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Oberschönegg-Weinried: Ein Domizil für Menschen mit Handicap ist in Weinried entstanden

Oberschönegg-Weinried

Ein Domizil für Menschen mit Handicap ist in Weinried entstanden

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    Bei der Eröffnung der rollstuhlgerechten Wohnung in Weinried (von links): Bürgermeister Günther Fuchs, CSU-Landtagsabgeordneter Klaus Holetschek, Markus Schneider und Landrat Alex Eder.
    Bei der Eröffnung der rollstuhlgerechten Wohnung in Weinried (von links): Bürgermeister Günther Fuchs, CSU-Landtagsabgeordneter Klaus Holetschek, Markus Schneider und Landrat Alex Eder. Foto: Sabrina Karrer

    Die Arbeitsplatte lässt sich samt Herd und Waschbecken per Knopfdruck weiter nach unten fahren. Auch Kühlschrank und Ofen sind in einer Höhe, in der sie auch Menschen im Rollstuhl gut erreichen können. Allein die Ausstattung der Küche macht deutlich, dass diese Wohnung in Weinried besonders ist. Markus Schneider ist stolz auf sie - und die Gäste bei der Eröffnung sind wiederum stolz auf ihn. Denn Schneider, der selbst seit einem schweren Unfall ein Handicap hat und in seiner Mobilität eingeschränkt ist, hat seine eigenen Erfahrungen genutzt, um für andere eine rollstuhlgerechte Ferienwohnung zu bauen. "In DIN-Verordnungen kann man viel nachlesen über Barrierefreiheit. Aber hier kann man sie erleben", sagte der Unterallgäuer Landrat Alex Eder.

    Der Unterallgäuer kämpfte sich nach einem Schicksalsschlag zurück ins Leben

    Nicht nur er hat Markus Schneider als jemanden kennengelernt, der nicht aufgibt. So war es nach Schneiders Autounfall 2011, bei dem er schwerste Kopfverletzungen erlitt und - so hatte er es einmal formuliert - die "Diagnose Schnabeltasse" bekam. So war es, als er 2015 den Verein Phönix Allgäu gründete, der seither Unfallopfer und deren Umfeld unterstützt. Und das hat er nun auch beim Bau der Ferienwohnung aufs Neue bewiesen. "Du stehst mit der Krücke in der einen und dem Vorschlaghammer in der anderen Hand vor einer Wand und sagst, du schaffst das schon", beschrieb Landrat Eder die Einstellung des Weinrieders.

    Mit der anfänglichen Idee war Schneider noch auf Eders Vorgänger im Amt zugegangen, Hans-Joachim Weirather, der jetzt ebenfalls zur Eröffnung kam. Der symbolische Spatenstich fand 2020 statt. Der Bau habe um einiges länger gedauert als gedacht - und mehr gekostet. Doch immerhin sei aus dem Plan, eine Musterwohnung in Sachen Barrierefreiheit zu schaffen, mittlerweile ein Musterhaus geworden, so Schneider. Denn auch eine Einliegerwohnung im dritten Stock soll noch entstehen. Dank der Hanglage des Grundstücks können alle Bereiche des Hauses ohne Aufzug erreichbar sein.

    Eigene Erfahrungen flossen in die Gestaltung der rollstuhlgerechten Wohnung in Weinried im Unterallgäu ein

    Doch zunächst zur Ferienwohnung: Die Räume sollen Menschen mit Behinderung einen angenehmen Urlaub im Günztal ermöglichen. Er selbst habe in Unterkünften schon negative Erfahrungen gemacht, erzählt Schneider auf Nachfrage. "Barrierefrei heißt nicht immer rollstuhlgerecht", das sei vielen nicht bewusst. Doch nicht nur zweckmäßig sollte die Wohnung sein, so seine Vorstellung, sondern auch stylisch, damit sich die Urlauberinnen und Urlauber wohlfühlen. Denn: "Kein Mensch will im Krankenhaus wohnen. Das muss auch anders gehen."

    Wer durch das große Wohn- und Esszimmer, das Badezimmer und die zwei Schlafzimmer geht, stellt rasch fest: Das ist gelungen. Die Wohnung ist bis ins Detail durchdacht, macht optisch etwas her und ist technisch modern ausgestattet. Stichwort Smarthome: "Mit dem Smartphone kann man einiges machen", sagt Schneider. Zum Beispiel lässt sich dadurch die Haustür öffnen oder das Licht steuern. Das erleichtert den Alltag von Menschen mit Beeinträchtigung.

    Wie er bei der Ausgestaltung der Wohnung vorgegangen ist? "Nach persönlichen Blickwinkeln". Soll heißen: Eigene Erfahrungen waren die Basis. Außerdem belegte er Schulungen zu Barrierefreiheit, führte Gespräche mit Personen im Rollstuhl und mit Handwerkern. Für manche sei es Neuland gewesen, wie sich Barrierefreiheit konkret erreichen lässt. "Sie haben viel gelernt", sagt Schneider.

    Man kann die rollstuhlgerechte Ferienwohnung in Weinried auch besichtigen

    Das zweite Ziel, das sich der Unterallgäuer gesetzt hat: Die Wohnung soll ein Anschauungsobjekt sein. Man kann einen Termin vereinbaren, um sie zu besichtigen und auf diese Weise zu erleben, was rollstuhlgerechtes Wohnen in der Praxis bedeutet. Ein Traum wäre es, so Schneider, wenn die Räume auch als Exempel für städtebauliche Projekte dienen würden. Die Mustergültigkeit ist ein Grund, weshalb für das Projekt Zuschüsse über das "Leader"-Programm in Aussicht gestellt wurden. Über "Leader" werden Projekte gefördert, welche die Lebensqualität im ländlichen Raum erhalten, die Gemeinschaft stärken und die Zukunftsfähigkeit von Dörfern sichern. 

    Trotz Förderung bleiben beträchtliche Kosten zu stemmen. Seine finanziellen Mittel, sagt Schneider, seien nun "am Limit". Dabei hätte er noch einen Wunsch: einen R-Garten zu gestalten, einen rollstuhlgerechten Garten mit Hochbeeten und Grillhütte. "Das wäre ein runder Abschluss für das Projekt", findet der Weinrieder. Ein Gast bei der Eröffnung - der ehemalige bayerische Staatsminister für Gesundheit und jetzige CSU-Fraktionsführer im Landtag, Klaus Holetschek - sicherte seine Unterstützung in dieser Sache zu. Denn: "Du bist ein Vorbild". Dem pflichtete Bürgermeister Günther Fuchs bei: "Es ist großartig, mit was für einer Energie er das Projekt vorangebracht hat."

    Eine Frage, die Markus Schneider oft gestellt wird: Warum machst du das alles, du hast doch ein schweres Handicap? "Das ist keine Ausrede. Nur schimpfen bringt nix", antwortet er dann. Und in seinem Grußwort zitierte er deshalb Mark Twain: „Die zwei wichtigsten Tage in deinem Leben sind der Tag, an dem du geboren wirst, und der Tag, an dem du herausfindest, warum.“

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