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Vöhringen: Andenken an Zehntausende Verstorbene aus dem Landkreis Neu-Ulm

Vöhringen

Andenken an Zehntausende Verstorbene aus dem Landkreis Neu-Ulm

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    Sterbebilder erinnern seit Jahrhunderten an die Toten. Die Erinnerung an Valentin und Thomas Göggelmann aus Bellenberg ist Teil einer außergewöhnlichen Sammlung, die Jeannette Wischenbarth zusammengetragen hat.
    Sterbebilder erinnern seit Jahrhunderten an die Toten. Die Erinnerung an Valentin und Thomas Göggelmann aus Bellenberg ist Teil einer außergewöhnlichen Sammlung, die Jeannette Wischenbarth zusammengetragen hat. Foto: Zita Schmid

    Geburt und Sterben – beides gehört zum Leben. Die Trauer um Angehörige, Freunde und Bekannte kommt beim Tod dazu. Gerade an Allerheiligen werden vermehrt deren Gräber besucht, in Andachten für sie gebetet und so an sie gedacht. Gedruckte Erinnerungen an die Toten sind Sterbebildchen. "Sterbebilder waren für Trauergäste bei katholischen Beerdigungen als Erinnerung und Gedenken an die Verstorbenen einst unverzichtbar", sagt Jeannette Wischenbarth. Die Hobbyhistorikerin aus Vöhringen kennt sich aus: Sie sammelt, digitalisiert und archiviert diese Andenken. Aus dem Landkreis Neu-Ulm hat sie bereits einige Zehntausend Stück davon in ihrer Datenbank. Manche davon sind schon sehr alt.

    Der Ursprung solcher "Totenzettel" liegt mehrere Jahrhunderte zurück

    Der Ursprung solcher "Totenzettel", wie sie anfänglich bezeichnet wurden, liegt mehrere Jahrhunderte zurück. Jeanette Wischenbarth berichtet, dass diese in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Gebieten von Belgien und den Niederlanden auftauchen. Zunächst waren die Blätter einseitig von Hand mit Namen und Todeszeitpunkt beschrieben. Als sie dann im Druckverfahren hergestellt wurden, platzierte man auf der Rückseite Heiligen- oder Andachtsdarstellungen. "Diese gedruckten Sterbebildchen waren jedoch zunächst der sozialen Oberschicht und dem Klerus vorbehalten", so Wischenbarth.

    Jeannette Wischenbarth hat mehrere Zehntausend Sterbebilder zusammengetragen.
    Jeannette Wischenbarth hat mehrere Zehntausend Sterbebilder zusammengetragen. Foto: Zita Schmid

    Im Laufe des 19. Jahrhunderts breitete sich der Sterbebildchen-Brauch in den katholisch geprägten Gebieten in ganz Europa aus. Evangelische Regionen blieben davon unberührt. In Bayern erschienen sie ab etwa 1840. "Andenken an die ehrengeachtete M. Ana Schäfer, Bäurin von Kadeltshofen" steht auf einem der ältesten Sterbebildchen ihrer Sammlung. Geboren 1797, starb die Bäuerin im Jahr 1868.

    Das Sterbebild der Bäuerin Ana Schäfer aus Kadeltshofen ist das älteste in der Sammlung.
    Das Sterbebild der Bäuerin Ana Schäfer aus Kadeltshofen ist das älteste in der Sammlung. Foto: Zita Schmid

    Ein anderes erinnert an Stefan Streit und seine Frau Marianne aus Rennertshofen. Er starb 1867. Seine Frau Marianne folgte ihm gut 25 Jahre später ins Grab. Die Eheleute bekamen dann ein gemeinsames Sterbebildchen. Mehrere Verstorbene auf einem Bild zusammen zu würdigen, sei durchaus üblich gewesen, erklärt dazu Wischenbarth. Es diente zur Gebetserinnerung. Gängig waren früher Ablassgebete. Die Bitte, "diese Ablässe den lieben Verstorbenen zuzuwenden", steht so auf dem Sterbebild der Eheleute zusammen mit bestimmten Gebetstexten. Da die Menschen glaubten, dass Verstorbene für ihre irdischen Verfehlungen noch eine Zeit im Fegefeuer verbringen mussten, wollten sie damit deren zeitliche Sündenstrafen und somit die Dauer im Fegefeuer verkürzen.

