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Serie (4): So war das mit... Nikki Adler

Serie (4)

So war das mit... Nikki Adler

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    Nikki Adler mit ganzen jungen Fans in Südafrika.
    Nikki Adler mit ganzen jungen Fans in Südafrika. Foto: Jule Schutz

    Jürgen Grabosch, damals noch Trainer im Mekong-Gym, stellte diesen Vergleich auf: „Sie schlägt so hart zu, wie ein Pferd austritt.“ Thomy Wiedemann, der Inhaber des Neu-Ulmer Boxstalls, sorgte sich um die körperliche Unversehrtheit weiblicher Sparringspartner und schickte Männer in den Ring – um sich von Nikki Adler eine Tracht Prügel abzuholen. Die deutsche Profiboxerin kroatischer Abstammung heißt eigentlich Nikolina Orlovic und sie kommt eigentlich aus Augsburg, wo sie auch den bürgerlichen Beruf der Briefträgerin gelernt hat. In Neu-Ulm ließ sie sich zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts nach unschönen Erfahrungen beim Wiking-Team in Berlin ein paar Jahre lang aufbauen und irgendwie stand sie hier auch als Weltmeisterin im Supermittelgewicht immer ein bisschen im Schatten ihrer berühmten Stallkollegin Rola El-Halabi. Als die in der Ratiopharm-Arena knapp zwei Jahre nach dem von ihrem Stiefvater verübten Attentat vor der versammelten Weltpresse ihr Comeback feierte, da war für Nikki Adler gerade mal Platz im Rahmenprogramm.

    Weltmeister bei den Männern führen das Leben von Popstars und sie residieren in Villen, Rola El-Halabi ist durch eine Tragödie berühmt geworden. Nikki Adler war damals im Gasthaus Schiff direkt neben der Redaktion der Neu-Ulmer Zeitung untergebracht und sie war als weibliche Weltmeisterin froh, wenn sie wirtschaftlich irgendwie über die Runden kam.

    Dem Schreiber dieser Zeilen ist dieser Abend im November 2013 in Erinnerung geblieben: In der Ratiopharm-Arena war irgendein Basketballspiel. Also Bericht schreiben, ganz später Feierabend und kurz vor Mitternacht zum Auto gehen. Aus dem Schiff kommt Nikki Adler und sie schleppt ihre drei WM-Gürtel zu ihrem Auto. Vorbereitung auf die Fahrt am nächsten Morgen nach Grosny zum ersten Frauen-Boxkampf überhaupt in Tschetschenien, die Gürtel werden schon mal im Kofferraum verstaut. In Tschetschenien herrscht Bürgerkrieg, die Fahrt über 3500 Kilometer dauert schon unter normalen Umständen knapp 48 Stunden – und es herrschen keine normalen Umstände. Wer es im Frauenboxen schaffen will, der muss gewaltige Opfer bringen. Eine Gastrolle in der RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ oder ein Auftritt beim „perfekten Promi-Dinner“ gehören da zu den angenehmen Auftritten von Nikki Adler.

    Natürlich gab es an diesem Abend in der Neu-Ulmer Kasernstraße die obligatorische Umarmung von Nikki Adler für den Schreiber dieser Zeilen, dazu ein Küsschen links auf die Wange und eines rechts. Spürbar war die Vorfreude auf das tschetschenische Abenteuer und eine beinahe kindliche Aufregung. So emotional und warmherzig ist und war sie nun einmal – die junge Frau, die so hart schlagen kann, wie ein Pferd austritt und die man damals eigentlich nicht guten Gewissens gegen andere Frauen trainieren lassen konnte.

    Den Kampf in Grosny gegen Zane Brige aus Lettland hat sie natürlich klar gewonnen. So wie sie damals so ziemlich alles gewonnen hat. Wer sich auch immer in den Ring wagte, der wurde von der warmherzigen Nikki Adler eiskalt verprügelt. Ihre Trainer hatten diverse Probleme, überhaupt junge Frauen zu finden, die bereit waren, sich das anzutun.

    Bis es dann irgendwann nicht mehr so gut lief. In Detroit kam Adler vor zwei Jahren gegen die amerikanische Doppel-Olympiasiegerin Clarissa Shields gewaltig unter die Räder. Sie war ohne jede Chance und unterlag in der fünften Runde durch technischen K. o.. Anschließend stieg Adler noch einmal im Augsburger Curt-Frenzel-Stadion in den Ring. Dort präsentierte sie sich zwar in einer durchaus guten Verfassung, verlor aber gegen die Belgierin Femke Hermans knapp nach Punkten. Es war die zweite Niederlage in ihrem 18. Kampf als Profiboxerin.

    Den Zenit ihrer Karriere, den könnte Nikki Adler also überschritten haben. Aber die warmherzige Frau mit den eisenharten Fäusten hat eine neue Berufung gefunden. In Südafrika wird sie vermutlich im Verlauf dieses Jahres eine Boxschule eröffnen. Dort wachsen ganz viele Kinder, vor allem Mädchen, unter sehr schwierigen Bedingungen und oft als Waisen auf. Nikki Adler sagt: „Jede junge Frau sollte die Chance haben, sich ihre Träume zu erfüllen.“ Die Fäuste sind möglicherweise nicht mehr ganz so hart, wie sie es einmal waren. Das Herz von Nikki Adler ist immer noch warm.

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