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Region: Bedroht und beleidigt: Das müssen Bürgermeister aushalten

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Bedroht und beleidigt: Das müssen Bürgermeister aushalten

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    Es gehört für Politiker zu ihrem Job, dass Bürger bisweilen unzufrieden sind mit ihrer Arbeit. Doch inzwischen lassen diese ihre Wut immer häufiger persönlich an den Amtsträgern aus. Diese Entwicklung beklagen auch viele Bürgermeister in der Region.
    Es gehört für Politiker zu ihrem Job, dass Bürger bisweilen unzufrieden sind mit ihrer Arbeit. Doch inzwischen lassen diese ihre Wut immer häufiger persönlich an den Amtsträgern aus. Diese Entwicklung beklagen auch viele Bürgermeister in der Region. Foto: Alexander Kaya

    Beschimpfungen, Drohungen, verbale Attacken: Politiker werden immer häufiger Opfer von Hetze und Aggression. Das beklagte erst diese Woche die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) in Neu-Ulm und forderte uneingeschränkte Solidarität mit den Betroffenen, wie aktuell der Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby (Mehr dazu hier: Nach Einschusslöchern: Morddrohung gegen SPD-Politiker Diaby)

    Auch der Deutsche Städtetag sieht Handlungsbedarf. Denn die psychische und physische Gewalt richtet sich nicht nur gegen Spitzenpolitiker. Auch in den Rathäusern wird das Klima rauer. „Aggressivität und äußerst fragliche Umgangsformen gegen Politiker breiten sich erschreckend aus“, sagt beispielsweise der Illerkirchberger Bürgermeister Anton Bertele (parteilos) und zieht nach 16 Jahren im Amt Konsequenzen. Der 59-Jährige tritt bei der nächsten Wahl in der baden-württembergischen Gemeinde nicht mehr an.(Mehr dazu hier: Bürgermeister hört wegen zunehmender Gewalt auf)

    Wie akut diese Thema ist, weiß auch Landrat Thorsten Freudenberger (CSU). Er hat sich im Rahmen der Verabschiedung des Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepts in Illertissen diese Woche (wir berichteten) direkt an die beteiligten sieben Bürgermeister und ihre Kollegen aus den Ratsgremien gewandt. „Manches, was wir uns in unseren Ämtern anhören müssen, ist keine Kritik mehr. Es verletzt und es beleidigt“, so Freudenberger. Er ermutigte die Kommunalpolitiker dazu, sich gegen Angriffe dieser Art zu wehren. „Wir müssen denen, die politisch meinen, sie dürften alles sagen, ein klares Stoppschild aufstellen.“

    Nägel im Autoreifen des Pfaffenhofer Bürgermeisters

    Negative Erfahrungen musste ebenfalls Pfaffenhofens Bürgermeister Josef Walz, der zudem schwäbischer Bezirksvorsitzender des Gemeindetags ist, in der Vergangenheit machen: „Vor ein paar Jahren hat einer mein Auto zerkratzt und Nägel in die Reifen gesteckt.“ Den Täter habe die Polizei zwar geschnappt, aber: „Das war nicht lustig, in dieser Zeit habe ich mich nicht so wohl gefühlt“, so Walz. Vergleichbares sei ihm seitdem nicht mehr passiert – gerade verbale Angriffe seien allerdings nichts Ungewöhnliches: „Das hat es zwar schon immer gegeben, aber der Ton ist in den letzten Jahren rauer geworden.“ Insgesamt sei der Respekt gegenüber Politikern weniger geworden: „Wir bekommen Mails mit Dingen, die man früher so nicht in Briefe geschrieben hätte.“ Gerade in den sozialen Medien seien Sitte und Sprache verroht: „Hier hat sich die Gesellschaft nicht unbedingt zum Guten gewandelt.“ Dennoch dürfe man sich nicht durch ein paar wenige Menschen, die einem nur wohlgesonnen seien, wenn man die gleiche Meinung habe, beirren lassen, findet Walz: „Man muss seine Richtung bewahren, seinen Weg treu bleiben – und das Schöne an meinem Beruf überwiegt.“

