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Schlösser im Kreis Neu-Ulm: Schloss Roggenburg: Ein herrschaftliches Anwesen neben dem Kloster

Das Amtshaus, das heute Schloss genannt wird, wurde im Jahr 1716 im einfachen Barockstil mit ursprünglichem Walmdach errichtet.
Schlösser im Kreis Neu-Ulm

Schloss Roggenburg: Ein herrschaftliches Anwesen neben dem Kloster

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    Nein, es handelt sich um keinen Druckfehler. Tatsächlich ist in dieser Folge der Sommerserie nicht vom benachbarten Kloster in Roggenburg die Rede, wenn auch ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Bauwerken besteht. Der Grund hierfür ist in der Säkularisation der Jahre 1802/03 zu finden, als im Zuge der napoleonischen Eroberungszüge Klöster geschlossen und die dazugehörenden geistlichen Territorien enteignet und schließlich verweltlicht wurden. Dabei gärte es in bayerischen Landen schon seit dem – dennoch sehr beliebten – Kurfürsten Max Joseph III.

    Der Monarch verstand sich als Aufklärer und verfügte eine Anzahl von Verordnungen, welche das religiöse Leben einschränkten. So kämpfte der Wittelsbacher gegen ausufernde Wallfahrten, da auch viele Unserer Untertanen unter dem Prätext der Walfarth, Andacht, Freundschaftsbesuch, anderwärtigen Geschäfts, oder Prozeß ganze Jahreszeiten mit Müßiggehen und Betteln verzöhren [und deshalb] in Zukunft derley Vorwand gebrauchende nirgends paßiert werden [sollen]. Kurzum: Zu wenig Andacht und zu intensiver Wirtshausbesuch waren Max Joseph III. ein Dorn im Auge.

    Das Kloster Roggenburg wurde im Jahr 1126 gegründet 

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    Aber noch sollten einige Jahre ins Land gehen, bis der politisch gewollte Kahlschlag auch die Klöster erreichte. Der letzte Abt Thaddäus Aigler wurde am 19. November 1802 zur Abdankung gezwungen und musste daraufhin seinen Gehorsamseid auf den neuen bayerischen Kurfürsten leisten. Damit endete die fast 700-jährige Geschichte des Stiftes Roggenburg. 

    Diese Aufnahme zeigt vorne das gräfliche Schloss und im Hintergrund die imposante Klosteranlage in Roggenburg.
    Diese Aufnahme zeigt vorne das gräfliche Schloss und im Hintergrund die imposante Klosteranlage in Roggenburg. Foto: Alexander Kaya

    Doch bewegen wir uns zunächst zu den Wurzeln in das hochmittelalterliche 12. Jahrhundert. Die Klostertradition weist das Jahr 1126 als Gründungsdatum aus: Damals sollen die Grafen von Bibereck aus Trauer über einen im Weiher ertrunkenen Sprössling den Entschluss zum Bau eines Klosters gefasst haben. Das Stift stieg an der Wende zur frühen Neuzeit in die Reichsunmittelbarkeit auf, war also nunmehr lediglich dem Kaiser unterstellt. Nach und nach schuf es sich ein beträchtliches Territorium zwischen den Flüssen Biber und Günz: Nordholz, Schießen, Wiesenbach und Breitenthal sind die Namen nur einiger Gemeinden, welche einst unter dem Krummstab wohl nicht allzu schlecht zu leben hatten.

    Das Amtshaus in Roggenburg wurde 1716 errichtet 

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    Ein solch umfangreiches Gebiet, zuletzt bestehend aus 3300 Einwohnern, musste natürlich verwaltet werden. Hierzu wurde das Land in vier Bezirke eingeteilt, die Ämter Wiesenbach, Breitenthal, am Berg (Nordholz) sowie dem Amt Aigen in Roggenburg. Während die ersten drei von Amtmännern oder Vögten geleitet wurden, beaufsichtigte Aigen in Roggenburg wiederum ein Oberamtmann, der eben im Amtshaus des Klosters residierte. In dem Gebäude war wohl auch ein Großteil der zuletzt 94 klösterlichen Beamten beschäftigt, wie Lothar Mareis im Roggaburger Gschichtsblättle darlegt. Neben dem genannten Chef agierten dort Kanzleiverwalter, Sekretär, Holzwarte, Boten, Amtsdiener, Knechte, Brunnenmeister, Gärtner, Jäger, Abdecker, Handwerker und sogar ein Chirurg. Daneben waren auch Wachleute und Pförtner in dem repräsentativen Bau untergebracht. 

