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Fechten: Er selbst hat fast alles gewonnen

Fechten

Er selbst hat fast alles gewonnen

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    Ingo Weißenborn mit seinen vielen Medaillen. Als aktiver Florettfechter hat der Trainer des TSV Neu-Ulm so ziemlich alles gewonnen, was es in seinem Sport zu gewinnen gibt.
    Ingo Weißenborn mit seinen vielen Medaillen. Als aktiver Florettfechter hat der Trainer des TSV Neu-Ulm so ziemlich alles gewonnen, was es in seinem Sport zu gewinnen gibt. Foto: Stefan Kümmritz

    Er hat sich in seiner Neu-Ulmer Innenstadtwohnung noch nicht komplett eingerichtet. Und auch wenn ihm die Präsentation seiner Medaillen nach eigenem Bekunden gar nicht so wichtig ist, hat der frühere Weltklassefechter Ingo Weißenborn seine Trophäen schon aufgehängt. Sie sind aus Gold, Silber und Bronze und blinken im hellen Licht so sehr, dass die Prägungen kaum zu erkennen sind. Der neue Neu-Ulmer, der im sachsen-anhaltinischen Bernburg an der Saale geboren wurde und in ein paar Tagen seinen 57. Geburtstag feiert, ist seit Anfang September Cheftrainer der Fechter vom TSV Neu-Ulm.

    Welch guten Fang der Verein gemacht hat, lässt sich klar belegen: Weißenborn, der fast nur mit dem Florett antrat, war unter anderem Olympiasieger, Weltmeister, Vizeweltmeister, Bronzemedaillengewinner, Frauen-Bundestrainer und verantwortlicher Trainer der Toptalente Österreichs. Für seine Erfolge im Sport erhielt er 1993 das Silberne Lorbeerblatt.

    Weißenborn hat viel zu erzählen aus seinem Leben als Sportler. Über die Anfänge in der damaligen DDR, die Fortsetzung seiner Karriere nach der Wende beim Fecht-Club Tauberbischofsheim und über seine Zeit als Trainer. Erlebnisse aus der DDR-Zeit gibt er ungern preis: „Das ist lange her, das lassen wir ruhen.“ Immerhin berichtet der Neu-Ulmer Trainer, der sich zusätzlich um die Talente in Laupheim kümmert, dass er und seine DDR-Kameraden bei Turnieren oder Meisterschaften in anderen Ländern „natürlich auch mit den Sportlern aus dem Westen geredet haben. Wir kannten uns ja.“ So wurde Weißenborn auch in Tauberbischofsheim „völlig unkompliziert“ aufgenommen, wie er erzählt: „Aber vorher war alles etwas skurril. Bei der letzten Weltmeisterschaft, als wir noch als DDR-Athleten antraten, fühlten wir uns wie staatenlose Sportler. Die Mauer war gefallen, aber wir vertraten noch die DDR.“ Vom Mauerfall hörte er bei der Fahrt zu einem Turnier im französischen Cognac. „Ein Kamerad sagte, dass Leute auf der Mauer tanzen. Erst am nächsten Tag erfuhren wir, was genau los war.“

    Der ehrgeizige Sportsmann Ingo Weißenborn hat ohne Zweifel eine große Karriere hingelegt. Sein Vater brachte ihn zum Fechten, als er zehn Jahre alt war. „Funktionäre wollten mich eigentlich zum Boxen schicken“, erzählt er: „Aber da ich damals schon beim Fechten war, ließ man mich weitermachen.“ Später als Sportsoldat hatte er ein paar Privilegien: „Ich musste keine Ausbildung machen und wurde als Profi von der Armee gut bezahlt.“ So stellten sich erste Erfolge ein, doch sein Stern ging erst richtig auf, als er sich im Mai 1991 dem Verein in Tauberbischofsheim anschloss. „Da waren noch ein paar andere Fechter aus der DDR“, erinnert sich Weißenborn. Sein Trainer war Klaus Kotzmann, ein ehemaliger Vereinskamerad beim ASK Vorwärts Potsdam, für den er bis 1990 auf die Planche ging.

    Bis 1996 focht Weißenborn für den Verein in Mainfranken. Anschließend widmete er sich in seinen ersten Trainerjahren als Förderer dem Nachwuchs und nahm beim Fecht-Club Tauberbischofsheim eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an. Zuvor hatte er in Leipzig Sportwissenschaften studiert sowie eine Lehre als Schreiner absolviert und abgeschlossen. Weißenborn beteuert: „Eine Küche aufbauen kann ich heute noch.“

    Dafür hat er jetzt im Prinzip auch Zeit. Denn nachdem sich Weißenborn gerade eingewöhnt hatte in Schwaben, kam der neuerliche Corona-Lockdown und mit Fechten ist erst einmal Schluss. Was der frühere Weltklassemann nicht wirklich nachvollziehen kann: „Zumindest Einzeltraining ist doch unproblematisch und müsste erlaubt sein.“

    Derartige Probleme kannte er nicht, als er von 2005 bis 2009 das Nationalteam der deutschen Florettfechterinnen trainierte: „Das war eine interessante und intensive Zeit.“ Später war der mit 1,68 Metern für einen Fechter nicht eben große Mann von 2012 bis zum Sommer dieses Jahres Trainer an der österreichischen Bundes-Sportschule in Maria Enzersdorf südlich von Wien und somit eine Art Bundestrainer ohne Titel: „Es war lange eine schöne Zeit, aber dann legte ich ein neues Konzept vor, das nicht akzeptiert wurde.“

    „Ich wollte weiter etwas mit Fechten machen“, berichtet der Trainer: „Da las ich auf Facebook die Stellenausschreibung vom TSV Neu-Ulm, bewarb mich und nun bin ich hier. Ich habe hier eine nette Truppe, mit der ich etwas anfangen kann. Es macht Spaß, meinen Schützlingen einige Facetten des Sports beizubringen. Ich arbeite mit allen Tricks, auch im mentalen Bereich.“

    Jedenfalls dann, wenn das irgendwann nach dem Lockdown wieder möglich sein sollte.

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