    In Vöhringen bekleidetKarl Janson seit 24 Jahren das Amt des Bürgermeisters. Mehr als zwei Jahrzehnte lang konnte er beobachten, wie sich die Gesellschaft und der Umgang mit Kommunalpolitikern wandelte. Während eines Publikumsinterviews mit dem evangelischen Ortspfarrer Jochen Teuffel sprach Janson, der im März nicht mehr zur Wahl antritt, über dieses Thema. Auf seinen Arbeitsalltag bezogen kritisierte er den zunehmenden fehlende Respekt vor dem anderen Menschen und einen immer rauer werdende Umgangston. Eine Verrohung der Sprache sei deutlich spürbar. Janson bedauert, dass der Egoismus in der Gesellschaft zunehme, während der Gemeinsinn abnehme.

    Der Babenhauser Bürgermeister Otto Göppel, der auch Vorsitzender des Kreisverbands Unterallgäu im Bayerischen Gemeindetag ist, sagt: „Ich persönlich habe – Gott sei dank – noch keine negativen Erfahrungen gemacht.“ Er schiebt jedoch nach: „Wenn man da jedes Wort auf die Goldwaage legen würde...“ Mit Gegenwind müsse ein Kommunalpolitiker leben, so Göppel: „Man muss Entscheidungen treffen und die gefallen vielleicht nicht jedem.“ Mit einer anderen Meinung konfrontiert zu werden, sei dabei aber eine ganz andere Nummer, als beleidigt oder gar bedroht zu werden. Ein dickes Fell müssen Kommunalpolitiker aus Göppels Sicht auf jeden Fall haben – das sei früher nicht anders gewesen. „Da hat man halt am Stammtisch geschimpft, heute in den sozialen Medien.“ Dadurch sei eine neue Art der Öffentlichkeit entstanden.

    Extremer Gegenwind von der Opposition

    Roland Biesenberger, Bürgermeister von Buch, sagt: „Der Umgang über Facebook ist ein anderer.“ Er selbst nutze die Plattform nicht, was ihn auch ruhiger schlafen lasse. Wenngleich auf anderen Wegen hin und wieder auch scharf formulierte Fragen im Bucher Rathaus eingehen – per E-Mail und in der Bürgersprechstunde ließen sich die Dinge bei vernünftigem Umgangston klären. „Da sind meine Bürger wirklich anständig“, sagt Biesenberger. Deutlich schwieriger ist aus seiner Sicht der Gegenwind, den er von einer Fraktion im Marktgemeinderat, der Unabhängigem Wählergemeinschaft (UWG), verspürt. Dort herrsche ein tiefes Misstrauen, demokratisch getroffene Entscheidungen würden häufig nicht akzeptiert, sagt der Bürgermeister. Beschwerden bei übergeordneten Behörden oder beim Landtag, die zu langwierige Auseinandersetzungen führten, waren quasi an der Tagesordnung.

    Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch hat sich im Laufe der Jahre ein dickes Fell zugelegt. „Beleidigt zu sein habe ich mit abgewöhnt.“ In „ganz vereinzelten Fällen“ habe er allerdings schon eine Strafanzeige bei der Polizei gestellt. „Zum Glück“, so Czisch, finde die Eskalation aber nur schriftlich statt – ausgehend von Leuten, denen jede Kinderstube fehle. Und zwar über die sozialen Netzwerke. Körperlich sei er noch nie angegangen worden. Czisch hat registriert, dass die Übergangsformen in der virtuellen Welt immer schlechter werden. Doch in realen Begegnungen sei das nicht feststellbar. „Ich erlebe die Menschen auf der Straße ganz anders.“ Deswegen hält er den beklagten Sittenverfall auch nicht für ein Massenphänomen. (az)

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