Sie haben im Frühjahr Ihre Ausbildung zum Fußballlehrer abgeschlossen. Sind Sie ein Laptop-Trainer, Herr Bachthaler?
Sie spielen auf das Interview an, das Mehmet Scholl im vergangenen Jahr dem Spiegel gegeben hat. Darauf wurde er auch angesprochen, als er als Referent bei uns im Fußballlehrer-Lehrgang in Hennef zu Gast war und er hat seine Kritik ein bisschen relativiert. Er habe gemeint, dass heute viele Trainer nicht mehr über die Erfahrung als Profi auf allerhöchstem Niveau in der Bundesliga und der Nationalmannschaft verfügen. Aber Ralf Rangnick, Thomas Tuchel, Jürgen Klopp und andere sind für mich Beispiele dafür, dass es trotzdem funktionieren kann.
Benutzen Sie nun bei der Arbeit ein Laptop?
Jeder Trainer benutzt bei seiner Arbeit technische Hilfsmittel. Auch die älteren Semester und auch Mehmet Scholl hat das mit Sicherheit bei den Amateuren des FC Bayern München getan. Videoanalysen sind beispielsweise heutzutage bei der Vorbereitung und der nachträglichen Aufarbeitung eines Spiels auch bei uns in der Regionalliga beim FV Illertissen eine Selbstverständlichkeit. Wenn ich mit einem Spieler über seine Fehler spreche, dann führe ich ihm die idealerweise auch gleich vor Augen.
Scholls Laptop-Zitat wurde nach seiner Kritik an Bundestrainer Joachim Löw nach dem EM-Spiel zwischen Deutschland und Italien hervorgekramt. Was halten Sie denn davon, die Taktik nach dem Gegner auszurichten?
Gerade die technischen Mittel sind eine enorme Hilfe dabei, den Gegner zu analysieren. Was er im Spielaufbau macht, wie sein Umschaltspiel funktioniert ... Völlig legitim und sinnvoll ist der Versuch, ihm seine Stärken zu nehmen und seine Schwächen zu nutzen. Löw hat deswegen gegen Italien die etwas defensivere Variante einer Dreierkette gewählt.
Warum ist eine Dreierkette defensiver als eine Viererkette?
In einer Viererkette habe ich vier Mann entweder auf etwa einer Linie oder mit zwei weiter vorne spielenden Außenverteidigern und werde immer wieder direkte Duelle bestreiten müssen. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass ich irgendwann eines dieser Duelle verliere. Mit einer Dreierkette stärke ich das Zentrum und beim Spiel gegen den Ball wird die Dreierkette sowieso zu einer Fünferkette.
Das geht aber doch zulasten der offensiven Power, oder?
Das ist eigentlich eine einfache Rechnung: Mit einer Viererkette habe ich bei zwei hoch stehenden Außenverteidigern im Spiel nach vorne acht Anspielstationen. Mit einer Dreierkette habe ich nur sieben. Insofern hat Scholl recht. Aber das hängt natürlich auch immer vom Personal ab. Mit drei Mal Höwedes im Zentrum wäre es schwierig. Mit Boateng und Hummels funktioniert es viel besser.
Würden Sie im heutigen Halbfinale gegen Frankreich wieder mit einer Dreierkette spielen, wenn Sie Joachim Löw wären?
Leider bin ich nicht Joachim Löw. Aber auch Frankreich hat mit Olivier Giroud, Antoine Griezmann, Dimitri Payet und Paul Pogba eine brutale Power in der Offensive. Ich kann mir gut vorstellen, dass Löw wieder mit einer Dreierkette spielt. Interview: