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Inklusion: Wie Fußball verbindet

Inklusion

Wie Fußball verbindet

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    Wie Fußball verbindet
    Wie Fußball verbindet

    Max reißt die Arme in die Höhe, blickt gen Himmel und schreit. Der Elfjährige schreit mit solcher Inbrunst, dass sein Kopf rot anläuft. Zwei Teamkollegen klopfen ihm derweil anerkennend auf die Schultern. Meisterfeier? Nein. Der Grund ist beinahe banal: Max hat einen Schuss pariert. Nicht mehr und nicht weniger. Dann rollt der Ball aus weißem Kunstleder wieder über den Rasen, das Spiel geht weiter.

    Auf den ersten Blick mutet dieses Fußballtraining auf dem Platz des VfL Ulm in Böfingen an wie jedes andere auch. Etwas groß geraten vielleicht, 57 Kinder und Jugendliche tummeln sich auf dem Spielfeld. Ansonsten sind keine Unterschiede auszumachen. Und doch ist alles anders. Denn 32 der Nachwuchsfußballer haben eine geistige Behinderung. Die restlichen 25 haben keine, sie sind Schüler der Poligenius Privaten Schule Ulm und kicken an diesem Tag ausnahmsweise mit. Trotzdem wird gemeinsam geschossen, getrickst und gejubelt.

    Einer von denen mit geistiger Behinderung ist Max. Fußball mit Freunden? Eigentlich Fehlanzeige. Während die meisten Kinder in seinem Alter in einem Verein spielen, ist Max wegen seiner geistigen Einschränkungen nirgends so richtig willkommen. Umso mehr bedeutet ihm das Fußballtraining in Böfingen: „Es ist total spannend, gegen so viele Freunde zu spielen“, sagt der Elfjährige.

    Er ist bereits zum dritten Mal dabei, seit März gibt es das Projekt für inklusive Fußballförderung (Pfiff) schon in Böfingen. Vier- bis sechsmal im Jahr trainieren Kinder mit und ohne Handicap gemeinsam auf dem Gelände des VfL Ulm. Ins Leben gerufen wurde das Pfiff vom Zweitligisten VfB Stuttgart und dem Württembergischen Fußballverband bereits vor anderthalb Jahren. Es soll Menschen mit geistiger Behinderung den Zugang zum Fußballspielen erleichtern und Grundstein für ein funktionierendes Inklusionsnetzwerk in ganz Baden-Württemberg sein.

    Für Fritz Quien, der das Training in Böfingen gemeinsam mit drei Kollegen leitet, ist das Projekt eine Herzensangelegenheit, wie er sagt: „Es geht darum, das Eis zu brechen, die Kinder zusammen zu bringen.“ Denn beim Thema Inklusion hinke Deutschland gewaltig hinterher, betont er. Das sei gerade bei Menschen mit geistiger Behinderung ein großes Problem. Quien: „Hier fehlt der Mitleidsfaktor – man sieht es den Menschen nicht an, dass sie ein Handicap haben.“

    Menschen mit Beeinträchtigung betreiben den Sport mit genau derselben Begeisterung, wie alle anderen auch, sagt der Übungsleiter: „Es fehlt noch viel zu oft das Gemeinsame – Menschen mit oder ohne Beeinträchtigung, das macht keinen Unterschied.“ Seine Vision ist es, Inklusion über den Sport in die Gesellschaft hineinzutragen. Der Leistungsgedanke spielt keine Rolle.

    Von fehlendem Ehrgeiz kann bei Max und seinen Freunden derweil keine Rede sein. Großen Einsatz zeigen sie auch bei den vielseitigen Ball- und Koordinationsübungen, die neben dem obligatorischen Fußballspiel auf dem Trainingsprogramm stehen. Ein Beispiel: Während Max einen Ball zu seinem Teamkollegen wirft, passt dieser ihm einen weiteren gleichzeitig mit dem Fuß zu. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten läuft das Duo zu Höchstleistungen auf. Das bleibt auch dem Trainer nicht verborgen. Quien: „Die Kinder machen sehr schnell Fortschritte, werden von Mal zu Mal besser.“

    Sie profitieren aber nicht nur aus sportlicher Sicht. Auch für ihre persönliche Entwicklung sei die Erfahrung, regelmäßig gemeinsam mit gleichaltrigen Fußball zu spielen Gold wert, sagt Quien. Denn das Training schlage sich auf das Verhalten der Kinder nieder: „Viele waren sehr schüchtern, aber haben mittlerweile ein viel besseres Selbstwertgefühl.“

    Und wie kommt das Training eigentlich bei Kindern ohne Handicap an? „Ich bin geflasht, wie gut die Fußballspielen können, das macht einfach wahnsinnig Spaß“, sagt Felix von der Privatschule. Besonders erstaunt habe ihn, dass es hier überhaupt keinen Ärger gebe. Und Mitschüler Vincent ergänzt: „Eine coole Erfahrung, das hat sich definitiv gelohnt.“ Die beiden können sich nun sogar vorstellen, öfter nach der Schule gemeinsam mit „den anderen“, wie sie die Kinder mit geistiger Einschränkung nennen, zu kicken. Die Vision von Franz Quien scheint also bereits erste Früchte zu tragen.

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