    Errichtet wurde das Amtshaus, das heute Schloss genannt wird, unter Abt Dominikus Schwaninger im Jahr 1716 im einfachen Barockstil mit ursprünglichem Walmdach. Nur knapp 86 Jahre sollten die Verwalter des klösterlichen Landes sich ihres Domizils erfreuen, bis sie durch die neuen bayerischen Herren für nicht mehr zeitgemäß erklärt und vertrieben wurden. Kasimir Schenk, Graf von Castell-Waal, Sohn des als „Malefizschenk“ bekannten Strafverfolgers aus dem württembergischen Oberdischingen, erwarb die Herrschaft Roggenburg und gleichzeitig das Schloss im Jahr 1811. Doch bereits vier Jahre später verkaufte er seine hiesigen Besitzungen an Friedrich Karl aus dem weitverzweigten Tiroler Adelsgeschlecht derer von Spaur. Seinen Hauptsitz wählte der neue Schlossherr allerdings nicht in Roggenburg, sondern in Igling bei Landsberg.

    Der Graf hat sich Australien als Lebensmittelpunkt auserkoren 

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    Dennoch ließ es sich auch zwischen Biber und Osterbach gut leben: Ein ausgedehnter Garten sowie ein Badehaus bereicherten das Areal um das herrschaftliche Anwesen. Friedrich Karls Sohn Franz Josef entschloss sich ungeachtet dieser Annehmlichkeiten dennoch 1853 zu einer erneuten Veräußerung, welche erstmals die Grafen von Geldern-Egmont in unsere Region führte. Ihre Wurzeln hat dieses Geschlecht in den heutigen Niederlanden und zählt aufgrund seiner lang zurückreichenden Ahnenliste zum dortigen Uradel. Unter den Grafen von Geldern-Egmont erfolgte dann im Jahr 1911 auch ein Umbau des Schlosses, wobei das Walmdach durch ein französisch anmutendes Mansarddach ersetzt und das Gebäude insgesamt stärker durchgliedert und ausgeschmückt wurde.

    In der vierten Generation war es dann Graf Ladislaus, zwischenzeitlich ergänzt um den Familiennamen derer von Mirbach, welcher nicht nur Roggenburger Gemeinderat war, sondern sich auch im diplomatischen Dienst im fernen Japan bewährte. Der 1982 verstorbene Ladislaus wurde wie manch andere Mitglieder des gräflichen Hauses in der Familiengruft zu Meßhofen bestattet. In Ermangelung eines leiblichen Nachfolgers adoptierte der Graf seinen Neffen Johannes, einen gebürtigen Fürsten zu Hohenlohe-Jagstberg, was zur Folge hatte, dass nun auch dieser Titel in Zukunft geführt werden musste. 

    Der in Roggenburg sehr aktive und wohl auch recht beliebte Johannes – die Chronik "50 Jahre Roggenburg" berichtet hier von Enten- und Bockjagden – verstarb am 6. Juli 2020 in seinem 81. Lebensjahr. Auf dem Erbweg gelangten Schloss und Ländereien an seinen Sohn Lamoral, der jedoch gemäß übereinstimmender Ansicht recht selten im Schloss seiner Vorfahren anzutreffen ist. Als Lebensmittelpunkt hat sich der Graf von Mirbach-Geldern-Egmont, Fürst zu Hohenlohe-Jagstberg Australien auserkoren. Ein wenig zu weit weg, um mal kurz im Schloss nach dem Rechten sehen zu können.

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