Schon im Laufe der Ermittlungen hatte sich der Mann kooperativ gezeigt. Vor Gericht macht er damit weiter. In Fußfesseln betritt Joffrey S. am zweiten Verhandlungstag den Sitzungssaal am Memminger Landgericht. Im Gegensatz zu den beiden Hauptangeklagten verbirgt ihr mutmaßlicher Helfer sein Gesicht nicht mehr hinter einer Aktenmappe. Zur Begrüßung nickt er den Menschen auf den Zuhörerplätzen freundlich zu. Generell tritt er sehr höflich auf. Wie zum Auftakt des Prozesses um den Doppelmord in Altenstadt bereits angekündigt, macht der Mitangeklagte am Mittwoch eine Aussage. In einem ausgiebigen Monolog, basierend auf Notizen, packt er aus.
Der 32-Jährige, der in Albstadt in Baden-Württemberg geboren wurde, dort zum Zeitpunkt der Festnahme auch wohnte und als Softwareentwickler arbeitete, erzählt von seiner Freundschaft zu dem angeklagten Ehepaar. Er berichtet von einem Streit zwischen Patrick O. und dessen Vater sowie von gemeinsamen Wochenenden mit der Familie. Er bestätigt die Anklage dahingehend, dass er in der Nacht, als Karl O. und dessen zweite Ehefrau Monika O. umgebracht wurden, rund 100 Kilometer entfernt vom Tatort auf die Tochter von Patrick und Julia O. aufgepasst hatte. Von der Tat selbst hat er demnach nichts mitbekommen. Und er sei auch nicht in den eigentlichen Plan des Paares eingeweiht gewesen, betont er.
"So etwas hätte ich nie unterstützt", sagt der Mitangeklagte
Er spricht es selbst nicht aus, aber jeder im Saal weiß: Der eigentliche Plan war der heimtückische Doppelmord, den die Staatsanwaltschaft Patrick und Julia O. vorwirft. Laut Anklage sollen sie in der Nacht auf den 22. April 2023 Monika und Karl O. im Schlaf überrascht, die Frau mit 44 Messerstichen und den Mann durch Ersticken getötet haben. Er habe seinen Freund unterstützt, sagt der Mitangeklagte. Aber er habe nichts von dem eigentlichen Vorhaben gewusst. "So etwas hätte ich nie unterstützt", betont S. "Ich hätte versucht, ihm die Idee auszureden."
Kennengelernt hatten sich Patrick O. und Joffrey S. laut den Ausführungen im Jahr 2013 über Facebook. Beide interessierten sich für Autos und trafen sich fortan regelmäßig. Eines Tages bat der Hauptangeklagte aus dem Altenstadter Ortsteil Untereichen ihn um einen Gefallen. S. sollte O. dabei helfen, eine Schreckschusswaffe im Haus von Vater Karl O. abzulegen, damit die Polizei auf den 70-Jährigen aufmerksam wird. Es war wohl eine Art Freundschaftsdienst. S. wohnte nach eigenen Angaben eine Zeit lang in Ulm, war als Trauzeuge auf der Hochzeit von Julia und Patrick O.
Die Beziehung seines Freundes zu dessen Vater sei ihm zu Beginn recht normal vorgekommen, erzählt der 32-Jährige. Doch im Herbst 2022 habe er von einem Streit erfahren. Dabei sei es um die Kosten für eine Hausrenovierung gegangen, die der Vater doch nicht übernommen habe. Patrick O. habe berichtet, dass er, seine Frau und die Tochter sich seitdem von Karl O. bedroht gefühlt hätten. Eine Anzeige bei der Polizei habe nichts bewirkt. Deshalb sollte eine vermeintliche Schusswaffe bei dem Vater im Haus deponiert werden. Die Polizei sollte diese finden, um auf den Rentner aufmerksam zu werden.
Während der Autofahrt wurde offenbar ein blutiger Pullover entsorgt
Bei einem Treffen in Metzingen nahe Reutlingen im Januar 2023 fragte sein Freund Joffrey S. zufolge an, ob die Familie an einem Wochenende nach Albstadt kommen könne, um von dort aus ihr Vorhaben ausführen zu können. Da er selbst schon mehrfach bei Familie O. übernachtet hatte, hatte S. kein Problem damit. Er stellte dem Ehepaar auch sein Auto zur Verfügung und traf Vorkehrungen, damit sie nicht auffielen. Im März erfolgte ein erster Versuch: S. passte in der Nacht auf die Tochter auf, während die Eltern von Albstadt nach Untereichen fuhren. Mit dem Auto sind es 110 Kilometer einfache Strecke, die sich in einer Stunde und 45 Minuten zurücklegen lassen. Am frühen Morgen kamen Patrick und Julia O. wieder zurück, berichteten aber, dass sie ihren Plan nicht umsetzen konnten. Deshalb wollten sie es ein zweites Mal probieren - nämlich in der besagten Nacht auf den 22. April.
Das Paar sei auch in dieser Nacht mit seinem Auto nach Untereichen gefahren und am frühen Morgen wieder zurückgekehrt, berichtet S. Doch dann sei offensichtlich etwas passiert. "Jetzt darfst du wirklich keinem was erzählen", habe Patrick O. zu ihm gesagt. Es sei nicht nach Plan gelaufen, er habe "Scheiße gebaut". Er habe dann noch mitbekommen, sagt der Mitangeklagte, dass das Paar über einen blutigen Pullover gesprochen habe, der auf der Fahrt entsorgt worden sei. Außerdem habe Patrick O. ihn gebeten, ein altes Handy zu beseitigen.
Am nächsten Prozesstag möchte Joffrey S. Nachfragen beantworten
Schließlich erzählt S. von einem Treffen in Wiblingen einige Tage später. Dort habe ihm sein Freund anvertraut, dass er handeln müsse, um seine Familie zu schützen. Er habe zugegeben, bei der Polizei die Personalien von S. angegeben zu haben und sich dafür entschuldigt. S. sollte ein Geschenk bekommen, wenn die Sache vorbei sei.
Nachfragen werden an diesem Verhandlungstag nicht gestellt. Das soll am Donnerstag, 1. Februar, passieren. Denn die Verteidiger von S. haben es zur Bedingung gemacht, dass Fragen an ihren Mandaten schriftlich vorgelegt werden, damit sie sich darüber beraten können.