    An Stefan Streit und seine Frau Marianne aus Rennertshofen erinnert ein gemeinsames Sterbebild – dabei liegen die Todesjahre der Eheleute 25 Jahre auseinander.
    An Stefan Streit und seine Frau Marianne aus Rennertshofen erinnert ein gemeinsames Sterbebild – dabei liegen die Todesjahre der Eheleute 25 Jahre auseinander. Foto: Zita Schmid

    Ein wesentlicher Anstoß zur Verbreitung der Sterbebildchen waren die Kriege 1870/71 und vor allem dann der Erste Weltkrieg. "Wenn eine Überführung der Gefallenen in ihren heimatlichen Friedhof nicht möglich war, so blieb den Angehörigen nur ein gedrucktes Sterbebildchen als Andenken", erklärt Jeannette Wischenbarth dazu.

    Junge Soldaten aus Bellenberg bekamen ein gemeinsames Sterbebild

    Zu den unzähligen Toten des Ersten Weltkrieges zählten Valentin und Thomas Göggelmann. Beide kamen aus Bellenberg und waren vermutlich Brüder. Valentin wurde nur 21 Jahre alt. Seit den Kämpfen 1916 in Verdun wurde er vermisst. Thomas starb gut ein Jahr später in einem Feldlazarett. Er war 19 Jahre jung. In ihrer Trauer ließen die Angehörigen ein gemeinsames Sterbebildchen drucken, auf denen auch Fotos der beiden jungen Soldaten abgebildet sind.

    Bei Frauen wie Wally Igel aus Weißenhorn wurde auf dem Sterbebild oft der Beruf des Mannes genannt.
    Bei Frauen wie Wally Igel aus Weißenhorn wurde auf dem Sterbebild oft der Beruf des Mannes genannt. Foto: Zita Schmid

    Neben den wichtigsten Lebens- beziehungsweise Sterbedaten standen oft auch die Berufe auf den Bildchen. "Vor allem vor 1945 gab man gerne auch Hinweise über die berufliche Situation, und auch bei Frauen fügte man teilweise den Beruf des Mannes an", erklärt hier die Hobbyhistorikerin. In ihrer Sammlung findet man so eine Verstorbene namens Wally Igel aus Weißenhorn. Hier steht "Distriktstierarztenswitwe" dabei. Josepha Blank war "Konditorei- und Wachsziehereibesitzersgattin" aus Illertissen.

    Josepha Blank war "Konditorei- und Wachsziehereibesitzersgattin" aus Illertissen.
    Josepha Blank war "Konditorei- und Wachsziehereibesitzersgattin" aus Illertissen. Foto: Zita Schmid

    Die Vöhringer Hobbyhistorikerin sammelt Sterbebilder seit etwa 16 Jahren. Anlass für sie war eine Ausstellung im Jahr 2006 in Vöhringen mit dem Thema "Der allgegenwärtige Tod". Auch in Erkheim fand im vergangenen Jahr eine Ausstellung statt, die sich mit den Sterbebildchen beschäftigte. "Viele Bildchen habe ich anfangs auf dem Flohmarkt gekauft", erinnert sie sich. Ihre Datenbank umfasst inzwischen mehrere Zehntausend Bilder. Aus Vöhringen allein seien es etwa 20.000. Als Sammlerin und Archivarin bekannt, sei sie bei der Bevölkerung auf offene Ohren gestoßen. So habe sie viele Bildchen geschenkt, andere ausgeliehen bekommen, sagt die Hobbyhistorikerin. Auch werde ihre Datenbank immer mehr zur Ahnenforschung genutzt.

    Hobbyhistorikerin aus Vöhringen sucht weitere Sterbebilder aus der Region

    "Mir gefällt aber auch die Volksfrömmigkeit", erklärt Wischenbarth ihre Sammelleidenschaft. Heutzutage verabschiede sich das Sterbebildchen langsam und mache einer Internet-Plattform Platz, meint Wischenbarth zur Zukunft der auf Papier gedruckten Erinnerungsbildchen. Beispielsweise unter www.trauer-raum.com kann man sich auf einem Trauerportal einloggen. Doch noch gibt es Sterbebildchen, die von Verwandten und Bekannten nach wie vor aufbewahrt werden. So würde sie sich freuen, wenn ihr noch weitere Bilder für ihre Sammlung zur Verfügung gestellt würden, sagt sie. Unter der Telefonnummer 07306/928980 von Peter und Jeannette Wischenbarth ist sie erreichbar.

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