäre. Dabei geht es um eine Räumlichkeit vor Ort, die mehrere soziale Akteure flexibel nutzen könnten. Fachleute seien dort ohne lange Fahrzeiten und niederschwellig für Kinder, Jugendliche und Eltern erreichbar, sagte Knoll. Tageweise könnten dort zum Beispiel das Jugendamt und therapeutische Praxen Sprechstunden anbieten, auch Drogen- und Erziehungsberatung seien dort denkbar. 

    War die tödliche Messerattacke auf eine Schülerin in Illerkirchberg in den vergangenen Tagen ebenfalls Thema in den Gesprächen und Angeboten der Jugendsozialarbeit? Auf Nachfrage unserer Redaktion teilten Dörr-Young und Knoll mit, dass sie noch keine entsprechenden Anfragen erhalten haben. Lehrkräfte und Eltern seien aber gebeten worden, sich zu melden, wenn das Thema Schülerinnen und Schüler sehr beschäftigt und sie darüber sprechen wollen. 

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